Lügen machen süchtig


Lügen haben kurze Beine. Wir alle kennen diese Weisheit, die uns dazu auffordert, das Flunkern gleich sein zu lassen. Allerdings will es den ein oder anderen nicht so richtig gelingen, denn so absurd es auch klingen mag, haben Lügen einen ungewollten Sog an sich. In diesem Beitrag geht es darum, inwieweit Lügen süchtig machen können.

Niemand mag Lügner, und doch tun wir alle es ständig. Laut einer Studie lügt der Mensch rund vier Mal am TagMänner sogar häufiger als Frauen. Hochgerechnet ist das eine unglaublich hohe Zahl, die vor allem dadurch entsteht, dass viele Lügen unbewusst entstehen. Ein kurzer Moment der Unehrlichkeit, der so unscheinbar ist, dass ihm keine sonderliche Beachtung geschenkt wird.

Ich bin eine große Gegnerin des Lügens. Für mich steht Ehrlichkeit vor allem anderen, und doch habe ich mein Verhalten der letzten Tage reflektiert und ein paar Momente entdeckt, in denen ich tatsächlich gelogen habe. Zum Beispiel das eine Mal, als ich angerufen wurde, aber keine Lust hatte, ranzugehen, und später sagte, ich hätte den Anruf nicht mitbekommen. Die Lüge kam mir so leicht von den Lippen, dass ich es kaum registrierte. Genau wie bei dem Moment, als ich gefragt wurde, ob alles okay sei, und ich mit Ja antwortete, obwohl nicht alles okay war, aber ich nicht streiten wollte. Auch das war eine Lüge. Oder das eine Mal, als mir ein Freund sein neues Tattoo gezeigt habe und ich sagte, dass ich es schön fände, weil ich seine Gefühle nicht verletzen wollte.

Die Lügen haben sich so fein in meinen Wortschatz geschlichen, dass ich sie nicht einmal bemerkte. Zwar ist diese Art von Lügen vielleicht nicht allzu dramatisch, aber Fakt ist, dass jeder Mensch hin und wieder unehrlich ist.

Aber ist das wirklich schlimm?

Ist jede Lüge ein Vergehen?

Viele Lügen finden ihren Ursprung darin, Konflikte zu vermeiden. Wir lügen, weil wir gelernt haben, dass es sonst Ärger gibt. Wir lügen, um zu schützen – uns und andere. Ob dies das Lügen rechtfertigt, weiß ich nicht, aber eine kleine Flunkerei kommt für mich keine Todsünde gleich.

Es gibt nur ein Problem: Wer einmal lügt, wird es wieder tun.

Und wer immer öfter lügt, rutscht irgendwann in einen Teufelskreis.

Lügen machen süchtig.

Es ist doch so: Wenn wir bewusst lügen, halten wir die Wahrheit zurück. Kurz darauf klopft das schlechte Gewissen an die Tür und hält uns vor, was wir getan haben. In dem Fall versuchen wir das Gefühl entweder wegzuschieben (verdrängen) oder im Stillen vom schlechten Gewissen erdrückt werden. Die Wahrheit klarstellen, tun wir selten, weil wir damit zugeben, das Vertrauen einer anderen Person missbraucht zu haben. Und meistens ist es dann sogar noch schlimmer, als wenn man schon am Anfang die Wahrheit gesagt hat.

Aber je öfter wir über die Schwelle des Gewissens treten, desto mehr dehnen wir sie aus. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, früher oder später gewöhnt er sich an alles, auch ans Lügen.

Ein Kollege erzählte mir einmal, dass eins seiner Probleme ist, dass er viel zu viel lügt, und nicht weiß, wie er da rauskommen soll. Inzwischen passiere es ganz intuitiv, dass er in bestimmten Momenten lüge, selbst, wenn die Wahrheit überhaupt nicht schlimm wäre. Manchmal lüge er so gut, dass er nicht mehr weiß, was die Wahrheit ist und was nicht. Erinnerungen verschwimmen und das Lügen wird zu seiner neuen Lebensrealität.

