„Wie kann man nur so dumm sein?“ – Bei meiner Schwester wurde ADHS viel zu spät diagnostiziert
Heutzutage ist es nicht ungewöhnlich, Kinder mit ADHS zu kennen. Viele von uns wissen, wie nervenaufreibend das manchmal sein kann, weshalb es inzwischen viel Aufklärung über den richtigen Umgang mit ADHS Kindern gibt.
Eine Leserin hat sich an uns gewandt und wollte ihre Geschichte über ihre Schwester mit euch teilen. Denn bei ihr wurde ADHS viel zu spät erkannt. Und das hat das Zusammenleben ziemlich schwer gemacht.
Meine Schwester hatte schon immer eine sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne.
Rational gesehen weiß ich, dass sie nichts dafür kann, aber ich wünschte, ich hätte es schon früher gewusst. Vielleicht wäre ich weniger barsch und etwas sanftmütiger zu ihr gewesen.
Einfache Gespräche konnte man nicht mit ihr führen.
Denn schon bald schweifte sie ab. Sie schaute mir zwar direkt in die Augen und nickte, doch ich wusste, sie war gerade nicht wirklich da. Sie hörte mir nicht zu und das fand ich unfair. Ich hatte immer ein offenes Ohr für sie, sie aber nicht für mich. Als Kind nahm ich das sehr persönlich und dachte, dass meine Gedanken nicht so wichtig für sie waren.
Sätze, wie: „Wie kann man nur so dumm sein?“, rutschten mir einfach so heraus.
Obwohl man ihr gerade erst etwas erklärt hatte, fragte sie nochmal nach oder sagte etwas, das überhaupt nicht zum Thema passte. Ständig musste ich sie genervt korrigieren und es ihr erneut langsam und deutlich erklären. Und ja, ich schämte mich auch ein bisschen für sie. Es war mir peinlich, dass sie etwas ganz Einfaches nicht verstanden hatte, obwohl man es ihr gerade erst erklärt hatte. Und dieser Teufelskreis fand kein Ende.
Nie hörte sie mir oder meinen Eltern richtig zu.
Sie handelte nach ihrem eigenen Empfinden und lies uns im Stich. Sie verbrachte lieber Zeit mit ihren Freunden als mit ihrer Familie. Sie hörte IHNEN zu, aber nicht uns. Vermutlich fühlte sie sich bei ihren Freunden besser aufgehoben, weil diese sie nicht so schnell verurteilten wie wir.
Im Erwachsenenalter wurde sie mit ADHS diagnostiziert.
Die ganzen Jahre über hatten wir keine Ahnung, aber jetzt, wo wir es wussten, machte alles Sinn. Ihre geringe Aufmerksamkeitsspanne, ihr impulsives Handeln, ihre ständige Unruhe. Meine Eltern hatten beide wenig Ahnung von ADHS, weil das Phänomen damals weniger besprochen wurde als jetzt. Nie wären sie auf die Idee gekommen, mit meiner Schwester zum Arzt zu gehen, denn sie war ja putzmunter und gesund….
Ich wünschte, ich hätte es schon früher gewusst.
Denn dann wäre ich niemals so streng mit ihr gewesen. Ich hätte ihre Probleme mit der Aufmerksamkeit nicht persönlich genommen, sondern verstanden. Und sie hätte sich nicht immer wie das dumme Kind gefühlt, dass nichts auf die Reihe bekam. Wir waren ungerecht zu ihr. Und jetzt lässt sich die Vergangenheit nicht mehr ändern.
Ihr hat Hilfe zugestanden, die sie nicht von uns bekommen hat.
Aus diesem Grund hat sie sich auch immer mehr von uns zurückgezogen. Heute verstehen wir uns zwar alle wieder sehr gut, aber ich finde trotzdem, dass wir ihr eine Entschuldigung schuldig sind. Sie hat zwar nie nach einer gefordert, aber sie verdient trotzdem eine.
Seid nachsichtig mit Kindern, die ADHS haben!
Sie können einen manchmal in den Wahnsinn treiben, aber sie meinen es nicht böse. Ihnen ihre Störung vorzuhalten (so wie wir das jahrelang taten), ist das Schlimmste, was man tun kann.
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So, jetzt wieder ich, Béa!
Frage an Eltern mit ADHS Kindern: Habt ihr die Geschwister im Blick? Wissen sie Bescheid, bekommen sie die Situation erklärt?
Hier sind übrigens unsere 5 Tipps für den richtigen Umgang mit ADHS Kindern:
5 Tipps aus der Community für den richtigen Umgang mit ADHS Kindern
Liebe Grüße,
Béa
- 29. Jan 2020
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