Getrennt leben – ein glückliches Paar bleiben – in zwei Ländern! Gastbeitrag von Steffi Bieber-Geske
Was ist, wenn der einen Partner einen Traum hat, den der andere nicht teilt? Bei Steffi und ihrem Mann war es der Umzug ans Meer, von dem sie 20 Jahre lang sprach, den er aber nicht wollte. Heute lebt sie allein mit den Kindern an der dänischen Ostsee, ihr Mann ist in Berlin geblieben – ein Paar und eine Familie sind sie weiterhin, und glücklicher als je zuvor.
Die Liebe zum Meer
Ich liebe Geschichten mit Happy End. Darum konnte ich mit dem vielfach Oskar prämierten Film „Lalaland“ auch wenig anfangen. Die große Liebe aufgeben, nur weil jeder seinen Traum hat, den er oder sie verfolgt? Das habe ich nie verstanden. Mein Mann und ich sind der Beweis dafür, dass es auch anders geht.
Die Liebe zum Meer wurde mir quasi in die Wiege gelegt. In meiner Kindheit in der DDR waren allerdings auch die Möglichkeiten, Ferien an der Ostsee zu machen, eingeschränkt. Doch nach der Wende gab es für meine Mama, meine Schwester und mich kein Halten mehr: Wir verbrachten viele Urlaube auf Rügen oder Usedom, am Mittelmeer oder am Atlantik.
Ich erinnere mich an eine der ersten Reisen mit meinem späteren Mann. Es war am Weißenhäuser Strand Anfang Januar, vor über 20 Jahren, als ich zu ihm sagte:
„Das Leben ist zu kurz, um nicht am Meer am zu wohnen.“
Doch im Gegensatz zu mir hängt mein Mann an Berlin und wollte einfach nie weg. Meinen Umzugswunsch blockte er immer damit ab, dass er im Norden keinen Job als Wissenschaftler finden würde. Außerdem liebt er seinen Job wirklich sehr.
Ich habe das lange hingenommen, auch wenn mein Herz bei jedem Abschied vom Meer immer schwerer wurde und mein Asthma in Berlin immer schlimmer. Auch die Kinder litten erst an Pseudokrupp und chronisch-obstruktiver Bronchitis, später an Asthma. An der Nord- oder Ostsee ging es uns gut und wir konnten immer sofort alle Medikamente absetzen. Im Corona-Lockdown wurde meine Sehnsucht nach dem Meer dann schier unerträglich.
Sonderburg in Dänemark: Der perfekte Ort
Dann zog vor einem Jahr eine gute Freundin an die dänische Ostsee. In den Sommerferien besuchten wir sie in Sonderburg – da war es um mich geschehen. Die hübsche kleine Stadt auf der anderen Seite der Flensburger Förde mit der großartigen Infrastruktur war genau das, was ich immer gesucht hatte. Ich verliebte mich in die freundlichen Menschen und dieses kleine, extrem fortschrittliche Land mit dem großen Gemeinschaftsgefühl.
Das Thema Auswanderung stand nun auch für mich Raum. Beruflich gab es keine Hindernisse, ich bin Kinderbuchautorin und -verlegerin beim Kinderbuchverlag Biber & Butzemann, dem Verlag für regionale Ferienabenteuergeschichten. So kann ich von überall arbeiten. Außerdem organisiere ich mit meinem Team die Berliner Buchmesse BUCHBERLIN und das Berliner Kinderbuchfestival BUCHBERLINkids. Auch hier bin ich nur während der Veranstaltungen einmal im Jahr an Berlin gebunden.
Zwei Wochen den Alltag testen
Im August/September 2021 verbrachten die Kinder und ich eine zweiwöchige Probezeit in Dänemark, um herauszufinden, ob es nicht doch nur ein Urlaubsflirt war. Wir testeten den Alltag in Sonderburg, mit Schule, Arbeit, Einkaufen, Kochen und allem Drum und Dran. Doch trotz Alltag konnte ich atmen – in jeder Hinsicht.
Auf den Fotos von mir aus diesen zwei Wochen sah ich eine entspannte, strahlende Frau. So wollte ich in Zukunft viel häufiger aussehen.
Die Kinder fühlen sich zum Glück sehr wohl an der Schule und fanden schnell neue Freunde, nach einer Woche gab es die erste Einladung zum Kindergeburtstag. Mit dem deutschen Schulsystem war ich nie warm geworden – hier freute ich mich über kleine Klassen, engagierte Lehrer, die nicht kurz vor dem Burnout stehen, und den praxisnahmen Unterricht, in dem das Soziale immer eine große Rolle spielt.
Ich begann, mir Häuser im Internet anzusehen und machte einen ersten Besichtigungstermin aus. Schon als ich den ersten Fuß in die alte Villa im Norden Sonderburgs gesetzt hatte, wusste ich: Dieses Haus hat auf mich gewartet, das ist mein Zuhause.
