Wenn es um körperliche Beschwerden geht: Ist die Schwarmintelligenz gut oder kontraproduktiv?
Wir sind gesund, wir sind krank, wir tauschen uns darüber aus. Manchmal hilft das Reden, manchmal schürt es nur Ängste zu. Deshalb meine Frage:
Ist die Schwarmintelligenz bei körperlichen Beschwerden gut oder nicht?
Vorab: Es fällt mir extrem schwer, die richtigen Worte für dieses Phänomen zu finden. Tatsächlich weiß ich auch nicht, ob ich die einzige bin, der es auch so geht, aber dieses Thema beschäftigt mich so oft im Alltag, dass ich es nun gerne aufzeigen möchte.
So, und nun zum Phänomen!
Sicher kennen wir es alle:
Wir äußern unsere körperlichen Beschwerden und jemand sagt: Das ist bestimmt das und das. Normal, oder? Oft wenden wir uns zuerst an unsere Liebsten, holen uns ihr Feedback ein, und gehen erst dann zu Ärzt*innen. Ich finde diese Art von Schwarmintelligenz sehr wertvoll, weil sie mich schon oft auf neue Denkanstöße a la „Du solltest mal das und das untersuchen“ gebracht hat.
Doch das Phänomen hat auch seine Schattenseiten. Denn manchmal arten solche Gespräche aus. Oder nicht manchmal – sondern oft. Seit ich bewusst darauf achte, ist mir aufgefallen, dass nahezu jede:r etwas zu sagen hat, und nicht selten die Ängste schürt.
Panikmache
Kürzlich war das bei meinen Rückenschmerzen so. Ich hatte mir in der Nacht einen Nerv eingeklemmt. Das passiert mir alle paar Monate und inzwischen weiß ich auch gut damit umzugehen. Mein Umfeld jedoch war außer Rand und Band. Bei „Du musst unbedingt zu Orthopäd:innen“ war ich noch dabei, aber „Das ist bestimmt irgendwas mit der Wirbelsäule. Nicht, dass es was Schlimmes ist und du dann querschnittsgelähmt bist“ musste ich dann doch zusammenzucken. Und von diesen „Es könnte etwas ganz ganz Schlimmes sein“-Kommentaren gab es sehr viele. Dabei wollte ich gar keinen kostenlosen Ratschlag, sondern mich lediglich mitteilen.
Ich hoffe, ihr wisst, was ich meine? Natürlich weiß ich, dass es überhaupt nicht böse gemeint war, aber die Schwarmintelligenz wird kontraproduktiv, wenn man bei einer „Kleinigkeit“ Angst und Panik kriegt.
Selbsternannte Ärzt:innen
Die andere Sache – und ich hoffe, ihr geht gleich nicht mit den Mistgabeln auf mich los – ist, wenn mir bei körperlichen Beschwerden Tipps von nicht-Mediziner:innen aufgedrängt werden. Das hatte ich zum Beispiel einmal mit meiner Ablehnung gegen Allergietabletten wegen meiner Heuschnupfenallergie. Ich habe während meines Lebens zwar einige ausprobiert, doch sie haben nur mäßig funktioniert, und so habe ich es sein gelassen.
„Aber du musst sie trotzdem unbedingt nehmen!!! Wenn nicht, könnte es chronisch werden und auf die Lunge gehen. Dann landest du im Krankenhaus, nur, weil du dich nicht darum gekümmert hast!“
Und das geht mir ehrlich gesagt zu weit. Wenn ich das Gespräch zufällig mit einer Allergologin führe, ist das was anderes, als wenn ich mit einer anderen Person rede, deren Cousin dritten Grades auch Heuschnupfen hat. Ich habe das Phänomen „Selbsternannte Ärzt:innen getauft“, ein zugegeben provokanter Begriff, aber ein anderer ist mir nicht eingefallen.
Misstrauen in das eigene Körperempfinden?
Das große Problem, das ich darin sehe, ist, dass einem das eigene Körperempfinden abgesprochen wird. Ich glaube nämlich, dass man selbst oft am besten weiß, was einem guttut und was nicht. Bei den einen hilft eine Wärmeflasche gegen Menstruationsschmerzen, bei den anderen reicht sie nicht. Jeder Körper ist anders und individuell. Symptome, Behandlungsverlauf und Genesungsprozess lassen sich nicht pauschalisieren.
Dasselbe Problem bei psychischen Erkrankungen…
Bei vielen Krankheiten dauert es sehr lange, um eine richtige Diagnose zu erstellen. Ein: Das ist bestimmt das Borderline Syndrom, Autismus etc… kann einen auf Dauer ermüden, da es manchmal eben nicht so leicht ist, sich jene Diagnosen und dazugehörige Ratschläge aus dem Hintern zu ziehen.
„Darf man denn jetzt keine Tipps mehr geben?!“
Falls euch diese Frage jetzt auf der Zunge liegt, dann lautet die Antwort natürlich doch! Versteht mich bitte nicht falsch! Ich liebe und schätze die Schwarmintelligenz, wie ich es bereits am Anfang gesagt habe, und auch ich erwische mich hin und wieder dabei, wie ich mein Gegenüber „Hast du schon das und das versucht?“ frage.
Vielmehr geht es mir um das Aufdrängen von ungebetenen Tipps, die einem im schlimmsten Fall nur Angst machen. Ein „Du musst das unbedingt so und so machen!“ „Du darfst aber keine Antibiotika nehmen, weißt du denn nicht, wie ungesund die sind?“ „Bei mir musste es am Ende sogar operiert werden!“
Das ist wie das Äquivalent vom Googlen nach Symptomen. Am Ende glaubt man, dass der Kratzer auf der Stirn ein seltener Tumor ist.
Zuhören, weil: Schweigen ist Gold
In der Regel teilen sich die meisten Menschen nur mit, um ihren Kummer loszuwerden. Die wenigsten erwarten einen ärztlichen Rat von ihren Freund:innen, deshalb reicht es manchmal auch völlig zu sagen, dass man hofft, dass es ihr:ihm bald besser geht!
Was mindfulsun immer sagt: Reden aus der Ich-Perspektive
Wenn man bei sich bleibt, macht man selten was falsch. Wenn ihr glaubt, dass es hilft, könnt ihr euch natürlich gerne mitteilen, aber darauf aufmerksam machen, dass ihr gerade lediglich aus eurer persönlicher Sicht sprecht und niemandem vorschreiben wollt, was zu tun ist. Vielleicht finden sich manche in eure Geschichte wieder, vielleicht auch nicht!
Der beste Rat: Geh zu Ärzt:innen!
Den Rat, mit dem ich am ehesten etwas anfangen kann, ist der, das Problem von Expert:innen untersuchen zu lassen.
Lieber einmal öfter hingehen als zu wenig. Lieber sicher gehen, als sich nur auf den Rat der Freundin berufen. So empfinde ich zumindest.
Das war jetzt sehr viel auf einmal. Ich hoffe, ich konnte erklären, was ich meine.
Aaaber: Natürlich ist meine Meinung nicht allgemeingültig….
Ich freue mich über eure Meinung! Stimmt ihr mir zu? Habe ich etwas Essenzielles übersehen? Seht ihr das vielleicht völlig anders?
Liebe Grüße
Mounia