Das Schulbrot-Kitzel-Kunst-Erlebnis von Norman Eßer: Eine tägliche Liebeserklärung eines Vaters auf Brottüten


Als ich diesen Vater auf Twitter entdeckte, war ich sofort begeistert: Norman zeichnet so gut wie jeden Tag was auf den Schulbrot-Tüten seiner Söhnen. Und er zeichnet klasse! Was allerdings noch diesen tollen Papa ausmacht, lest ihr hier.

Und die Schulbrot-Kitzel-Kunst-Erlebnisse könnt ihr hier auch bewundern:

Ich heiße Norman Eßer und bin (noch) 37 Jahre alt. Geboren und größtenteils aufgewachsen bin ich in Köln. Dort arbeite ich aktuell auch in kaufmännischer Position in einem mittelständischen Handwerksunternehmen. Vor rund 5 Jahren bin ich mit meiner Frau und meinem Sohn Finn (wird im kommenden Januar 9 Jahre alt) nach Bornheim „raus“ gezogen. Im Juni 2019 kam dann unser zweiter Sohn, Felix, dazu. Wir leben hier in einer recht unspektakulären Mietwohnung zu viert und versuchen dem täglichen Chaos Herr zu werden.

Zwischen den gewöhnlichen Alltagsthemen einer vierköpfigen Familie, kranken Schwiegereltern, einem höchst stressigen und zeitintensivem Job und den anderen üblichen Gemeinheiten, die das Leben so für einen bereithalten, ist eine besondere Herausforderung den Kindern gerecht zu werden. Das klappt mal besser und mal weniger gut, auch das ist denke ich recht normal. Meine persönlichen Erfahrungen mit meinem leiblichen Vater haben dazu geführt, dass es mir enorm wichtig ist, dass sich meine Kinder von mir geliebt fühlen und wissen, dass sie mir wichtig sind… egal was auch drumherum ist.

Die Familie ist das Wichtigste.

Und so suchte ich Anfang 2021 nach einer Möglichkeit, Finn noch etwas mehr zu zeigen, wie wichtig er mir ist.

Wenn ich teils abends erst gegen 18-19 Uhr nach Hause komme, bleibt außer ein bisschen Kuscheln und Quatschen meist nur noch Zeit für das „Ins Bett Bringen“. Besonders schwer war die Situation, weil Finn große Schwierigkeiten hatte, im Schulalltag gut anzukommen. Zu den großen Problemen, die mit den Coronabeschränkungen einhergingen, kamen für Finn Auseinandersetzungen mit anderen Kindern. Alles in allem war es besonders auch für Finn eine schwierige Zeit. Dazu muss er als großer Bruder trotz aller Bemühungen meiner Frau und mir oft etwas zurückstecken. Teilen und Rücksichtnahme, Verantwortung und Aushalten des manchmal zickigen kleinen Bruders…

Da ich morgens nun noch vor meiner Frau und den Kids aufstehe, bereite ich für Finn immer das Frühstück für zu Hause und für die Schule vor. Irgendwann im Februar 2021 fing ich dann an, Finn morgens das Brot nicht nur in die Brotdose zu packen, sondern eine Brotpapiertüte zu benutzen, auf die ich mit Edding eine Kleinigkeit kritzelte. Die anfänglichen Versuche müssen hier auch wirklich als „Kritzelei“ bezeichnet werden, ehrlich gesagt. 😂

Aber es ging mir einfach darum, dass er sich freut, wenn er das Pausenbrot auspackt.

„Der Papa hat sich morgens zehn Minuten extra genommen“. Außerdem hoffte ich auf diesem Weg gleich noch das Problem mit den „übriggebliebenen, weil nie auch nur angefassten Pausenbroten“ zu umgehen. Und nicht zuletzt musste er die Brotpapiertüten nicht teilen, sie waren nur für ihn, nicht für seinen kleinen Bruder bestimmt.

Finn fand die kleinen, täglichen Überraschungen toll. Ich freute mich, mir jeden Morgen etwas Neues als Motiv auszudenken; und ich konnte ein wenig kreativ sein. Ich habe nie wirklich aktiv viel gezeichnet oder gemalt. Grundsätzlich war ich immer interessiert und habe zu Schulzeiten gerne Kunstunterricht gehabt, aber so richtig aktiv verfolgt hatte ich das Hobby nie. Dies war nun aber eine nette Gelegenheit, Finn etwas zu geben, das nur er allein hatte und nicht einfach irgendwo gekauft wurde.

Eine für mich recht typische Eigenheit ist jedoch, dass ich mich gerne mal in Sachen „verbeiße“. Wenn ich schon etwas mache, dann gerne auch richtig. Und so kam es sehr schnell, dass ich anfing, eine halbe Stunde früher aufzustehen, damit ich nicht bloß eine gekritzelte Eddingzeichnung eines Roboters hinschmieren konnte, sondern auch mal eine Bleistiftzeichnung eines Pokemons machte, die mit Fineliner nachgezeichnet wurde. Aber hey, Schlaf wird überbewertet und „der Jung freut sich doch“! 😊

Allseits bekannt kamen dann coronabedingte Schulschließungen ins Spiel, es ging in den „Teilzeitunterricht“. Das hieß nun aber auch, dass Finn „nur“ noch 2-3 Tüten die Woche brauchte. Das war eine schöne Gelegenheit, ein wenig zu „eskalieren“.

