„Ich wünsche dir Zeit“ – Weg vom alleinigen Zeitmanagement und hin zu mehr Fokus und Aufmerksamkeit
Gerade jetzt zum Jahresbeginn werden sich sicher wieder viele Menschen vornehmen, ihre Zeit besser zu planen. Denn wie oft sagen und hören wir: „Dafür habe ich keine Zeit!“, „Wenn der Tag nur mehr Stunden hätte!“, „Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit für meine Familie oder Dinge, die ich mag.“…
Wie fühlt sich das denn an in diesen Momenten? Gestresst, überfordert, ängstlich, frustriert oder traurig?
Ich möchte Menschen gern einladen, in sich zu spüren, wenn sie solche Sätze sagen oder diese Gedanken haben.
Dieser Beitrag wird sich heute nicht darum drehen, wie ihr eure Zeit besser planen könnt und vielleicht noch mehr in den vollen Tag stopft. Es geht mir nicht um Effizienz. Heute möchte ich darüber schreiben, wie wichtig der Fokus ist und wo wir in jedem Moment mit unserer Aufmerksamkeit sind.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der Multitasking hochgehalten wird. (Empfinde ich so.)
Dabei kann unser Gehirn das überhaupt nicht leisten. Irgendwas wird auf der Strecke bleiben, allem voran unsere Gesundheit. Zu Multitasking hatte ich bereits hier geschrieben. In diesem Artikel der „Vereinigung Amerikanischer Psychologen“ finden sich für mich interessante Fakten. Hin- und her switchen zwischen Aufgaben kostet eben Zeit und der Fokus auf die einzelnen Dinge geht verloren. Statt zwei Dinge gleichzeitig zu tun (außer vielleicht mit der Freundin am Telefon zu quatschen und dabei die Waschmaschine zu beladen – Beispiel aus dem Artikel), lieber:
Fokus und die bewusste Entscheidung: „Ich tue jetzt dies statt das.“
Und dann achtsam in und an die nächste Aufgabe gehen.
An dieser Stelle wiederhole ich: Der Fokus meines Artikels liegt auf Zeit bewusst erleben, fokussieren und nicht mehr Zeit schaffen. Obwohl das häufig dann auch passiert.
Wenn wir eins nach dem anderen tun und das mit Fokus, gewinnen wir Zeit.
Wenn ich also in einer Aufgabe bin: Mich achtsam auf diese Aufgabe einlassen und fokussieren.
Beispiel: Wenn ich einen Artikel schreibe, tue ich nebenbei nichts anderes. Keine Tabs offen, kein Handy in der Nähe etc. Wenn ich merke, meine Aufmerksamkeit lässt nach, mache ich bewusste Pausen.
Wenn ich mich mit Freunden treffe: Nehme ich mir bewusst dafür Zeit!
Ich nehme in dieser Zeit keine Telefonate an oder kommuniziere anderweitig mit anderen Menschen. (Ausnahmen gibt es, das gebe ich zu. Daran arbeite ich.) Ich kann mich noch an Zeiten ohne Mobiltelefone erinnern. Wenn ich heute höre: „Das ist wichtig, ich muss da jetzt rangehen.“, das gab es damals nicht. Scheinbar ist jetzt alles ständig wichtig, weil die meisten von uns fast permanent erreichbar sind.
Wenn ich von Fokus und Aufmerksamkeit schreibe, meine ich auch: Nein sagen können, auch zu mir selbst.
Klingt merkwürdig? Es sei denn, die Hütte brennt oder irgendwer nimmt davon Schaden, kann ich auch Dinge sein lassen, die ich mir vorgenommen habe oder die mir noch am Morgen wichtig erschienen sind. Was ich für MICH festgestellt habe: To-do-Listen sind für mich nur bedingt hilfreich. Ich habe auf diesen Listen jetzt auch: Pausen und Selbstfürsorge als feste Punkte eingeplant. Und wenn am Abend Aufgaben übrig sind: Ist das vollkommen ok! Denn intuitiv kann ich jetzt, wo ich meine Bedürfnisse und Gefühle klarer reflektieren kann, auch nachsichtiger mit mir sein.
