Empathisches Zuhören – Ein Geschenk für andere und auch für uns selbst


Zuhören: Wirklich zuhören. (Von dem ich jetzt weiß, dass es empathisches Zuhören ist.) In der Tat etwas, was mir nicht leicht fällt. Mein Kopf ist so voller Ideen und Konzepte, dass ich manchmal die anderen vergesse, ihre Bedürfnisse, ihre Not. Seit ich unsere Kolumnistin mindfulsun kenne und mit ihr befreundet bin, habe ich viel dazu gelernt: Es ist ein großer Unterschied, jemandem mit echter Empathie zuzuhören oder einfach aktiv.
Viel von dem, was mindfulsun mir auch vermittelt, ist in ihren Beitrag eingeflossen:

So ist wirklich Zuhören letztlich – Ein Geschenk für andere und auch für uns

„Was die kleine Momo konnte wie kein anderer, das war das Zuhören.
Das ist doch nichts Besonderes, wird nun vielleicht mancher Leser sagen, zuhören kann doch jeder. Aber das ist ein Irrtum. Wirklich zuhören können nur recht wenige Menschen. Und so wie Momo sich aufs Zuhören verstand, war es ganz und gar einmalig.
Dabei schaute sie den anderen mit ihren großen, dunklen Augen an, und der Betreffende fühlte, wie in ihm plötzlich Gedanken auftauchten, von denen er nie geahnt hatte, dass sie in ihm steckten.“

Aus „Momo“ von Michael Ende

Worüber ich heute schreiben möchte, ist Zuhören und damit meine ich nicht: hören und hinhören, sondern wirkliches und wahrhaftiges Zuhören: Empathisches Zuhören.

Einen anderen Menschen mit „dem Herzen sehen“ und nicht nur seine Worte hören: Auch das dahinter wahrnehmen.  Raum geben, tiefes und urteilsfreies Zuhören: Mit meiner ganzen Energie beim Gegenüber sein. Dazu gehört vor allem: Empathie. Was Empathie für mich ist?

Empathie ist nicht: Wie würdest du dich fühlen? Empathie ist: Spüren, wie sich der andere Mensch fühlt. minfulsun

Beim Zuhören den Fokus auf die Bedürfnisse und Gefühle des Menschen legen, dem ich zuhöre: Stille Einfühlung. Manchmal sind diese Gefühle versteckt. Je aufmerksamer und achtsamer ich zuhöre, desto mehr hat der andere Mensch die Möglichkeit sich zu entfalten und seine Bedürfnisse und Gefühle zu äußern. Und ich habe auch die Möglichkeit, sie zu erspüren. Hier ist für mich auch das empathische Vermuten nützlich. Es hilft dem anderen Menschen, in sich reinzufühlen.
Vielleicht entdeckt er sie selbst auch erst beim Sprechen. Mit dem Herzen zuhören ermöglicht es uns beiden, mehr über uns selbst und einander zu erfahren.

Ich dachte früher, ich bin eine gute Zuhörerin und hatte die Fähigkeit, empathisch auf andere einzugehen. Und in bestimmten Bereichen war ich das sicher auch schon.

Menschen kommen gern mit ihren Sorgen und Nöten zu mir. Sie wissen, ich habe ein offenes Ohr und urteile nicht. Ich produziere auch nicht sofort Lösungsvorschläge, sondern bin einfach da. Mehr braucht es für mich nicht: Da sein und einfach nur mit offenem Herzen zuhören! Auch wenn ich mir noch so sehr wünschte, dem anderen Menschen etwas abnehmen zu können oder etwas für ihn zu verbessern.

Am Ende solcher Gespräche war ich oft komplett kaputt. Ich wusste eigentlich vorher schon, dass meine Kraft nicht reicht.

Und ich habe trotzdem noch alles aus mir raus gequetscht. Hier habe ich mittlerweile gelernt, auch mehr auf mich zu achten. Das gehört zu meiner Selbstfürsorge dazu!
Denn das empathische Zuhören kostet mich derzeit – auch wegen meiner Posttraumatischen Belastungsstörung – viel Kraft.

Mit meiner ganzen Aufmerksamkeit im Gespräch sein. Empathie, mich nicht überfluten zu lassen, beim anderen bleiben können – ist für mich oft anstrengend.
Dieser Punkt ist mir sehr wichtig in diesem Artikel:

Wenn ich keine Kraft mehr habe oder es einfach an dem Tag nicht geht: „Es tut mir leid, bitte lass uns das später besprechen. Ich möchte dir wirklich achtsam zuhören können. Dafür fehlt mir gerade die Kraft.“ Auch das ist für mich wichtig in einem wertschätzenden Miteinander: Auf meine eignen Bedürfnisse besser zu achten! Manchen Menschen möchte ich auch (noch) nicht, auf diese Weise zuhören. Hier sind meine eigenen Emotionen, mein eigener Schmerz noch zu stark.

In Konfliktsituation, auch mit meinen Kindern, fiel mir von Herzen zuhören sehr schwer! Da wo eigentlich Empathie sein sollte, da war ich zu sehr mit meinen eigenen Gefühlen beschäftigt, eigene Gedanken standen im Vordergrund. Und ich wollte meinen Standpunkt klar machen.

Wie oft habe ich nur hingehört, um zu antworten? Wie oft haben sich beim „Zuhören“ schon Antworten in meinem Kopf geformt?