Ich setzte mich nun also abends hin, wenn Kinder und Frau im Bett waren und machte die Brotpapiertüten „bunt“.

Da ich selbst begeisterter Videospieler alter Schule bin und diese Begeisterung auch an meine Söhne weitergebe, war die Motivwahl recht einfach; Nintendocharaktere wie Mario und Luigi und Pokemon mussten herhalten. 😅 Es machte mir immer mehr Spaß abends teilweise 4 Stunden bis 2 Uhr morgens mit einfachen buntstiften Mario zum Leben zu erwecken und am folgenden Abend der begeisterten Schilderung meines Sohnes zu lauschen, wie er und seine Klassenkameraden die Brotpapiertüte bewunderten. Viele der frühen Tüten überlebten den „Einsatz an der Schulfront“ nicht, sie fielen Salami, Nutella und Co zum Opfer. Später fing Finn an, mehr Acht zu geben und brachte die Tüten wieder zurück. So konnte ich anfangen, diese zu sammeln und in ein Album zu kleben. Die Vorstellung, dass er irgendwann, vielleicht sogar mit seinen Kindern, diese anschauen und vom „Opa“ erzählt, der sich die Mühe machte, schöne kleine Bilder für das Pausenbrot zu malen, gefällt mir sehr.

Jetzt kam die Zeit von Twitter.

Hierzu muss ich kurz sagen, dass ich grundsätzlich ein sehr umgänglicher Mensch bin (wird mir privat zumindest oft gesagt 😅), ich aber zeitbedingt und durch häufige Umzüge in meinem Leben einen sehr kleinen Freundes- und Bekanntenkreis habe. Zudem mochte ich Social Media nie wirklich gerne. Ich hatte auch nie groß Gründe oder das Bedürfnis, mich online mit anderen Menschen auszutauschen.

Aus einer Laune heraus loggte ich mich jedoch am 27. April letzten Jahres in meinen 2009 erstellten und quasi nie benutzten Twitteraccount ein und verfasste den inzwischen in meinem Profil angepinnten Tweet.

Mir folgte bis auf die üblichen Chatbots keine Menschenseele und ich schrieb über meine Kritzeleien mehr aus dem Grund, dass ich für mich selbst alles dokumentiert haben wollte, als dass ich wirklich damit rechnete, dass jemand das Ganze liest… ganz zu schweigen, dass sich jemand für mein Gekritzel interessieren könnte. Dazu sei auch noch angemerkt, dass ich ein sehr, sehr selbstkritischer Mensch bin.

Ich habe sehr lange gebraucht, auch nur halbwegs zu akzeptieren, dass andere meine Zeichnungen „wirklich“ toll finden.

Auf Wegen, wie sie nur Twitter und geheime Algorithmen zu schaffen vermögen, kam es dann dazu, dass „da draußen“ echte Menschen meinen Tweet lasen… und teilten… und irgendwie mochten. Hunderte und hunderte Likes und Benachrichtigungen brachten den ganzen Tag über mein Handy zum Dauerbrummen. Ich wusste nicht wirklich, wie ich damit umgehen sollte… aber es war auch toll. Schnell kamen Menschen auf Twitter zu meinem Tweet und schrieben mir, dass ich doch gerne unter #kleineKunstklasse schauen möge und andere, kunstbegeisterte Twitterer finden könnte.

So kam es, dass ich es mir zur Gewohnheit machte, die regelmäßigen Versuche, meinem Sohn das Pausenbrot mit einer #Brotpapiertüte schmackhaft zu machen, auch tweetete. Schnell fand sich eine dreistellige Zahl Menschen, die das Ganze gar so interessant fanden, dass sie mir auf Twitter folgten.

Ich war hooked 😅

Irgendwie wurde dann im Juli die Werbeagentur von Nintendo Deutschland auf Twitter auf die Brotpapiertüten aufmerksam und kontaktierte mich. Finn und ich bekamen einen großen Karton mit einer Menge Nintendomerchandise geschickt. Wir freuten uns natürlich sehr. Einerseits über die Geschenke, aber besonders auch über die Ehrung von „offizieller Seite“ gelobt worden zu sein.

Das sollte jedoch erst der Beginn einer ziemlich verrückten Zeit werden. Ich wurde vom Bonner Generalanzeiger und dem Radiosender SWR3 kontaktiert, weil diese jeweils gerne einen Bericht über die Sache mit der #Brotpapiertüte bringen wollten.

Ich wusste gar nicht recht damit umzugehen, Finn wollte aber unbedingt seinen Freunden zeigen, dass wir in der Zeitung stehen!