Aber warum lüge er überhaupt?, fragte ich.

Weil man so im Leben weiterkomme, so er. Den Lebenslauf aufhübschen, sich bei anderen beliebter machen, den eigenen Träumen nachgehen und akzeptiert werden. Diese Lügen tun keinem weh, aber sie bringen einen weiter. Bis sie schließlich platzen. Denn wenn das Vertrauen einen Riss hat, ist es schwer, es zurückzuerlangen.

Dass mich mein Kollege in seine Karten schauen ließ, ließ mich unbewusst wachsam werden. Als er mir neulich ganz spontan absagte, weil er sich krank fühle, dachte ich sofort: wirklich? Ist es wirklich das oder hast du einfach keine Lust? Ich misstraute seinen Worten, obwohl ich das gar nicht wollte.

Menschen, die Lügen, übertragen ihre Lebensrealität auf andere

Ich erinnere mich an ein Treffen, an dem besagter Kollege und ich etwas essen waren und er sich so sicher war, dass ich mein Essen nicht möge. Dabei aß ich nur langsam, wollte mir Zeit lassen und seinen Geschichten lauschen. Und obwohl ich klarstellte, dass ich das Essen wirklich möge, glaubte er mir nicht. Das war unglaublich anstrengend, weil ich mich die ganze Zeit rechtfertigen musste und am Ende verpflichtet fühlte, aufzuessen, obwohl ich nicht mehr konnte.

Nach dem Treffen fragte ich mich, warum er so skeptisch war, und ob er seine Lebensweise vielleicht auf mich übertragen hatte? Kann Lügen zu einem Charakterzug werden? Und wie gefährlich ist das?

Das Geflecht aus Lügen

Eine Lüge folgt auf die nächste… und nächste… und nächste. Irgendwann wird sie so groß, dass sie sich über Jahre hinzieht und man sich nicht mehr traut, die Wahrheit zu sagen. Das schlechte Gewissen mag mit der Zeit nachlassen, aber das Aufrechterhalten des Lügengerüsts ist irgendwann noch anstrengender, als die Wahrheit zu sagen. Dann knallt es vielleicht am Anfang kurz, aber irgendwann kehrt wieder Ruhe ein.

Aber es gibt eine gute Nachricht:

Ehrlichkeit macht auch süchtig!

Wer die Perspektive wechselt und die Ehrlichkeit zur neuen Lebensrealität macht, wird merken, dass man ebenfalls in einen Sog fällt. Meine Schwester ist das perfekte Beispiel. Einst Flunker-Queen, ist sie nun so radikal ehrlich, dass es beinahe einschüchternd ist. Sie ist nicht taktlos, aber bleibt bei der Wahrheit, und ja, was sie zu meinem liebsten Menschen macht. Denn bei ihr bekomme ich immer die volle Portion Aufrichtigkeit, auch, wenn es manchmal wehtut. Seitdem streiten wir auch viel weniger, da es keine mehr Lügen gibt, die rauskommen könnten.

Und da die Wahrheit bei ehrlichen Menschen derart im Fokus steht, ist das schlechte Gewissen bei einer Lüge so viel größer, dass es kaum auszuhalten ist. Lügen haben eine sehr niedrige Toleranz, daher bleiben sie lieber bei der Ehrlichkeit.

Fazit: Lügen muss nicht sein

Jeder Mensch lügt und nicht jede Lüge ist ein Vergehen. Aber Unehrlichkeit kann zu Misstrauen führen und die sozialen Beziehungen negativ beeinflussen. Wer lügen will, um weiterzukommen, kann das tun, aber wenn die Wahrheit irgendwann doch ans Licht kommt, ist eine Explosion nicht aufzuhalten. Daher: Lügen muss nicht sein!

Was ist eure Meinung dazu?

Hier ein Beitrag, wie meine Mutter uns die radikale Ehrlichkeit anerzog:

Wie meine Mutter mich die radikale Ehrlichkeit gelehrt hat

Liebe Grüße
Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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