Ich-Botschaften: Warum sind sie auch mit unseren Kindern wichtig?


Unsere Achtsamkeitskolumnistin mindfulsun versucht Ich-Botschaften in ihr Leben zu integrieren, auch in der Kommunikation mit ihren Jungs. Hier ihre Erfahrung:

Warum sind Ich Botschaften wichtig?

Ich-Botschaften sind für mich ein wichtiger Teil meiner Selbstfürsorge! Mit Ich-Botschaften kann ich meine eigenen Gefühle, meine eigene Meinung, meine Bedürfnisse und Grenzen klar und respektvoll kommunizieren. Anstatt andere Menschen zu kritisieren und zu beschuldigen. Gleichzeitig kann ich damit Konflikte und Missverständnisse minimieren.
Gleich vorab, ich trainiere das noch jeden Tag. Es gelingt mir nicht jedes Mal. Es bemerken ist für mich auch wichtig und gehört zum Training dazu.

„Früher“, vor der Achtsamkeit, wenn ich enttäuscht oder verärgert war, dann wollte ich das natürlich auch ausdrücken. Bin dann nach vorne geprescht und meistens enthielten meine verzweifelten Versuche mich irgendwie verständlich zu machen ein: Du!

Du verstehst mich nicht.
Du hast nicht aufgeräumt.
Ich bin verärgert, weil du…
Du machst mich noch wahnsinnig.
Mit dir kann man nicht reden.
Denk doch mal mit.
Wieso hast du schon wieder vergessen den Müll runter zubringen?

Diese Liste könnte ich endlos fortsetzen. Alleine wenn ich die Sätze jetzt aufschreibe und sie lese, fühle ich mich unwohl.

Ich habe in diesen Momenten oft nur mich gesehen, meine eigenen Bedürfnisse. Und ich habe mich im Recht gefühlt.

Einer dieser Sätze reichte oftmals in schwierigen Situationen schon aus und ab ging die Post. Denn menschlich: Wer so etwas hört, geht in eine Verteidigungshaltung oder rechtfertigt sich. Es fühlt sich oftmals an, wie mit dem Rücken an der Wand stehen. Diese Art der Kommunikation möchte ich schon lange nicht mehr und werde immer achtsamer dafür. Wertschätzung, Respekt, auf mein Gegenüber eingehen, die Bedürfnisse des anderen mit einbeziehen: Ohne direkte Vorwürfe und verbale Angriffe (gefühlt!), Schuldzuweisungen (aus Hilflosigkeit!) und Verurteilungen (aus alten Prägungen heraus).

Geht das? Ja, das geht und zwar mit Ich-Botschaften.
Sie sind Offenbarungen, wie ich mich mit etwas fühle und was ich brauche.

Der Vorteil echter Ich-Botschaften? Was lösen Ich Botschaften aus?

Persönliche Eindrücke kommunizieren, ohne den anderen zu beschuldigen. So kann sich eine gute Kommunikation entwickeln und vor allem Verständnis. Mit meinen Söhnen habe ich seither erlebt, dass sich das Vertrauen zwischen uns vertieft hat.

Was hier ganz wichtig für mich ist:

Was sind doppeldeutige Botschaften – Double-Bind?

Zu Ich-Botschaften gehört für mich auch, dass Mimik, Gestik und Tonfall auch zu den gesagten Worten stimmig sind. Doppelbotschaften, versteckte Anklagen hinter schmalen Lippen und durch zuckersüßen Tonfall untermalt, haben für mich nichts in einer wertschätzenden Kommunikation zu suchen. Gerade für Kinder kann das doch sehr verwirrend sein oder sogar Schaden verursachen, es kann Ängste schüren.

Zurück zu Ich-Botschaften und wie wertvoll ich sie finde. Nehmen sie doch die Fahrt aus so manchem Konflikt oder lassen ihn überhaupt erst nicht entstehen.

Was sind die 4 Schritte einer Ich-Botschaft?