Die Auswanderung allein wagen
Am Ende der zwei Wochen entschieden die Kinder und ich gemeinsam, das Abenteuer zu wagen und nach Dänemark zu ziehen, ohne den Papa. Wir würden eine Fernbeziehungs-Pendler-Familie werden. Ich war mir sicher: Nach 23 Jahren ist unsere Beziehung stabil genug dafür, dass jeder dort leben kann, wo er glücklich ist.
Dass mein Mann mich, obwohl er natürlich nicht begeistert von der Idee war, unterstützt hat, ist für mich der allergrößte Liebesbeweis.
Das wunderschöne Haus, in dem ich mich bei der Besichtigung sofort zu Hause gefühlt habe, ist jetzt meins. Seit November 2021 lebe ich mit meinen beiden Teenager-Söhnen überwiegend in Sonderburg in Südjüttland.
Alle zwei Wochen kommt mein Mann entweder für ein langes Wochenende oder wir fahren nach Berlin.
Es gab in meinem Umfeld viel Unterstützung, aber auch einiges an Unverständnis, darunter diverse Unkenrufe, dass wir uns dann jetzt wohl trennen würden.
Ganz ehrlich: Wir sind verliebt und glücklich wie lange nicht mehr. Wir vermissen uns, freuen uns aufeinander und genießen die gemeinsame Zeit viel mehr als früher. Da haben wir uns oft im Alltagsstress und in Uneinigkeiten in Erziehungsfragen aufgerieben.
Den Kindern geht es ähnlich. Zwischen Teenager-Söhnen und Vätern gibt es ja oft einiges an Konfliktpotenzial, das ist jetzt durch den getrennten Alltag weg und sie können die gemeinsame Zeit stressfrei und schön gestalten.
Ein großes Abenteuer
Das Auswandern war und ist ein großes Abenteuer. Anders als die meisten Auswanderer haben wir nicht schon ewig von Dänemark geträumt und alles von langer Hand geplant. Natürlich war und ist es nicht immer leicht. Ich war plötzlich im Alltag alleinerziehend, musste mich um alles selbst kümmern, was mein Mann und ich uns bisher geteilt hatten, egal ob Autokauf, Sicherung wechseln, Einkauf, Kochen oder Putzen. In Notfällen war nicht die Oma oder die Tante verfügbar.
Hinzu kam, dass die Kinder und ich im Winter oft krank waren. Die gesunde Meeresluft und das Reizklima, das sich positiv auf unsere Gesundheit auswirken sollte und das auch garantiert tut, forderte das Immunsystem erst einmal heraus. Hinzu kam Corona. Und natürlich vermissen die Kinder und ich Familie und Freunde.
Trotzdem habe ich unseren Umzug nicht einen Tag bereut. Die Lebensqualität in Dänemark ist wirklich sehr hoch. Auch meine Jungs fühlen sich wohl und haben hier in ein paar Jahren mit ihrem deutsch-dänischen Abitur alle Möglichkeiten in beiden Ländern.
Neue Chancen
Beruflich hat sich bei mir im Laufe des Jahres 2021 ebenfalls einiges in Richtung Dänemark verändert. Ich habe jetzt eine Illustratorin aus Nordjüttland im Team, im Sommer 21 ist mit „Abenteuer auf Römö“ das erste Dänemark-Kinderbuch in meinem Verlag erschienen, drei weitere sind in Arbeit. Das über Süddänemark schreibe ich natürlich selbst. Vor Ort und mit den entsprechenden Sprachkenntnissen kann ich dann auch wunderbar den Vertrieb aufbauen. Außerdem arbeite ich hier stundenweise in der Bücherei, was mich weiterbildet, vernetzt und mich nicht zuletzt regelmäßig aus dem Homeoffice lockt.
Ich bin ein extremer Workoholic und hatte mit Dänemark auch die Hoffnung verbunden, ein bisschen entspannter und gelassener zu werden, mehr Balance zu finden – meiner Gesundheit zuliebe. Nach einem knappen halben Jahr kann ich sagen: Ich arbeite nicht unbedingt weniger, zumal auch noch der Sprachkurs mit 5 Stunden die Woche hinzukam, aber ich fühle mich trotzdem entspannter und habe gelernt, mir die Wochenenden wirklich freizunehmen. Ich bin also auf dem richtigen Weg.
Auch mein Mann, der ein sehr ruheliebender Mensch ist, weiß die freie Zeit ohne Familie inzwischen zu schätzen – ebenso wie die turbulenten Ferienwochen, wenn er seine Familie wieder rund um die Uhr um sich hat.
Eure
Steffi
P.S. Habt ihr Fragen dazu? Oder ihr lebt selbst das eine oder andere ungewöhnliche Familienkonzept? Erzählt uns davon! Gern auch mit einem schönen Gastbeitrag!
- 08. Apr 2022
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