„Förderschule war und ist immer im Hinterkopf“ – Eine Mutter berichtet über Inklusion – Gastbeitrag


Das Thema Inklusion von allen Seiten zu beleuchten, dafür sind wir hier. Wir riefen vor ein paar Wochen auf, uns eure ganz persönlichen Erfahrungen zuzusenden.

In den kommenden Tagen werden wir einige eurer Zuschriften publizieren.

Mal seht ihr, dass es sehr gut klappt, ein anderes Mal werden diverse Bedenken geäußert. Es kommen Eltern und auch Erzieher und Lehrer zu Wort.

Wir bitten um nette Worte, ohne Anschuldigungen wem gegenüber auch immer:

Meine Tochter hat eine Halbseitenlähmung und Epilepsie

Meine Tochter ist mittlerweile 11 Jahre alt. Im Alter von 22 Monaten hatte sie eine schwere Krankheit mit Halbseitenlähmung und Epilepsie. Sie ist geistig auch leider zurück. Durch die Halbseitenlähmung hat sie motorische Schwierigkeiten.

Meine Tochter sollte eigentlich mit 2 1/2 Jahren in den Kindergarten. Dann kam die Krankheit und ich war total überfordert und wollte sie vom Kindergarten abmelden. Es war ein Regelkindergarten und ich hatte Angst, dass das Personal überfordert sein würde. Ich habe ein Gespräch mit der Leitung gesucht und diese hat mich motiviert, meine Tochter angemeldet zu lassen. Allerdings kam sie dann erst ein Jahr später in den Kindergarten. Sie wurde von allen Kindern akzeptiert und auch die anderen Eltern hatten nie Probleme mit meiner Tochter. Sie wurde von jedem gemocht.Die Erzieherinnen haben sich sehr gut um meine Tochter gekümmert und schnell war klar, dass es die richtige Entscheidung war, meine Tochter in einen Regelkindergarten zu schicken.

In der Grundschule hatten wir sehr viel Glück mit dem Klassenlehrer

Dann standen wir vor der Wahl der Grundschule. Es war klar, ohne Schulbegleitung schafft sie es nicht. Wir haben dann das so genannte AOSF Verfahren durchführen lassen. Dort wurde uns dazu geraten sie erstmal auf einer Regelgrundschule anzumelden, denn auf eine Förderschule kann sie später immer noch.

Die Lehrer waren erst misstrauisch, haben aber schnell gemerkt, dass es gar nicht so kompliziert mit meiner Tochter ist. Sie hatte seit dem ersten Schultag eine Integrationskraft, die ihr super geholfen hat. Ab der 2. Klasse kam zum Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung noch der Förderschwerpunkt Lernen hinzu, da meine Tochter sehr langsam im Lernen war und wir ihr somit viel Druck nehmen konnten.

Zu der Grundschule muss ich sagen, dass wir wohl sehr viel Glück mit dem Klassenlehrer hatten. Von anderen Eltern mit Inklusionskindern hat man nicht immer so viel Positives über diese Schule gehört. Aber für meine Tochter war es perfekt und wir sind froh, dass sie die Grundschulzeit super gemeistert hat. Auch dort gab es überhaupt keine Probleme mit Schülern, Lehrer oder Eltern. Sie waren alle hilfsbereit und haben meine Tochter so akzeptiert wie sie nun mal ist.

Natürlich gab es auch Streitereien unter Kindern und im Schulbus wurden ihre Schwächen ausgenutzt, dort wurde sie u.a. gefragt ob sie schon Sex gehabt hätte. Meine Tochter wusste zu dem Zeitpunkt nix mit dem Thema anzufangen und hat mit Ja geantwortet. Sie wurde geschubst und hat aus Reflex einem Kind ins Bein gebissen.  Alles wurde auf meine Tochter geschoben. Sie hätte gebissen, mehr wurde nicht erzählt. Die Sachen habe ich direkt der Schule gemeldet und die Lehrer haben sich sofort die Betroffenen zur Seite genommen und haben das mit denen geklärt. Wir haben viel Unterstützung von der Schule erhalten und meine Tochter ist sehr gerne da zur Schule gegangen. Sie mochte jeden dort und fühlte sich sehr wohl.

Auf der Hauptschule hat meine Tochter jetzt Freundschaften geschlossen

Seit dem Sommer 2018 geht meine Tochter nun in eine Hauptschule. Durch den Förderschwerpunkt Lernen wurde uns eine Schule für sie zugeteilt. Sie sollte auf ein Gymnasium. Allerdings wollte ich meine Tochter mit ihrem Stand nicht auf ein Gymnasium schicken. Die Gesamtschulen haben sie abgelehnt, da sie ja einen Schulplatz hatte. Somit haben wir die Hauptschule ausgewählt und dort hat es auch geklappt. Auch dort waren die Lehrer erst erschrocken und hatten Angst davor was sie erwarten wird. Aber schnell wurde auch dort gemerkt, dass es nicht ganz so schwer ist. Meine Tochter hat weiterhin eine Integrationskraft an ihrer Seite. Sie bekommt mit 3 anderen Kindern extra Förderunterricht und macht dort sehr gute Fortschritte. Bisher können wir auch von dort nur Positives berichten. Die Lehrer unterstützen uns und akzeptieren meine Tochter. Meine Tochter hat dort jetzt Freundschaften geschlossen, die seit dem ersten Tag bestehen. In der Grundschule und im Kindergarten waren eher wöchentlich neue Freundschaften geschlossen worden, obwohl die Kinder alle positiv über sie gesprochen haben.

Wir sind sehr froh und dankbar über die Möglichkeit, dass unsere Tochter an einer allgemeinen Schule unterrichtet werden kann und so den Kontakt zu normal entwickelten Kindern kennenlernen darf.

Der Kontakt zu den normal entwickelten Kindern stärkt meine Tochter und tut ihr richtig gut. Sie blüht richtig auf und man merkt immer wieder, dass sie von Tag zu Tag „reifer“ wird. Wir würden immer wieder die Chance nutzen und es wenigstens zu probieren. Das Thema Förderschule war und ist immer im Hinterkopf, aber erstmal wollten wir schauen, ob es auch so klappt und damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht.

Meine Tochter bekommt extra Lernmaterial und auch wenn sie keine Noten durch den Förderschwerpunkt Lernen bekommt, hat sie dadurch keine Schwierigkeiten mit den Mitschülern.

Liebe Grüße N.

Yvonne Petzke
About me

Berliner Mom of 3 * zert. PersonalTrainer * Laufcoach * Beckenbodenkursleiter (M/W) * * noch mehr Sport-/ BewegungsThemen und Persönliches über mich und mein Leben auch als UltraLäuferin findet ihr auf Instagram unter @yvonnepetzke

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