Positive Erfahrungen als Gegengewicht zu #MeTwo – wie ich mich willkommen gefühlt habe
Auf Twitter geht eine neue Welle los zum Thema #MeTwo – es geht um schlechte Erfahrungen und Rassismus in Deutschland gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund. Ich finde es wichtig und richtig, dass wir uns das vor Augen führen und die inhumane Denke dahinter ablehnen und verändern. Aufschreie muss es geben, damit sich Dinge verändern!
Ich fühle aber, dass ich diesem Aufschrei, dem #MeTwo, auch etwas entgegen setzen muss. Etwas Positives.
Ich möchte auf keinen Fall negieren oder absprechen, was all diese Menschen erlebt haben. Ich möchte nur meine guten Erfahrungen auch in die Waagschale werfen. Die Erlebnisse, die ich haben durfte, als ich als Vollwaise und ohne Deutsch zu sprechen mit nur 15 Jahren nach Deutschland kam. Ich möchte sie hier aufschreiben, weil ich noch Jahre später enorm viel Dankbarkeit dafür empfinde.
Sehe ich einfach nicht ausländisch aus, sondern wie eine normale dunkelhaarige Deutsche? Hm, stimmt. Habe ich einfach nur Glück gehabt? Vielleicht. Aber auch von diesem Glück sollte die Welt erfahren, finde ich – weil es auch zeigt, dass es anders geht, als Menschen mit Migrationshintergrund abzulehnen und auszugrenzen.
Hier sind meine Dankbarkeits-Flashbacks als #MeTwo Gegengewicht – ich erinnere mich gern an:
Den netten Sitznachbar in der Flucht-Maschine nach Frankfurt, als ich mein Land verlassen musste. Wir haben Englisch gesprochen und er brachte mir „Drücken“ und „Ziehen“ bei, damit ich später mit Türen klarkomme. Und er fügte hinzu, dass er mir stets offene Türen wünscht. Werde ich nie vergessen. Ich habe jedes Mal sofort ein Bild im Kopf! Mein Leben besteht aus offenen Türen!
Die Freundinnen meiner Halbschwester in Frankfurt, die coole Klamotten vorbei brachten, damit ich mich nicht als das arme Ostblock-Kind fühlen musste.
Meine erste Freundin in Deutschland, Martina, die mich als „Austauschschülerin“ in ihre Schule mitnahm, bevor mein Status geklärt war. Und die mich ins Kino und zu Parties mit ihren Freunden mitschleppte und liebevoll mit Erklärungen in Französisch half, wenn ich nicht verstand.
Meine erste Klassenlehrerin in meiner ersten deutschen Schule in Frankfurt Fechenheim, die Heinrich-Kraft-Schule: Frau Kleinschmidt. Sie hat immer extra Lern-Materialien für mich ausgesucht, damit ich schneller lernen kann. Überhaupt war diese Schule großartig, schon allein vom Konzept her: Jeder neue Schüler wurde erst in einer Jahrgangsstufe eingestuft, und sobald man sich sicher fühlte, konnte man einen kleinen Test machen und in einer höheren Klasse eingestuft werden. Ich stieg in die 7. Klasse ein, bei besagter Frau Kleinschmitt – schon 2 Monate später war ich in der 8. Klasse, dann in der 9. und schließlich konnte ich die 10. Klasse abschließen – lückenlos zu meinem Stand, den ich aus Rumänien brachte.
Meine Deutschlehrerin in der Klasse 11 in Karlsruhe, Frau Meyer, die an mich geglaubt hat und mit mir einmal pro Woche extra in der Bibliothek einen Kaffee trank und mir deutsche Ausdrucksweisen erklärte und mir mir einübte.
Alle meine Schulklassen und Lerngruppen, die meine Deutschfehler aus sämtlichen Schriftstücken ausmerzten ohne zu meckern, als sei es das Selbstverständliche der Welt. Na gut, über manche Dinge haben wir schon zusammen gelacht.
Die Leute auf einem Straßenfest in Durlach (ein Stadtteil von Karlsruhe mit Kleinstadtflair), als ich mich bemühte, etwas Dialekt (Badenzerisch) zu reden: „“Brauscht net dir oins abbreche so zu schwätze wie mir, mir mögen dich auch so, gell!“
Den lustigen bayrischen Herr in einem Biergarten München, der mich etwas fragte und als ich ihn erst nicht verstand, mich als „Saupreiß“ betitulierte. Als ich meinte, dass ich keine Deutsche sei, entschuldigte er sich und musste beweisen, dass er doch Hochdeutsch kann: „Mir, in Minga, mir sans aa bilingual!“
Alle meine Studienkollegen, die nicht nur mit gelegentlichen Sprachkorrekturen in Hausarbeiten und (pssst!) sogar Examina geholfen haben, sondern mich auch mit meiner kleinen Tochter unterstützt haben. Denn ich war 21 als ich Mutter wurde – und auch in dieser Situation habe ich mich ausgegrenzt gefühlt.
Meine Arbeitgebern und Kunden, die meine Mehrsprachigkeit als Vorteil zu schätzen gewußt haben. Ich wäre auf diesen Gedanken eigentlich fast nicht gekommen bis ich nicht diesen Tweet heute unter #MeTwo gesehen habe:
Der Personalberater, der mir geraten hat das Rumänisch aus meinen Unterlagen als Muttersprache zu streichen. „Sie wissen ja wie das ankommt!“ #metwo
— Paula Deme 🎗 (@paula_deme) July 26, 2018
Und letzten Endes auch an alle, die diesen Blog lesen und auch meine Posts in den diversen Social Media und mich liebevoll auf rechtschreib- und Grammatikfehler hinweisen, anstatt abzuspringen: Danke!
Bestimmt fällt mir auch noch mehr ein…
Wer von euch hat auch Migrationshintergrund und gute Erfahrungen?
Lasst sie auch mal lesen und hören – denn ich bin überzeugt, dass positive Beispiele das öffentliche Bewusstsein beeinflussen!
Liebe Grüße,
Béa
P.S. Das Titelbild ist von Malina Ebert – die polnische Wurzeln hat.
- 26. Jul 2018
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