Wenn der Hunger seelisch ist … und der Neid auch – Futterneid in der Essstörung


Futterneid – ein lustiger Begriff, der in Bezug auf Essstörungen allerdings sämtlichen Humor verliert. In diesem Beitrag möchte ich euch das Phänomen vorstellen – vor allem in Bezug auf Essstörungen.

Futter-Neid

Eigentlich ist der Begriff ziemlich selbsterklärend: Futter + Neid = Neidisch auf Futter.
Bzw. auf denjenigen, der das Futter hat.

Zum Beispiel kommt Futterneid vielleicht dann auf, wenn andere etwas Leckeres sehen, das wir auch gerne essen würden. Wenn wir uns durch Pinterest scrollen zum Beispiel oder ein ansprechendes Bild auf Instagram entdecken. Oder wenn unser Gegenüber etwas super Leckeres bestellt hat – und wir selbst nicht. Erst ist es vielleicht nur Appetit. Dann kommt (natürlich nicht bei allen, sondern bei einigen – ohne Menschen über… eine Gabel scheren geht eh nicht!) des Gefühl des „Neides“ auf, nicht unbedingt in einer krassen Form der Missgunst, wohl aber als kleiner Eifersuchtsstich. Manchmal äußert sich das auch in einer Form des nicht Teilens ab.Wir wollen unser Essen nur für uns, auch, wenn wir uns für diesen Gedanken schämen.

Woher das kommt? Vermutlich ist das in uns Menschen einfach drin. Wenn andere essen, bekommen wir instinktiv das Bedürfnis auch zu essen – selbst, wenn wir keinen Hunger haben.

Soweit das Phänomen. Wir empfinden Neid für Essen. Wie gesagt: nicht alle.
Vor allem Menschen mit Essstörungen kennen das Gefühl besonders gut – zu gut vielleicht.

Futterneid in der Essstörung

Während der Hochphase meiner Essstörung drehte sich mein ganzes Leben nur um das Thema Essen, und das, obwohl ich selbst so wenig aß. Irgendwann kam schließlich der Futterneid in mir auf. Wenn ich aß und es mir nicht so schmeckte, sank meine Laune ins Bodenlose. Wenn mein Gegenüber etwas viel Besseres bestellt hatte, wurde ich regelrecht wütend. Und wenn meine Schwester es wagte, meinen Joghurt aus dem Kühlschrank zu nehmen, explodierte ich.
Krass, oder?
So wichtig war Essen für mich.
Meine Religion, meine Ideologie.

Heißhungerattacken und Essanfälle

Durch den Futterneid war ich auch besonders anfällig für Heißhungerattacken und Essanfälle. Es brauchte nicht viel, um in den Teufelskreis zu fallen. Manchmal war ich einfach nur schnell mit dem Essen fertig, ohne es groß genossen zu haben, und bekam großen Futterneid. Ich wollte mehr – mehr positive Gefühle, die das Essen in mir auslöste und es so künstlich verlängern. Bis es in starke Essanfälle ausartete und ich komplett die Kontrolle verlor…

Essstörungen haben nichts mit Essen zu tun

Ihr erkennt es vielleicht selbst – natürlich ging es mir nicht ums Essen, denn eigentlich haben Essstörungen nichts mit Essen zu tun. Das Essen selbst ist bloß die „Droge“ die konsumiert, um das zu kompensieren, was der Seele fehlt. Ein gesundes Ventil, der Wunsch nach Kontrolle, der Wunsch nach Betäubung etc. Deshalb war das Essen auch so „wichtig“ für mich. Weil ich seiner Bedeutung mehr beimaß als sein eigentlichen Nutzen: Den Hunger zu stillen.

Warum erzähle ich euch das? Weil ich euch den Leidensdruck von Menschen mit Essstörungen näherbringen will. Weil ich hoffe, dass ihr sie so besser verstehen könnt. Und weil ich mir wünsche, besonders nachsichtig mit ihnen zu sein.

Geduld bei Menschen mit Essstörungen

Ich weiß, dass es einem sehr viel Kraft und Energie raubt, einen Menschen mit Essstörung im Haushalt zu haben. Besonders hart ist es, wenn sich die Konflikte um etwas Banales wie Futterneid drehen. Aber glaubt mir – der kranken Person geht es auch nicht viel besser. Im Gegenteil.

Ich würde mir wünschen, beim Thema Futterneid und Essstörung besonders nachsichtig zu sein. Rastet die Person eurer Meinung nach „grundlos“ aus? Okay. Macht sie eine Szene, weil jemand ihr das Essen genommen hat? Auch okay. Es ist nicht cool, aber auch nicht durch Streit und Druck änderbar.

Viel einfacher ist es, wenn die Person weiß, dass sie, trotz aller absurden Ängste, die sie plagen, trotzdem verstanden wird. Auf diese Weise gelingt es ihr vielleicht auch, besser mit euch zu reden. Natürlich seid ihr auch nur Menschen und irgendwann reißt bei jede:m der Faden. Aber dann heißt es: tief durchatmen und wieder von vorn anfangen.

Den seelischen Hunger stillen

Futterneid ist etwas, das wir alle kennen. Es ist lustig, und für manche auch besonders leiderfüllt. Für diejenigen, die oft aus emotionalen Gründen essen (und in einen Futterneid fallen) kann ich sagen, dass kein Trick der Welt euch aus dem Dilemma befreien wird. Wenn Essen etwas Emotionales für uns ist – so emotional, dass es in Essanfälle ausartet oder wir uns dem Essen komplett verschließen – dann muss erst der seelische Hunger ergründet und gestillt werden. Ihr müsst da nicht allein durch – geht zu einer Therapie, einem Coaching oder einer Selbsthilfegruppe. Nehmt die Hilfe an, die euch geboten wird. Aber ignoriert es auf keinen Fall.

Jetzt wisst ihr, was Futterneid ist und wie hart er vor allem für Menschen mit Essstörungen ist. Falls ihr irgendwelche Fragen dazu habt, immer her damit!

Liebe Grüße
Mounia

PS.: Übrigens – falls ihr mehr über das Thema Essstörung (Binge Eating) im Jugendalter erfahren wollt, könnt ihr euch gern mal bei diesem Beitrag vorbeischauen. Dort habe ich einen Textauszug aus meinem Buch „Zwischen meinen Worten“ mit euch geteilt!

Was ist Binge Eating? Textauszug aus meinem Buch „Zwischen meinen Worten“

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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1 Kommentare

Angehörige
Antworten 16. Mai 2022

Schwierig, da geduldig zu bleiben. Meine Angehörige war extrem futterneidisch. Sobald ich in die Küche ging, war sie in heller Aufregung und fragte, was ich esse. Und ich solle ihr etwas da lassen.... klaute Lebensmittel und Süssigkeiten von den Eltern, gab es nicht zu, und wir bekamen beide Ärger. Liess den Kellner die Portionsgrösse mit den Händen zeigen, um sicher zu gehen, dass sie auch satt wurde...
Ich selbst wurde auch futterneidisch, was sich in der Form äußerte, dass ich essen "musste", auch wenn ich keinen Hunger hatte. Weil sonst nichts mehr da gewesen wäre.

Ich verstehe deinen Wunsch, dass die Fsmilie ruhig bleibt, ich blieb auch um des lieben Friedens Willen ruhig, wenn sie mir das Essen rationieren wollte, um selbst genug zu bekommen, aber wäre auf meine Tochter gewesen, ich hätte es ihr schlicht verboten, den Futterneid so auszuleben....

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