Sollten wir Kindern Entschuldigungen abverlangen, wenn sie was verbockt haben?


Kindern Entschuldigungen abverlangen? Nina alias Frau Papa hat eine Geschichte für euch:

Der Bus war mir vor der Nase weg gefahren. Ich musste zu Fuß gehen. Meine Kinder waren bei eine Freund zum Spielen und ich sollte sie spätestens um sechs abholen. Darum wollte ich auf keinen Fall zu spät sein. Ein Blick auf die Uhr. Ich lag gut in der Zeit. Ein paar hundert Meter, bevor ich das Haus erreichte, kam mir mein Jüngster entgegen.

Mit Tränen in den Augen und von oben bis unten klatschnass, stand er vor mir. Es dauerte eine Weile, bis er reden konnte. In Wirklichkeit war nicht viel passiert. Die Kinder hatten gespielt. Mit Wasser. Wer nun was gemacht hat, konnte ich nicht heraus bekommen, aber es war auch nebensächlich. Er war nass und traurig. Das Spiel war eskaliert und er hatte verloren. Der große Bruder hatte im Eifer des Spiels deutlich übertrieben, er war definitiv nicht unschuldig.

Am Heimweg sprach ich mit dem beiden Kindern. Und plötzlich musste ich an einen Tweet von TOLLABEA denken. Sie hatte kürzlich über Entschuldigungen nachgedacht.

Während ich mit den beiden zur Bushaltestelle ging, beschäftigte mich genau dieser Gedanke:

Kann ich verlangen, dass mein Großer sich bei seinem kleinen Bruder entschuldigt?

Was bedeutet eine Entschuldigung?

Ich mag das Wort Schuld nicht. Wenn immer ich mit meinen Geschwistern gestritten hatte, kam meine Mutter an und verlangte: „Jetzt entschuldigt ihr euch und gebt euch die Hände.“ Mein Nackenhaare stehen schon beim Gedanken daran zu Berge. Ihr war egal, wer begonnen hatte und wer was getan hatte. Ihr war wichtig, dass wir was sagten. Es ging nicht mal darum es zu meinen. Die Entschuldigung musste ausgesprochen werden und schwupp, war die Welt wieder in Ordnung. Natürlich gab es, in den Augen meiner Mutter, danach keinen Grund mehr zu streiten. Heile Welt, alles gut.

Ist eine Entschuldigung eine Zauberformel, mit der man das Ende eines Konfliktes einleiten kann?

Es wäre doch großartig eine verbale Friedenspfeife zu haben, die jedes Zwist mit einem Satz aus der Welt schafft. Ein für alle mal. Für immer und ewig. Aber das ist doch nicht, was eine Entschuldigung ausmacht, oder?

Es geht um Schuld. Eine Person ent-schuld-igt sich. Die andere Person nimmt diese Ent-schuld-igung an und die Schuld ist durch die Einigung aufgehoben. Anerkennend vom Tisch gewischt. Eine Entschuldigung ist eine Geste des aufeinander zu Gehens. Nur hatten meine Jungs gestern einfach gespielt, getobt und am Ende war einer so nass, dass es keinen Spaß mehr machte. Er war sogar so sehr enttäuscht, dass er sich zu Fuß auf den Weg nach Hause gemacht hatte.

Kann ich verlangen, dass mein Kind sich entschuldigt?

Die beiden Kinder sprachen nicht miteinander. Der kleine Bruder war wütend und der große war sich keiner Schuld bewusst. Wie sich heraus stellte hatte der Kleine damit angefangen, die beiden größeren Jungs nass zu spritzen. Das nasse Kind war also nicht unschuldig. Nun fragt sich, wer soll sich bei wem für was entschuldigen? „Tut mir leid, dass ich dich nass gespritzt habe“ – „Und mir tut es leid, dass ich dich nass gemacht habe“ – schon im Kopf war das Szenario lächerlich.