Einerseits fand ich es lustig, war mir jedoch absolut sicher, dass schlussendlich doch irgendwie berichtet würde, dass „Bornheimer Vater vorgibt, für seinen Sohn tolle Bilder zu zeichnen, in Wirklichkeit jedoch nur drittklassige Schmierereien ins Internet stellt“ oder so. Keine Ahnung, wie ich das genau beschreiben soll, aber irgendwie fühlte es sich einfach sehr viel mehr Gewese an, als es das Ganze verdient hat. Aber es war einfach eine nette Chance, etwas zu erleben, was nicht jeder erlebt. Und es ist ein tolles Erinnerungsstück, die Printausgabe mit unserem Foto darauf hier zu haben.

Das sollte aber auch erst ein kleiner Vorgeschmack der bald kommenden Selbstzweifel werden 😂

Der WDR wurde durch den Bericht im GA Bonn auf uns aufmerksam und so kam es, dass in der Bonner (und Kölner) Lokalzeit über uns berichtet wurde. Als im Anschluss daran uns nun auch noch RTL und dann SAT1 kontaktierten um ebenfalls Berichte zu machen, war ich komplett überfordert! Finn hatte jedoch einen Riesen-Spaß an den Dreharbeiten und es war wirklich eine einmalige Erfahrung. Trotzdem kann ich nur ungläubig den Kopf schütteln, auch wenn ich mich freute und geehrt fühlte.

Ich kritzel‘ einfach nur bunte Bildchen auf Brotpapiertüten für meinen Sohn.😅

Aber es ist inzwischen auch einfacher geworden zu akzeptieren, dass anderen diese Sachen wirklich gefallen; schließlich durfte ich so einige Aufträge annehmen und tatsächlich war mein Gekritzel anderen Menschen „echtes Geld“ wert. Auch wieder eine ganz besondere Ehre und Freude zu wissen, dass in verschiedenen Wohnungen und Häusern Deutschlands Bilder von mir hängen. Obwohl ich mich daran wohl nie wirklich gewöhnen werde.

Das Wichtigste ist und bleibt aber mit großem Abstand die Freude meines Sohnes an den Tüten. Er zeigt jedes Mal die Brotpapiertüte in der ganzen Klasse herum und die Kinder raten mit Begeisterung das jeweilige Motiv.

Da ich besonders auch gerne Motive alter Videospiele oder alter Zeichentrickfilme oder Comics nehme, ist vorher nie ganz klar, wie viele es erkennen werden. Die LehrerInnen liegen punktmäßig jedoch weit vorne. 😋

In diesen aufregenden und teils auch verrückten anderthalb Jahren durften wir viel erleben und ich konnte viele tolle und großartige Menschen, insbesondere auf Twitter, kennenlernen. Twitter ist voller herzallerliebster und ganz unterschiedlicher Menschen, die mit offenen Armen andere aufnehmen und wunderbare Online-Gemeinschaften bilden. Schon mehr als 1.200 Menschen sind der Meinung regelmäßig mein Gekritzel dort sehen zu wollen und ich freue mich sehr Teil des Ganzen dort sein zu können. Auch wenn es zukünftig vielleicht eher auf Mastodon oder wo anders sein wird… oder doch auf Twitter. Wir werden sehen, wie sich alles so entwickelt. Da sich meine Tweets nahezu ausschließlich um #Brotpapiertüte und anders Kunstbezogenes drehen, habe ich meinen Twitterhandle inzwischen auch in Kritzel_Kunst geändert.

An der Stiftefront hat sich auch ein „bisschen“ was getan. Ich habe neben Polychromos von Faber Castell besonders gerne meine Luminance von Caran d‘ Ache im Einsatz. Beides sehr hochwertige, echte Buntstifte in Künstlerqualität.

Mich kreativ auszudrücken, ist zu einem wichtigen Ventil für mich geworden.

Und so platt die Phrase auch klingt, hier ist wirklich „der Weg das Ziel“. Ich kann nur jedem ans Herz legen, sich auf irgendeine Art und Weise kreativ zu verwirklichen, ohne Furcht vor einem nicht perfekten Ergebnis. Es tut gut.

Inzwischen hat sich alles eingespielt, Finn bekommt meistens 2-3 Brotpapiertüten pro Schulwoche. Als Motive haben wir schon viel bei Nintendo und anderen Videospielen, bei Disney und anderen (besonders gerne auch alten) Zeichentrickserien und -filmen gewildert.

Letztes Jahr habe ich für beide Kinder Adventskalendertüten gemacht.

48 Motive war schlussendlich deutlich aufwendiger, als ich zuvor abgeschätzt hatte. Da nun auch Felix morgens Brote braucht, bei ihm ist es natürlich noch der Kindergarten, habe ich angefangen auch ihm etwas zu kritzeln. Er freut sich sichtlich darüber, jetzt auch bunte Bilder vom Papa zu bekommen und es wird sichergestellt, dass mir auch ja nicht langweilig wird. 😂

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Danke lieber Norman für die ganzen Hintergründe – und ganz viele liebe Grüße an Finn und Felix!

Wer von euch fühlt sich inspiriert? Wie findet ihr die Brotpapiertüten von Norman?

Liebe Grüße,

Béa

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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