Der Moment, in dem ich mich in Kindergekicher verliebte – Dankbarkeit für „meinen Platz“ & Werbung für #einplatzfüralle der Caritas


Ein Platz für alle. #einplatzfüralle ! Was für ein schöner Gedanke. Ich habe die Ehre, in Auftrag der Caritas darüber zu schreiben und euch auch ein Video zu zeigen (s.u). Und ich suche eure Geschichten…

Ja, die Caritas im Erzbistum Köln hat mich gefragt, weil ich weiß, wie es sich anfühlt, seinen Platz verlassen zu müssen. Und woanders hinzukommen, in der Hoffnung, einen neuen Platz zu finden. In einer freien Welt.

Ich möchte euch hier erzählen, aus eigener Erfahrung, wie es sich für einen Menschen anfühlt, wenn er merkt, dass ihm andere Menschen einen Platz schenken, einräumen, gewähren. Wie existenziell und wunderschön das ist. Und wie nachhaltig das fürs Leben prägt. Nehmt euch bitte ein wenig Zeit zum lesen, es liegt mir sehr am Herzen, viele Menschen damit zu erreichen.

Meine Geschichte als Flüchtling kennt ihr. Mein vielleicht stärkster Flashback ist der Abend, als ich in Frankfurt am Main bei meiner Halbschwester, ihrem Mann und ihren Kindern aufschlug. Der 21. August 1984.

Ich war 15 und hatte es gerade geschafft, einen Platz in der Hölle hinter mir zu lassen.

Ich kam aus einer der schlimmsten Diktaturen, die es in Europa gegeben hat. Rumänien. Unter Ceausescu. Mein Hab und Gut war in einem Koffer. Ich hatte ärmliche unmodische Klamotten, und sprach kein Wort Deutsch. Ich wog gerade mal 54 Kilo bei einer Körpergröße von 177.

Die letzte Zeit davor war schlimm mit meiner Mutter. Mein Vater war da schon seit zwei Jahren tot. Meine Ma war an Krebs erkrankt und unter den Medikamenten nicht mehr sie selbst. Sie wurde von unerträglichen Schmerzen geplagt (Morphin schlug nicht an) und war permanent außer sich vor Sorge, was mit mir passieren würde. Denn über allem schwebte die Drohung, dass ich womöglich als Waisenkind in eine Kaderschmiede der Securitate landen würde. Dem war ich jetzt entkommen, Stunden zuvor habe ich an den Grenzkontrollen gezittert, dass ich noch gestoppt werden würde vor dem Flug. Jahre zuvor haben wir jeden Augenblick gezittert, weil Menschen verschwanden und böse Dinge passierten. Auch Grundschulkinder wussten: Ein politischer Witz und schon können Mama und Papa für immer weg sein.

Nach Stress, Zittern und Bangen war ich raus. Ich muss schlecht ausgesehen haben, aber verschreckt war ich nicht. Ich war bereit, mich bezaubern zu lassen. Mich gerettet zu fühlen. Meine Halbschwester und ihr Mann, die in Deutschland lebten, und einige Freunde in Rumänien hatten vorher Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt und viel Bestechungsgeld in die Hand genommen, um mich raus zu bekommen.

Und dann stand ich in ihrer Wohnung… und fühlte mich: Gerettet.
An einem sicheren und geborgenen Platz.

Ihr Zuhause, mein neues Zuhause, war ein wunderschöner Altbau. Mit hohen Decken, schönen Architektenmöbeln, getaucht in warmes Licht am Ende eines Sommertages. Es roch gut. Ich hörte Kindergekicher. Vielleicht war das der Moment, in dem ich mich in sämtliches Kindergekicher dieser Welt verliebte. Für immer. Es ist der schönste Laut der Welt, für mich.

Als erstes streckte mir der ältere Sohn meiner Halbschwester, 5 Jahre alt, sein Händchen entgegen: „Komm!“ Und zog mich ins Kinderzimmer. Der Kleinere, 3, war etwas vorsichtiger, schaute aber verschmitzt, interessiert und daumenlutschend hinter seinem Stoffhündchen aus sicherer Distanz. Na gut. Vielleicht 2 Meter. Riesendistanz für einen Knirps unter einem Meter! Doch nach und nach kam auch er näher…

Keine Viertelstunde war vergangen und ich saß im schönsten Kinderzimmer der Welt auf dem Boden und zwei kleine süße Wesen klebten an mir und zeigten Spielzeug, Stofftiere, ihr Universum. So bunt, so entspannt, so harmonisch. Ich konnte die Sprache nicht, aber das brauchten wir nicht. Wir verstanden uns. Ich sollte sogar ein Buch lesen! Kein Problem, sie kannten den Text auswendig und verbesserten meine Aussprache… und kicherten sich wieder kringelig, als ich komisch betonte. Nicht hämisch. Sondern unbeschwert. Ich war anders und lustig. Sie wollten mehr davon. Ich wollte mehr davon.

