Wie gehst du mit Enttäuschungen wegen Unaufrichtigkeit um? – Frage aus der Community, Antworten aus der Redaktion


Im neuen Jahr wollen wir mehr auf euch eingehen – und deswegen suchen wir eure Fragen und Themen, und antworten darauf. Heute widme ich mich der Frage von Jenny Victoria:

„Wie gehst du mit Enttäuschungen um? Besonders wenn du feststellst, dass dein Kind unehrlich/ unaufrichtig war/ist. Mich interessiert das in Bezug auf meine Teenie-Tochter (gleich 14). Bei meinen kleineren/jüngeren Kindern kann ich gut damit umgehen.“

Meine Antwort:

Ich kann gut verstehen, warum es besonders enttäuschend ist, wenn wir feststellen, dass unsere Teenager uns angelogen haben. Bei Jüngeren ist das leichter – wir können es vielleicht auf die „magische Phase“ zurückführen. In unseren Teenager sehen wir aber einen geliebten Menschen auf der Schwelle zum Erwachsensein. Seine Unaufrichtigkeit tut mehrfach weh: Wir fragen uns, ob wir langfristig was falsch gemacht haben – und ob das bleibt. Die Sache mit den Zukunftssorgen geht los. Wir stellen unser Vertrauen in das Kind in Frage. Wir stellen seine Zukunft und das Vertrauen anderer Menschen in ihn in Frage. Wir sind Ent-täuscht. Die Täuschung war, dass wir sicher waren, dass unser Kind nicht lügt. Wir haben es doch ja selbst erzogen!

Und wenn wir dann dieser Enttäuschung Ausdruck verleihen, kappen Teenager nicht selten die Kommunikation: „Au Mann Mama, lass mich in Ruhe mit deiner überzogenen Moral!“. Wumms. Türknallen. Abgang. Hinter verschlossen Tür laut eine Musik, die wir nicht kennen und die uns suspekt ist. Gegebenenfalls dringen harte F-Worte im wummernden Rhythmus zu uns durch. Und das macht uns unglücklich. Noch enttäuschter.

Was tun? Was kann ich weitergeben?

Ich habe keine konkrete Situation mit meiner Tochter wegen Unaufrichtigkeit in Erinnerung, daher gebe ich an euch weiter, was mein Muster ist, was auch für Erwachsene – also Partner, Freunde, Mitarbeiter – für mich funktioniert:

1. Ich lasse den Abbruch der Kommunikation nicht zu

Keine einfache Sache und manchmal nicht im gleichen Augenblick zu klären, aber meine Devise ist: Nicht kommunizieren ist keine Option. Ich habe schon Sicherungen ausgedreht (dann war kein Saft mehr für die Musik) und habe schon  Zettel unter die Tür geschoben mit „Lass uns bitte reden!“

2. Ich versuche den Grund für die Unaufrichtigkeit herauszufinden und nachzuvollziehen

Es hilft mir, ruhig und gewaltfrei zu bleiben, und auf Vorwürfe und Vorhaltungen zu verzichten. Ich nutze bewußt die „Ich-Botschaften“, die mindfulsun beschrieben hat. Und vor allem versuche ich durch ernstgemeinte, aber nicht inquisitorische Fragen herauszufinden, warum sich die andere Person für die Unaufrichtigkeit entschieden hat. Meistens finde ich heraus, dass die andere Person felsenfest der Meinung ist, dass ich die Wahrheit nicht vertrage. Dies zu besprechen und auch mir selbst einzugestehen, ist für mich nicht immer einfach. Aber es geht. Und ab hier können wir in Verhandlung treten:

3. Kompromisse finden – Aufrichtigkeit aber als Wert festhalten

Ich habe euch in diesem Blog schon mal von der Methode „Überzeug mich!“ berichtet. Für alles Mögliche zeige ich mich verhandlungsbereit. Meistens ist dieses Teil des Gesprächs öfter eher harmonisch – und ich versuche es freundlich zu gestalten: Am Tisch, mit einem Getränk. In einer zugewandten Körperhaltung. Und ja, auch hier drücke ich Liebe und Wertschätzung aus.

Dabei versuche ich, Aufrichtigkeit als Wert für uns beide festzuhalten. Übrigens, zu diesem Thema sollten wir uns auch selbst hinterfragen: Wie oft bemerken Kinder, dass wir vielleicht auch mal eine „weiße Lüge“ oder eine „Notlüge“ gegenüber anderen nutzen? Wie oft haben wir sie selbst auch mal angeschwindelt – sogar jenseits von Weihnachtsmanns und Osterhase?

4. Raum für Entwicklung lassen, kein „Lügner“ Stempel drauf drücken

Nennt mich bitte unverbesserliche Optimistin, aber ich glaube auch nach einer Enttäuschung, dass Vertrauen eine bessere Währung ist als Mißtrauen. Und deswegen entscheide ich mich bewußt zu vertrauen. Mit Ansage. Und hoffe, dass dies das Beste in dem Anderen hervorbringt.

Hier allerdings ein ernstes Wort: Lügen, die übermäßigen Alkohol- und  Drogenkonsum oder illegale Aktivitäten vertuschen, können ein Indikator für ein zugrunde liegendes sehr schwerwiegendes Problem sein. Wer glaubt, dass sein Teenager aus diesen Gründen lügt – oder wenn das Teenager wiederholt Unwahrheiten erfindet oder Tatsachen ohne offensichtliche Schuld und Reue verschönert – dann ist es an der Zeit, professionelle Hilfe in Form eines anerkannten Psychiaters oder Therapeuten in Betracht zu ziehen.

Habt ihr auch andere Methoden, mit solchen Enttäuschungen wegen Unaufrichtigkeit bei euren Kindern umzugehen?

Liebe Grüße,

Béa

P.S: Habt ihr auch andere Fragen, die wir beantworten sollten?

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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