1. Was sehe ich – Beobachtung
2. Wie empfinde ich das – Das Gefühl
3. Was möchte ich – Bedürfnis
4. Die Bitte / Der Wunsch

Und jetzt zur Praxis. Ein Beispiel aus meinem Alltag mit den Jungs.
Ich Botschaften versus Du Botschaft:

„Du hast ja schon wieder dein Geschirr oben stehen lassen. Meinst du, das wandert von alleine in die Maschine?“
(An dieser Stelle – Ein: „Ich habe dir schon 1000 Mal gesagt…“ ist übrigens keine Ich-Botschaft, sondern ein Vorwurf. Und auch „wieder, stets, immer, niemals“ versuche ich in achtsamer Kommunikation zu vermeiden!)
Die typischen Reaktionen waren vorprogrammiert: Augenrollen oder aus der Küche gehen. 🙂

1. Die Beobachtung
Das Geschirr steht auf dem Geschirrspüler.

2. Mein Gefühl
Ich bin frustriert.

3. Mein Bedürfnis
Ordnung und Sauberkeit

4. Mein Wunsch / Bitte
Das Geschirr soll im Geschirrspüler sein.

Ergebnis:

„Das Geschirr ist noch nicht im Geschirrspüler. Ich fühle mich nicht wohl damit, wenn es oben steht.  (Mir ist Ordnung wichtig) Kannst du es bitte in die Spülmaschine räumen?“

Aus eigener Erfahrung: Ich nutze immer noch meine authentische Berliner Klappe mit meinen Jungs. Anfänglich, als ich die Gewaltfreie Kommunikation erlernte, klang ich doch wie ein Lehrbuch! Sonst kann sich die Kommunikation auch anfühlen, wie Stock im Popo.

Auch diese Sätze sind für mich vollkommen ok! Ich bleibe bei mir und mache niemandem einen Vorwurf:

„Wir hatten eine Abmachung, dass jeder seine Sachen selbstständig einräumt. Mir ist wichtig, dass wir Vereinbarungen einhalten.“

Weitere Beispiele:

„Hier scheint es ein Missverständnis zu geben. Vielleicht konnte ich mich nicht verständlich machen? Mir ist es wichtig, dass wir das klären. Kann ich nochmal von vorne anfangen?“

Statt: „Du verstehst mich einfach nicht!“

„Du siehst gerade auf dein Telefon. Ich bin irritiert, weil ich etwas Wichtiges mit dir besprechen möchte. Ich wünsche mir dazu deine volle Aufmerksamkeit! Kannst du das Telefon bitte weglegen, wenn wir sprechen?“

Statt: „Kannst du mal aufhören auf dein Telefon zu schauen, wenn ich mit dir rede?“

Gefolgt von: „Ist das ok für dich?“ Als ich meinen Sohn mal genauso bat, sein Telefon wegzulegen: Weil mir das am liebsten war…antwortete er: „Ich möchte es in der Hand behalten, weil ich mich damit sicherer fühle.“ Vollkommen ok! Ich brauchte seine Aufmerksamkeit. Ob das Telefon nun in seiner Hand liegt oder auf dem Tisch spielt keine Rolle. Seine Bedürfnisse zählen genauso wie meine!

Am Ende einer Ich-Botschaft beziehe ich den anderen Menschen also mit ein. Im Falle des Geschirrspüler Einräumens wäre es auch ein: „Passt dir das jetzt?“

Denn es geht für mich nicht lediglich darum, mich verständlich zu machen und Bitten zu formulieren. Sondern um eine respektvolle und verbindende Kommunikation. Dazu gehört für mich auch, dass die Bedürfnisse des anderen wichtig sind.
Kommunikation ist keine Einbahnstraße für mich. Nicht nur meine eigenen Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt. Es ist mir auch wichtig, was der andere denkt und fühlt, was seine Bedürfnisse sind.

Augenhöhe!

Daher kommen bei einigen Menschen wahrscheinlich schlechte Erfahrungen und der Eindruck, dass Ich-Botschaften egoistisch sind: Wenn sie einseitig formuliert werden und nicht gehört wird, was der andere braucht.

Es gibt unzählige Beispiele, die täglich benutzt werden. Fallen euch welche ein?

Ich schaffe das noch nicht jedes Mal. Wenn ich das merke, kann ich auch um Verzeihung bitten. Heute ist mir ein: „Bewege dich bloß nicht!“ raus gerutscht, als wir im Zimmer meines Sohnes etwas gesucht haben und er sitzend von seinem Stuhl agierte. Das ist mir sofort aufgefallen und ich habe gesagt: „Es tut mir leid. So wollte ich das nicht formulieren, ich bin müde. Ich helfe dir gerne dabei, das zu suchen. Ich fühle mich unwohl, wenn du die ganze Zeit dabei sitzt und ich hier unter deinem Bett rum krauche. Würdest du bitte aufstehen und unter dem Bett nachsehen?“ Konstruktive Problemlösung miteinander!

