Integration und Inklusion ist die Aufgabe einer ganzen Gesellschaft
Nach Eurem Feedback auf meinen Beitrag mit dem Titel Integration braucht keine sonderpädagogische Zusatzausbildung merke ich, dass meine Aussage tatsächlich für viele von euch nicht verständlich war. Deshalb hier noch einmal der Versuch, im Einzelnen zu erklären, was ich meine.
Ich glaube, dass diejenigen, die wie ich „ungelernt“ als Integrationshelfer arbeiten, haben „gefühlt“, was ich meine. Diejenigen dagegen, die die fachliche Ausbildung dazu haben, im sonderpädagogischen Bereich zu arbeiten, fühlten sich von mir angegriffen. Ja, habe ich sie vielleicht mit so einer Aussage in ihrer Berufsehre verletzt? Das ist für mich durchaus verständlich, aber es war nicht meine Absicht.
Ganz klar: Ich stelle die Notwendigkeit einer solchen Ausbildung gar nicht in Frage!
Das war nicht meine Intention, denn es geht mir primär eben genau darum NICHT. Und natürlich hoffe ich, dass nur diejenigen Förderschulpädagogik studieren, die die in meinen Augen wichtigsten Grundvoraussetzungen dafür mitbringen: Offenheit und Einfühlungsvermögen.
Dass sich meine Beiträge auf meine Erlebnisse im Schulalltag begrenzen, hängt ganz einfach damit zusammen, dass wir außerhalb selten mit der Thematik konfrontiert werden. Allenfalls eckt mein Sohn in der Öffentlichkeit aufgrund seines Verhaltens an. Für Außenstehende ist jedoch nicht ersichtlich, dass das möglicherweise im Zusammenhang mit einer Behinderung steht.
Integration und Inklusion sind fest in der Sonderpädagogik verankerte Begriffe.
Wie passt das eigentlich zusammen? „Sonder-“ bedeutet, etwas auszuschließen, also das Gegenteil von inkludieren. Nun gut …
Auf jeden Fall wird es immer Kinder geben, die auf einer Förderschule am besten betreut und versorgt werden können. Manche Kinder brauchen diesen besonders geschützten Raum. Mein Sohn geht aufgrund seiner Handicaps, die er neben seinem Diabetes noch hat, selbst auf eine Förderschule. Darüber hatte ich ja schon geschrieben.
Unsere örtlich zuständige Grundschule war durchaus bereit, ihn aufzunehmen. Aber mit nur einem Integrationshelfer für die ganze Schule hätte man seinen Bedürfnissen nicht gerecht werden können. Auch er gehört zu den Kindern, auf die man besonders eingehen muss, mit denen man umgehen können muss. Das konnte übrigens auch ich nicht automatisch, nur weil ich seine Mutter bin.
Schade finde ich die an mich gerichtete Frage, ob es mir um die Anerkennung meines persönlichen Engagements geht.
Nein, darum geht es mir nicht! Das würde bedeuten, dass ich das in erster Linie für mich tue und mir die Kinder dabei gar nicht so wichtig sind.
Mir geht es darum, darauf aufmerksam zu machen, wo es bei der Realisierung von Inklusion hakt.
Mir ist bewusst, dass die Schule, an der ich arbeite, als normale Regelschule hierbei Vorreiter ist. Hier wird vorgelebt, wie Inklusion Hand in Hand mit allen Beteiligten erfolgreich umgesetzt werden kann. Kinder mit und ohne Behinderungen lernen gemeinsam, ohne Vorurteile oder Berührungsängste. Die Kinder gehen offen miteinander um. An den meisten anderen Schulen sieht das leider noch völlig anders aus. Es fehlen Konzepte, es fehlen Zuständigkeiten, es fehlt an Mut und manchmal auch am Willen.
Integration und Inklusion geht die ganze Gesellschaft an.
Um sie vollständig umsetzen zu können, braucht es aber ein Umdenken in unserer gesamten Gesellschaft und nicht nur hinter den Türen von Schulen und Kindergärten. Hier wünsche ich mir mehr Offenheit und Unbefangenheit nicht nur im Umgang mit Kindern, sondern mit allen behinderten Menschen. Warum müssen sich Menschen, die offensichtlich körperlich behindert sind, auch heute noch in der Öffentlichkeit mit Blicken, Tuscheleien und manchmal auch bewussten Anfeindungen konfrontiert sehen? Und wenn man es richtig weiterführt, dann beschränkt sich das ganze Thema nicht nur auf Menschen mit Behinderungen, sondern schließt auch ihre Herkunft, sexuelle Orientierung oder ihren sozialen Status mit ein.
Jeden einzelnen mit seinen individuellen Eigenheiten als gleichwertig anzuerkennen und in unsere Mitte zu holen, ist die Aufgabe einer ganzen Gesellschaft. Was nützt es, wenn sich Inklusion ausschließlich hinter verschlossenen Schultüren abspielt? Bis das in den Köpfen aller angekommen ist, ist es noch ein sehr langer Weg.
Liebe Grüße
Eure Doro