Kaum hatte der andere ausgesprochen, schoss ich schon los. Miteinander reden, bedeutet eben nicht unbedingt auch einander richtig zuzuhören. Leider! Ich war manchmal nicht offen genug für die Gefühle und Bedürfnisse des anderen Menschen. Meine Verärgerung und meine eigenen Gefühle haben dann verhindert, dass ich überhaupt wirklich bereit war, richtig zuzuhören. Eigentlich war das dann eher ein Argumente Ping-Pong zweier verzweifelter Menschen. Wobei beide das Bedürfnis hatten, wirklich gehört / wahrgenommen zu werden. Keiner konnte sich wirklich richtig darauf einlassen. Von gegenseitigem Verstehen war oft keine Rede mehr.

Erst Achtsamkeit, Selbstreflexion lernen für einen aufrichtigen Selbstausdruck und eben die Grundlage: Die Beschäftigung mit der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg haben mir diese Tür geöffnet:

Ich kann mehr bei mir bleiben, ich kann unterscheiden: Was sind meine Gefühle und welche gehören zu dem anderen Menschen.

Ich habe gelernt, nicht mehr zu interpretieren und auf meine Bewertungen, Projektionen und Urteile zu achten. Auch mit starken Emotionen umgehen, meinen und die des anderen Menschen – gehört für mich zu einem wirklichen Zuhören dazu. Es ist ein Prozess dies zu lernen. Mir hat auch die Meditation dabei geholfen.

Wichtig ist auch meine Bereitschaft in Konfliktsituationen, mich zurückzunehmen. Und das Vertrauen darauf, dass meine Bedürfnisse und Gefühle auch eine Rolle spielen werden: Ich auch wirklich gehört werde. Das ist für mich bedeutsam geworden. Denn richtig zuhören – mit dem Herzen: Einem anderen Menschen diese gesamte Aufmerksamkeit zuteilwerden lassen, ist für mich ein Zeichen von Respekt und Wertschätzung. Das gehört für mich zu den wichtigsten Bedürfnissen in wohltuenden zwischenmenschlichen Beziehungen. Es hat auch im Umgang mit meinen Söhnen viel positiv verändert. Zuhören mit Empathie – richtiges Zuhören – ist für mich nicht nur heilsam, sondern stärkt auch zwischenmenschliche Beziehungen.

Ganz offen: Natürlich ist es einfacher, wenn beide Menschen das beherrschen und auch wollen. Für mich ist es oft (noch) anstrengend mit Menschen zu kommunizieren, die diese Art von Zuhören (noch) nicht beherrschen. Was hier für mich gilt: Selbstempathie! Zeit für mich selbst nehmen, auch aus der Situation gehen und meinen Bedürfnissen Raum geben. Das Gespräch zu einem anderen Zeitpunkt suchen.

Früher bin ich oft über diesen Punkt gegangen und es knallte noch jedes Mal. Das endete bei mir in großen Selbstvorwürfen.

Gelingt mir das alles schon jedes Mal? Nein! Manchmal falle ich in alte Muster zurück. Das zu reflektieren und achtsamer dafür zu werden, hilft mir sehr.

Empathisches Zuhören zeigt dem anderen Menschen auch: Du bist mir wichtig!

Es hilft dem anderen und es hilft auch dem Miteinander. Zuhören schafft Verbindungen und kann zwischenmenschliche Verletzungen heilen.

Und manchmal brauchen Menschen auch das: Sich einfach nur etwas von der Seele reden. Offene Ohren und ein offenes Herz!

Nochmal: Es ist freiwillig. Ich kann das nicht mit jedem Menschen. Und ich brauche selbst auch Empathie. Die kann ich mir selbst geben. Oder vor solchen Gesprächen von anderen Menschen bekommen. Empathie braucht Empathie. Ich kann nicht aus einem leeren Gefäß schöpfen.

Heute habe ich keine Frage für euch, nur die Bitte: Fühlt doch mal in euch rein! Hört ihr wirklich zu oder hört ihr nur hin?

Eure

mindfulsun

“Ich glaube daran, dass das größte Geschenk, das ich von jemandem empfangen kann ist,
gesehen, gehört, verstanden und berührt zu werden. Das größte Geschenk, das ich geben kann, ist,
den anderen zu sehen, zu hören, zu verstehen und zu berühren.
Wenn dies geschieht, entsteht Kontakt.”

Virginia Satir

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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4 Kommentare

Inge
Antworten 16. September 2021

Zuhören können, glaube ich, nur wenige Menschen. Wann mir mal jemand richtig zugehört hat? Das war vor 3 Jahren in der Psychitherapie, meine Therapeutin. In meinem alltäglichen Leben hören die Menschen um mich herum nicht einmal HIN geschweige denn ZU. Das ist traurig und belastend,ich selber interessiere mich für mein Umfeld und höre auch ZU wenn ich merke, dass es meinem Gegenüber wichtig ist. Ja, das ist manchmal sehr anstrengend. Jeder sollte in sich hineinhören,ob er dazu bereit ist ZUzuhören, wenn ein anderer ihm etwas erzählen möchte.Man sollte sich aber auch nicht scheuen zu sagen "Entschuldige bitte , aber ich habe grad gar keinen Kopf daür, lass uns ein anderes mal reden". Das ist besser als Interesse und Aufmerksamkeit zu heucheln.

    mindfulsun
    Antworten 26. September 2021

    Liebe Inge, danke, dass du deine Erfahrung hier teilst. JA! Zuhören und ganz bei dem anderen Menschen sein, kostet Kraft.
    Und ich bin auch froh um jeden, der mir hier signalisiert: "Du, ich packe das gerade nicht." Denn das tut beiden Menschen dann nicht gut.

    LG, mindfulsun

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