Na klar, auch um nicht ins Bett zu gehen. Wir sind ja nicht blöd. Meine Schwester musste ihnen zusichern, dass ich ab jetzt bei ihnen bleibe, und bald auch Gutenachtgeschichten erzählen werde. Ich weiß das, weil ich das richtig versprechen musste, mit Übersetzungshilfe. Da ließen sich die zwei nicht lumpen – und ich fühlte mich großartig! Sie wollten mich.

Ich hatte offensichtlich einen Platz: In ihrer Familie. In ihrer Wohnung. In ihren Herzen.

Und das traf nicht nur auf die Kinder zu. Es traf auf die ganze Familie zu. Was sie für mich getan haben ist nicht selbstverständlich. Nicht jede Frau nimmt einfach mal das Kind aus einer neuen Ehe ihres Vaters auf. Nicht jeder Mann ist gleich dazu bereit, eine Halbschwägerin mitten in der Pubertät aus einem armen Land aufzunehmen. Und nicht jede Familie kann sich das auch leisten. Sie haben es getan. Ich werde ihnen für immer dankbar sein.

Schnell hatte ich einen Schulplatz. Und einen Platz bei Freunden. Und im Sportverein.

Ich hatte einen Platz unter Menschen, die mir halfen und mich begleiteten.

Ihr wisst, dass ich nicht müde werde, Dankbarkeit zu fühlen, dass so viele Menschen mir das Dasein angenehm und schön gemacht haben. Dass sie mich mit offenen Herzen empfangen haben. Dass sie mit mir von Anfang an klar und deutlich Deutsch gesprochen haben, dass sie mich bei Veranstaltungen mitgenommen haben, dass sie mich zu sich eingeladen haben. D

Mein Wunsch ist, dass alle Menschen diese Offenheit, Wärme und Großzügigkeit erleben, die ich so oft empfunden habe.

Und das ist auch das Ziel der neuen Caritas Kampagne und Positionierung.

Kennt ihr schon das Video #einplatzfüralle? Welche spontanen Gedanken verbindet ihr damit?

Schaut erstmal her:

Übrigens, zum Film: Er kommt aus sehr prominenter Filmschmiede: Regie führten Sinan Akkus („Stromberg”) und Stojan Petrov. Prominente Schauspieler sind unter anderem Daniel Wandelt („Ba- bylon Berlin”, „Verbotene Liebe”), Kais Setti („Dogs of Berlin”, „Poli- zeiruf”) und Nico Randel („Extraklasse“).

Kommt die Botschaft bei euch an? Die Caritas im Erzbistum Köln möchte uns damit mitteilen, dass bei ihr alle Menschen willkommen sind.

Dass unabhängig vom Alter, Herkunft, Religion oder körperlicher und geistiger Verfassung Unterstützung bekommen: Es gibt ein vielfältige Angebot! Vom Selbstverteidigungskurs für Senioren, Beratung für Schwangere, digitale Unterstützung von KiTas oder die Eingliederung von Flüchtlingen – es gibt für alle etwas, was passt und verbindet. Das soll uns der Film vermitteln. Fühlt ihr es?

Ich fühle es. Ich werde euch noch in einem eigenen Video mehr erzählen, gleich morgen…  von meinen Erinnerungen, von Integration. Und wie wir von Kindern lernen können, damit Menschen fühlen, dass es #einplatzfüralle unter uns gibt.

Jetzt würden mich eure Erfahrungen interessieren. Mit ihnen würde ich einen extra-Blogbeitrag machen:

Habt ihr auch eine Situation in eurem Leben gehabt, in der ihr dankbar wart, dass ihr einen Platz bekommen habt? habt ihr vielleicht auch für einen Menschen oder mehrere einen Platz bei euch frei gemacht? Was bedeutet für euch #einplatzfüralle ?

Liebe Grüße,

Béa

Zur Transparenz, wie immer: Dieser Blogpost ist von der Caritas im Erzbistum Köln gesponsert. Ihr merkt hoffentlich, dass mir das Thema sehr wichtig ist. Und deswegen werde ich mit diesem Thema weit über das hinaus gehen, was in so einem Sponsoring-Rahmen üblich ist: Ich bleibe dran. Und bringe eure Geschichten gern hier im Blog. Weil die Botschaft #einplatzfüralle es wert ist.

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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2 Kommentare

Flusskilometer_191
Antworten 6. Juni 2019

Danke für diesen wunderbaren Text.

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