Ich war auf einer Scheidungsparty und es war klasse! – Gastbeitrag
Wenn gute Dinge ein Ende finden, kann man feiern! Ähm, ja. Auch bei einer Ehe? Ist das nicht ein trauriger Anlass? Eine Leserin hat ihre Freundin dabei begleitet und uns einen kleinen Erfahrungsbericht geschickt:
„Wenn dir das Leben Zitronen gibt, mach Limonade draus. Und wenn du keinen Zucker oder Honig da hast, nimm Salz und Tequila!“ – ist inzwischen schon ein running gag.
Das hat meine Freundin auf die Einladungen zur ihrer Scheidungsparty geschrieben. Ich habe sie davor, danach und währenddessen begleitet. Und weil es so bewegend war, möchte ich davon erzählen. Meine Freundin hat mir erlaubt, euch das zum Veröffentlichen zu geben, weil sie auch Mama ist und gern bei euch mitliest.
Die Geschichte meiner Freundin trifft wahrscheinlich die Hälfte* der Ehen zu:
Verliebt, verlobt, verheiratet, Kind unterwegs, Scheidung!
(Anmerkung Béa: *Nicht ganz, die Scheidungsrate sinkt inzwischen und liegt „nur“ noch bei ca. 42%, sagt das Statistische Bundesamt)
Na gut, heutzutage kommt das nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Bei meiner Freundin war es: 1. verliebt, 2. zusammengezogen, 3. getrennt, 4. noch mal zusammengekommen, 5. Weltreise, 6. schwanger unterwegs, 7. zurück nach Deutschland, 8. Kind bekommen, 9. Hochzeit und Taufe gleichzeitig…
Und dann: 10. Riesenstreit. Alles schlimm. Das Leben mit Baby war doch kein guter Lebensstil für das Paar.
Unsere „Mädelsabende“ verwandelten sich zu einem Mix aus Psychotherapie und strategischer Kriegsführung mit viel Rotwein. Vor allem Rotwein. Ich war diejenige, die meiner Freundin sagen musste, dass ich ihren Alkoholkonsum bedenklich fand. Sie erschrak selbst, als ihr klar wurde, dass sie de facto jeden Abend zu viel Alkohol zu sich nahm, um sich zu trösten.
Das war für sie der Wake-Up-Call. So wollte sie nicht leben.
Auch er erschrak, als sie das ansprach. Er war ebenso unglücklich, trank auch zu viel und stellte fest, dass sie nur noch am Aufrechnen waren (wer was fürs Kind machte) und wer von ihnen Freiheit und Entspannung verdient hatte. So wollte auch er nicht leben. Sie machten eine Paar-Therapie, und genau diese hatte das Ergebnis für die beiden: „Wir bleiben Eltern, wir bleiben ein Team, aber wir sind kein Liebespaar mehr.“
Nach vier Jahren „wir probieren es und raufen uns zusammen“ kam also die finale Erkenntnis: Es geht den beiden besser getrennt als zusammen. Und das mit der Elternschaft passte auch besser in der jeder-für-sich-mit-dem-Kind-Variante, als in der Kleinfamilien-Konstellation. Gemeinsam kam der Beschluss: Scheidung.
Und dann fassten sie den Entschluss, eine Scheidungsparty zu feiern.
Ich fand die Idee auch gut. Als wir das Netz dazu durchforsteten, haben wir festgestellt, dass es viele Scheidungsparties gibt, und dass es sogar einen Film zu diesem Thema gegeben hat. Das hat meine Freundin… naja… fast etwas enttäuscht, weil sie dachte, sie sei die Vorreiterin bei der Sache. Aber letztlich war sie darin bestätigt, dass es eine gute Sache sein kann. Und gleichzeitig hat sie bei dieser Recherche auch herausgefunden, was sie nicht wollte.
Sie wollte daraus keine Ulkerei machen. Sie wollte einfach nur einen guten Abschluss. Deswegen gab es keine „Scherze“ wie „Brautkleid zerschneiden“ oder „Blumenstrauß abfackeln“. Es sollte eine schöne Abschluss-Feier werden. Der Abschluss einer Ehe und der Anfang einer anderen Art von Beziehung.
Als Ort haben die beiden ein kleines Restaurant an einem See gewählt, mit Blick aufs Wasser. Es gab ein schönes leckeres Büffet und eine warme Stimmung.
Es waren nur gute Freunde und Familienmitglieder dabei, die eine offene Einstellung mitbrachten.
Statt einer Rede haben zwei Paare mit Kindern, die schon länger geschieden waren, von ihren „Ups and Downs“ offen erzählt.
Dann haben sich meine Freundin und ihr inzwischen Exmann beieinander für die guten Zeiten bedankt, für die schlechten Zeiten entschuldigt und sich gegenseitig Unterstützung für die Zukunft versprochen.
Und jeder, der dabei war, hat versprochen, die beiden in ihrem Vorhaben, das Kind gut aufwachsen zu lassen, zu unterstützen.
Das einzig „Scherzhafte“ war die Torte zum Nachtisch – es war eine Cupcake-Piñata, die erst wie eine Hochzeitstorte aussah und dann durch einen Schlag von oben in lauter kleinen Cupcakes zerfiel.
Sonst haben wir wie bei jeder guten Feier getanzt, geredet und gegessen. Wir sind alle mit dem Gefühl nach Hause gegangen, dass es gut war. Besonnen und besinnlich gut.
Und ja, es gab viel Tequila. Aber meine Freundin hat nicht getrunken. Denn inzwischen passt sie bei Alkohol auf…
Ich glaube, dass die beiden ihre Rolle als Eltern gut packen werden – ganz im Sinne eures Artikels über Eltern in Trennungen. Ich würde mich freuen, wenn dieses Beispiel auch andere inspiriert.
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Könnt ihr euch das vorstellen? Oder habt ihr auch eine Scheidungsparty erlebt?
Liebe Grüße von Béa
und vielen Dank an unsere Leserin, die davon erzählt hat
P.S. Es gibt auch das Buch „The Divorce Party“ (affiliate Link, also Mini-Werbung)
- 25. Mar 2019
- 1 Kommentar
- 0
- getrennte Eltern, Scheidung, Scheidungsparty, Trennung
Maxi
9. Juni 2020Mal eine andere Art von Party. Faszinierend, auf welche Art und mit welchen Respekt man sich doch heutzutage noch scheiden lassen kann. Ein toller Beitrag! Machen Sie weiter so! Beste Grüße!