Ein großer Punkt für mich war: Meine Gewohnheiten kennenlernen und zu spüren, was ich fühle.
Früher habe ich oft Dinge jongliert oder unterbrochen, um „etwas Mal eben schnell zwischendurch zu erledigen“. Und bin dann wieder zurückgekehrt zu dem, was ich ursprünglich tat. Ich war dabei eher unruhig. Dieses „mal eben schnell“ geht eben auch oft auf Kosten der Achtsamkeit und meines Wohlbefindens. Ich versuche sehr darauf zu achten.
Übrigens mit Fokus und Aufmerksamkeit bei einer einzigen Sache zu sein: Sei es nun der Abwasch (ja, ich habe keinen Geschirrspüler) oder das Schnippeln von Gemüse, ganz ohne Ablenkung, tut mir sogar gut! Der Abwasch ist erledigt und ich habe dabei Ruhe getankt. Das bewusste Schnippeln von Gemüse bereitet mir Vorfreude auf die Mahlzeit.
Wie mit vielem ist es auch mit der Zeit: Ich kann sie nicht ändern. Der Tag hat 24 Stunden. Ich kann ändern, worauf ich meinen Fokus setze. Äußere Einflüsse kann ich auch kaum kontrollieren. Ich kann allerdings beeinflussen, wie ich mit ihnen umgehe. Und je enger ich mit mir und meinen Gefühlen und Bedürfnissen im Kontakt bin und mich bewusst entscheide: Für Aufmerksamkeit und Fokus, umso entspannter kann ich mit Dingen umgehen. Umso wohler fühle ich mich.
Zum Abschluss ein Gedicht, was ich ganz wundervoll finde. Vielleicht haben das einige von euch auch zu Silvester per Video erhalten. 🙂 Es hat mich inspiriert diesen Artikel zu schreiben und ich würde es für mich umbenennen von:
„Ich wünsche dir Zeit“ zu „Ich wünsche dir, dass du dir bewusst Zeit nehmen kannst.“
Durch das Training in Achtsamkeit in den letzten Jahren habe ich für mich bemerkt: Oft genug denke ich, dass ich keine Zeit habe. Dabei ist es an mir, mir die Zeit zu nehmen. Und das gerade für Menschen, die mir wichtig sind.
Dieses Gedicht ist für mich auch ein Impuls, meinen Fokus in einigen Bereichen wieder zu justieren. Vielleicht geht es euch ebenso, wenn ihr es lest.
mindfulsun
Ich wünsche dir Zeit
von
Elli Michler
Ich wünsche dir nicht alle möglichen Gaben.
Ich wünsche dir nur, was die meisten nicht haben:
Ich wünsche dir Zeit, dich zu freun und zu lachen,
und wenn du sie nützt, kannst du etwas draus machen.
Ich wünsche dir Zeit für dein Tun und dein Denken,
nicht nur für dich selbst, sondern auch zum Verschenken.
Ich wünsche dir Zeit – nicht zum Hasten und Rennen,
sondern die Zeit zum Zufriedenseinkönnen.
Ich wünsche dir Zeit – nicht nur so zum Vertreiben.
Ich wünsche, sie möge dir übrig bleiben
als Zeit für das Staunen und Zeit für Vertraun,
anstatt nach der Zeit auf der Uhr nur zu schaun.
Ich wünsche dir Zeit, nach den Sternen zu greifen,
und Zeit, um zu wachsen, das heißt, um zu reifen.
Ich wünsche dir Zeit, neu zu hoffen, zu lieben.
Es hat keinen Sinn, diese Zeit zu verschieben.
Ich wünsche dir Zeit, zu dir selber zu finden,
jeden Tag, jede Stunde als Glück zu empfinden.
Ich wünsche dir Zeit, auch um Schuld zu vergeben.
Ich wünsche dir: Zeit zu haben zum Leben !
- 03. Jan 2022
- Keine Kommentare
- 2
- Achtsamkeit, Fokus, Zeit