Perspektivwechsel – raus aus dem Gedankenkarousell


Wir sind alle erschöpft. Dieser Virus mit seinem Treiben und seinen Mutationen nimmt uns jedwede Energie.

…schreibt meine Co-Autorin Steph Jansen, mit der ich gerade intensiv am Nachfolgebuch von „Gemeinsam schlau statt einsam büffeln“ arbeite… und wir wollen beide an einigen unserer Gedanken jetzt schon hier im Blog teilhaben lassen.

Steph erzählt:

Letzthin in einer Zoom-Elternsprechstunde meiner 10. Klasse, die ich regelmäßig einmal im Monat anbiete, war meine Ausgangsfrage:

Wie geht es Ihnen?

Ganz bewusst auf die Eltern bezogen, denn viele kümmern sich zur Zeit hauptsächlich darum wie es ihren Kindern geht und wie sie mit den Problemen und Herausforderungen des digitalen Lernens umgehen. Und während ich die vielen Geschichten hörte und von den unterschiedlichen Situationen, die von „Ganz schrecklich“ bis zu „Ist OK, solange die Kinder was zu tun haben.“ reichen, wurde deutlich, dass uns allen eine Sache gerade fehlt:

Eine Perspektive.

Der Schlingerkurs der Politik ist dabei überhaupt nicht hilfreich. Und, dass selbst nach allgemeinen Verabredungen insbesondere die Bildungsministerien der einzelnen Länder ständig von Hü zu Hott wechseln noch viel weniger.

Ja sie gehen wieder in die Schule.

Nein, sie gehen noch nicht wieder in die Schule.

Sie gehen nur in die Schule, wenn der Mond im grünen Haus einen Whisky on the rocks mit Strohhalm trinkt.

Oder so ähnlich.

Was also tun?

Wie sollen wir eine Perspektive schaffen, wenn irgendwie unklar ist, wie die Zukunft eigentlich aussehen wird?

Privat genauso wie gesellschaftlich, ja global. Heute morgen als Béa und ich über das Buch sprachen und viele andere Dinge, die uns so umtreiben, ging es auch um das Thema wie man mit Menschen kommuniziert, die ein Problem haben, trauern oder in einer anderen schwierigen Lebenssituation sind.

Wir waren uns beide einig, obwohl wir beide zu der Spezies „Optimist“ zählen, dass ein pauschalisierendes „Alles wird gut!“ nicht hilfreich ist.

Denn vielleicht wird eben nicht alles gut, wenn die Eltern während des Lockdowns ihren Job verlieren oder sich trennen. Wenn ein Kind es nicht schafft den Anschluss in der Schule zu halten und sei es nur, weil der Internetanschluss Zuhause nicht funktioniert.

Wir waren uns auch einig, dass unsere eigenen positiven Lebensbeispiele eine Krise zu meistern nicht hilfreich sein kann, denn das kann unser Gegenüber nur noch mehr unter Druck setzen. Und trotzdem lernen wir aus dem Vorbild! In Büchern meist fiktiv und ein bisschen versteckt dargestellt, wie z.B. bei Rico und Oscar, oder ganz zauberhaft Harry Potter und auch Pippi Langstrumpf kann uns so manches beibringen. Was aber mit der Lebenserfahrung anderer Menschen, die noch leben, aber einer fernen Zeit angehören, die bei viele jungen Menschen und Kindern Unglauben hervorrufen. Ein Leben ohne Streaming Dienste und Smartphones?

Vor einigen Jahren habe ich an einer Schule ein Biografieprojekt gemacht. Die Schüler und Schülerinnen sollten die Biografie eines Menschen, der älter als 60 war und noch keine Biografie veröffentlicht hatte recherchieren und aufschreiben. Viele von ihnen wählten jemand aus ihrer Verwandtschaft. Großeltern und sogar Urgroßeltern kamen darin vor. Und oft erzählten sie Geschichten aus ihrer Jugend und ihrem Leben, die selbst die Eltern der Lernenden nicht kannten. Wenn sie ihre Überraschung darüber äußerten, dann kam oft als Antwort: „Du hast ja nie gefragt!“

Alle der Biografien, die ich damals las, haben mich tief berührt, aber eine Biografie war besonders, denn die Schülerin schloss mit dem Satz, dass gerade als sie die Geschichte ihrer Ur-Großmutter fertig abgetippt hatte, der Anruf kam, dass diese soeben verstorben war. Ihre Mutter kam später zu mir und bedankte sich, denn ohne das Projekt wären viele Geschichten dieses Lebens nie erzählt worden.

Was allen Biografien gemein war, war die Tatsache, dass sie vieles in Perspektive gerückt haben, das die Jugendlichen in diesem Alter als schwierig und manchmal fast nicht überwindbar angesehen haben.

Aber Vorsicht, es geht dabei nicht (nur) um Kriegsgeschichten oder „Was wir alles aushalten mussten, als wir in eurem Alter waren, da haben wir auch nicht so gejammert.“ Erzählungen, auch wenn der Krieg häufig ein Motiv war, was sich einfach aus dem Zeitpunkt und dem Alter der Menschen ergab. Es ging um die persönliche Begegnung und das Sammeln von lebendigen Geschichten das Zuhören auf Seiten des Fragenden. Um das Gehört werden auf der Seite des Gefragten, das beiden hilft aus ihrem Gedankenkarussell herauszukommen und wertvolle Zeit miteinander zu verbringen.

Wenn nicht jetzt wann dann… wäre die Zeit für gestresste Pubertiere nicht die immer selben Geschichten von Oma oder Opa zu hören, sondern einmal die Frage zu stellen: “Du, wie war das eigentlich damals, als du dich das erste Mal verliebt hast?“

Wie findet ihr den Ansatz? Habt ihr euch auch schon mal mit solchen Biografien auseinandergesetzt? Was hat euch bislang besonders berührt?

Und noch ein Nachtrag von mir, Béa:

Ist das nur ein Thema für ältere Kinder? Mitnichten….

Hier sind einige Fragen für Perspektivwechsel, die selbst die Kleinsten an Familienmitglieder mit Lebenserfahrungen stellen können:

Was dein Lieblingskuscheltier?

Wie habt ihr früher Weihnachten gefeiert?

Wie war deine Einschulung?

Welche Spiele habt ihr draußen gespielt?

Wie habt ihr Ferien gemacht?

Was war dein Lieblingskinderbuch?

Wie hast du dich mit deinen Geschwistern vertragen?

Wovor hattest du Angst als Kind?

Was hast du als Kind am liebsten gegessen oder getrunken?

Fällt euch noch was ein?

Liebe Grüße,

Steph und Béa

 

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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