Das auslösende Verhalten in der Selbstreflexion zu beleuchten: Was brauche ich jetzt? Was jemand tut oder sagt, ist der Auslöser und nicht die Ursache dafür, wie ich mich fühle.

Er nahm mich in den Arm: „Danke, Mama.“

Es fühlt sich einfach besser an und nicht nur mit den Kindern. „Du-Botschaften“ sind oft der Funke für ein Feuer.

Warum habe ich früher fast ausschließlich „Du-Botschaften“ mit allen Menschen verwendet? Auch darüber habe ich nachgedacht.

„Ich-Botschaften“ erfordern auch ein wenig, dass ich mich verletzlich mache und mein Visier herunterlasse. Ich zeige, wie ich fühle und davor hatte ich Angst. Und ich habe mich oft im Recht gefühlt, wollte das auch genauso zum Ausdruck bringen. Damit stand ich mir selbst bei der Lösung von Konflikten im Weg. Das endete oft in verletzender Kritik. Weil ich es eben nicht anders gelernt hatte und so geprägt bin.

Heute versuche ich, in jede Kommunikation mit Achtsamkeit und Respekt zu gehen.

„Ich-Botschaften“ verbinden, schaffen Nähe und stärken das Vertrauen.

Das hat viel für mich verändert. Das bedeutet nicht, dass ich jetzt zu allem Ja und Amen sage und jeglichem Konflikt aus dem Weg gehe. Das genaue Gegenteil ist der Fall! Ich kann meine tatsächlichen Bedürfnisse formulieren und bei mir bleiben. Ohne dabei den Standpunkt des anderen herabzusetzen und ihn zu beurteilen. Meine Jungs haben begonnen, das für sich in die mitmenschliche Kommunikation zu übernehmen. Sie fühlen sich auch wohler damit.

Achtsam dafür zu sein, ist der erste Schritt. Es jedes Mal hinzubekommen, dauert noch.

mindfulsun

PS: „Ich finde, du bist total bescheuert!“ Ist auch keine Ich-Botschaft. 😉

PPS von Béa: Da ich mit mindfulsun befreundet bin, profitiere auch ich von ihrer persönlichen Entwicklung. Und auch ich empfinde dadurch wichtige Unterschiede in der Kommunikation. Während Du Botschaften Ärger auslösen können, da oft die enthaltende Bewertung gerade in schwierigen Situationen eine defensive Reaktion hervorruft: Ist das nachfolgende Gefühl in der wirklichen Kommunikation meiner Gefühle und Bedürfnisse ein Vorteil echter Ich-Botschaften. Ich gehe selbst auch gerade weitere Schritte und erlerne nicht nur aktives Zuhören, sondern übe mich auch im empathischen Zuhören. (die „höhere Stufe“) Aktives Zuhören hilft mir schon sehr beabsichtigte Botschaften  und die Gefühle des Senders besser wahrzunehmen. Weitere Infos über meine Lernerfahrungen teile ich natürlich dann gerne mit euch.

Das Video ist sehr ermunternd anzuschauen. Mit Kindern (gern welche, die gerade Englisch lernen):

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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11 Kommentare

Desiree
Antworten 5. November 2019

Wow.....ein wirklich toller Bericht. Herzlichen Dank dafür!!!

Anne
Antworten 15. Mai 2020

Ein toller Artikel! Hast du einen Buch-Tipp um in das Thema einzusteigen?

    Béa Beste
    Antworten 16. Mai 2020

    Meine absolute Empfehlung als Grundlage ist:
    Gewaltfreie Kommunikation - Eine Sprache des Lebens von Marshall B. Rosenberg
    Das gibt es sogar als Version mit Übungsheft, ist dann etwas kostenintensiver.
    Falls Du gut Englisch kannst, würde ich dir das Original empfehlen. Das las sich für mich lebendiger, ich habe beide gelesen:
    Nonviolent Communication - A Language of Life

    LG
    mindfulsun

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