Entschuldigen – Das Wo, Wie und Wann

Es ist sehr schwer, einen Fehler einzugestehen. Eine Entschuldigung braucht aber genau das: eingestehen, etwas falsch gemacht zu haben und obendrein, die Schuld auf sich zu nehmen. Da ist egal, ob es darum geht, dass man ungeschickt bewegt, dadurch eine Person an der Kasse rempelt oder ob man eine Entscheidung bewusst getroffen hat, die sich dann als Fehler heraus stellt.

Hand aufs Herz

Nichtmal ich schaffe es immer, mich für Fehler zu entschuldigen. Ich bin stur und dickköpfig. Wenn ich einen Streit habe, dann kann ich hinterher oft nicht zugeben, dass ich im Unrecht war. Ich kann mich nicht entschuldigen, obwohl ich weiß: Der Streit ist durch meine Sturheit entstanden und durch meine Unfähigkeit, die Schuld einzugestehen, erst richtig eskaliert.

Kann ich von meinen Kindern verlangen, dass sie sich entschuldigen?

Ich weiß es nicht. Gestern habe ich mit meinen Kindern gesprochen. Ich habe vermittelt, damit die beiden wieder miteinander sprachen. Es war nicht nötig, einen Schuldigen zu finden, irgendwann sagte einer: „es tut mir leid“ und der andere antwortete: „mir auch.“

So einfach? Habt ihr so etwas auch schon mal erlebt?

Liebe Grüße,

Nina

P.S. von Béa: Auch unsere Bloggerkollegin Sarah von Schwesternliebe & Wir hat darüber geschrieben.

Bitte entschuldige dich! – Warum für Kleinkinder dieser Satz keinen Sinn macht

Kostprobe: << Um sich ernsthaft zu entschuldigen, müssen wir uns in unseren Gegenüber hineinversetzen. Die Hirnreife dafür haben Kinder erst mit ca. 4 bis 5 Jahren. Alles andere ist nur ein mechanisches Entschuldigen und das macht meiner Meinung nach wenig Sinn. Denn weder das Kind – dem Unrecht geschehen ist – hat etwas davon, noch lernt das Kind – welches sich entschuldigen soll – etwas Sinnvolles dabei. Es lernt dabei keine Empathie, kein Mitgefühl, es lernt einfach nur, dass “Man das halt so mach”.>>

Weiterlesen hier. 

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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4 Kommentare

Jua
Antworten 13. September 2018

Ich finde das Abverlangen einer Entschuldigung hat keinen Sinn. Was ich versuche, ist meinen Kindern zu erklären was aus meiner Sicht falsch gelaufen ist und (im Falle dessen dass das "Opfer" seine Gefühle nicht zum Ausdruck bringen kann) die Situation der Person die gekränkt ist, zu erklären und zu veranschaulichen. Daraus erhoffe ich mir dann dass die Empathie sich meldet und Einsicht entsteht. Funktioniert nicht immer,ist aber glaube ich ein guter Weg. Und natürlich ist es ganz wichtig die Sache mit dem Entschuldigen vorzuleben. Wenn ich etwas falsch mache im Umgang mit meinen Kids, dann entschuldige ich mich.

Sandy
Antworten 14. August 2020

Es ist EGAL, ob der „Täter“ sich mit der Entschuldigung identifizieren kann! Wichtig ist die Wiedergutmachung. Das Prozedere dafür kann erlernt werden, auch schon sehr früh. Auch wenn die Hirnreife eines 4jährigen zum Verständnis von Reue noch nicht ausreicht, aber die des Leidtragenden reicht, um zu fühlen, dass das blöde Gefühl „wieder gut“ gemacht wurde.

„Entschuldigung, dass ich dich nass gemacht habe!“ - das ist doch nicht der Punkt und wäre in der Tat albern. Aber über ein unkompliziertes „Entschuldigung“ zu transportieren „Sorry, dass ich deine Grenze absichtlich/versehentlich überschritten habe und du dich schlecht gefühlt hast...“ - DARUM geht es doch!

Der Effekt ist für beide Kinder fühlbar. Auch ohne notwendige Hirnreife: das wäre bloß eine nicht notwendige „Entschuldigung“ für rücksichtsloses Verhalten.

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