Emotional sichere Menschen


Nach meinem Artikel zur Schwarzen Rhetorik möchte ich heute mit euch noch ein Thema aus meiner Traumatherapie teilen: „Safe People“ – sichere Personen in zwischenmenschlichen Beziehungen. Klingt vielleicht etwas ungewohnt. Für mich war es auch neu.

Ich versuche mit einer Definition zu „Safe People“ = sichere Personen zu starten und dafür recherchiere ich, bevor ich schreibe.

In einem dieser Artikel stand, dass sichere Personen Menschen sind, denen wir uns emotional öffnen können und uns verletzlich zeigen, im Vertrauen darauf, dass sie uns nicht verletzen. Klingt wundervoll! Und ich gehe da nicht ganz konform mit. Verletzungen passieren im zwischenmenschlichen Bereich. Für mich bedeutet Vertrauen: Dass ich es ansprechen kann, meine Gefühle gehört werden und dass wir darüber reden können.

Ein „nicht verletzen“ gibt es für mich nicht. Das wäre für mich „naives“ Vertrauen.

Ich vertraue darauf, dass ich mit einem Menschen dann daran arbeiten kann. Dass die Kommunikation darüber offen ist.

Warum sind wir das Thema in der Therapie angegangen? Weil es wichtig ist, dass ich eben Beziehungen in meinem Leben habe, die sicher sind. Und dass auch ich einer dieser sicheren Menschen werden kann. Denn das war ich vorher auch nicht immer.

Weil Sicherheit ein Grundbedürfnis ist und ein Grundstein für seelische Gesundheit.

“Being able to feel safe with other people is probably the single most important aspect of mental health; safe connections are fundamental to meaningful and satisfying lives.” Bessel van der Kolk

Bevor ich jetzt detailliert auf „sicher“ und „unsicher“ eingehe und was da alles dazu gehört:

Menschen haben viele Facetten. Die Dinge, die ich jetzt anspreche, sind nicht schwarz oder weiß.

Niemand ist zu 100 % eine „sichere Person“.

Hier geht es um ein Spektrum und niemand von uns –  mich eingeschlossen – existiert auf einer Seite dieses Spektrums. Ich möchte auch Menschen nicht ändern und verurteile sie nicht. Zu spüren, ob jemand für mich eine sichere Person ist, liegt bei mir.

Wenn ich also über „sichere“ Menschen schreibe, meine ich Menschen, mit denen ich zwischenmenschliche Beziehungen führen kann, in denen ich mich emotional sicher fühle.

Beziehungen, wo ich authentisch sein kann, mich verletzlich zeigen kann. Beziehungen auf Augenhöhe, die auf Akzeptanz, Respekt, Mitgefühl und Empathie basieren. Beziehungen, wo meine Bedürfnisse ebenso zählen wie die des anderen Menschen.

“The basis of bonding is emotional connection and vulnerability.” – Kay Yerkovich

Hier spielt für mich auch ein wenig der Unterschied zwischen Bekannten und Freunden mit rein.

In meinem Bekanntenkreis kann es Menschen geben, die für mich eben nicht so emotional sicher sind. Das sind ganz wundervolle Menschen. Mein Bauchgefühl sagt mir hier eben dann auch, ob ich Bekanntschaften vertiefe. Manchmal passiert das auch über die Dauer der Zeit. Und dann werden aus Bekanntschaften eben Freundschaften. Das kennt ihr vielleicht. Und das hat für mich eine ganze Menge damit zu tun, wie sicher ich mich mit diesen Menschen fühle.

Die Einteilung in „sicher“ und „unsicher“ habe ich für mich erstellt: um zu schauen, was für mich wichtig ist!

Verhaltensweisen, bei denen MIR übel wird, wo sich meine Nackenhaare aufstellen, ich eine Gänsehaut bekomme, wo ich Ängste habe, mit denen ich mich nicht wohlfühle: Das habe ich für mich in unsicher kategorisiert. Und mit „unsicher“ meine ich: Hier ist es an MIR, auf mich zu achten und nicht den anderen Menschen dafür zu verurteilen. Das hat also mit mir zu tun.

Ich kann niemanden in eine für mich sichere Person umwandeln. Es ist an mir, Grenzen zu setzen.

Am Ende ist es ein Leitfaden dafür, was ich brauche, um mich mit einem anderen Menschen wohl und sicher zu fühlen.

Was sind also für mich sichere Menschen?

“This is one of the marks of a truly safe person: they are confrontable.”
Henry Cloud
„Eines der Merkmale von wirklich sicheren Person: Sie sind zugänglich.“

Den ersten Punkt habt ihr nun also in dem Zitat gelesen: Auf diese Menschen kann ich zugehen. Ich kann meine Gefühle, Bedürfnisse, Bedenken äußern. Ich kann sagen, wenn mir etwas unangenehm ist. Es ist möglich, mit diesen Menschen Konflikte offen anzusprechen und anzugehen. Für mich sichere Menschen vermeiden keine Konflikte und kehren Dinge nicht unter den Teppich, bis kein Platz mehr da ist und alles explodiert.

1. Umgang mit Wut

Ich weiß, meine Wut gehört zu mir. Ich kann jetzt eine Pause zwischen Reiz und Reaktion setzen. (meistens) Ich beschuldige und verurteile andere Menschen nicht. Ich versuche mich erst selbst zu regulieren, wenn mir der Arsch platzt. Und gehe dann mit anderen in eine Kommunikation. Genau das macht andere Menschen für mich auch zu sicheren Menschen. Besonders unsicher fühle ich mich mit Menschen, die ihre Wut verstecken und passiv-aggressiv ausdrücken.

2. Offene Kommunikation

Wie ich bereits schrieb: Wenn es zu Konflikten kommt, ist es mir wichtig, dass ich es ansprechen kann. Für mich sichere Menschen ziehen sich dann nicht raus. Klar braucht vielleicht der eine oder andere auch erst mal Zeit, etwas zu verarbeiten, um für sich Klarheit zu bekommen oder sich zu beruhigen. Ich auch! Und dann können wir in ein Gespräch gehen. Defensivhaltungen sind für mich unsicher, genau wie Schuldzuweisungen und Verurteilungen. Mit sicheren Menschen gibt es Klarheit und ein gemeinsames Suchen nach Lösungen. Niemand sieht den anderen als Feind an. Unsichere Menschen achten nur auf sich und ihre Interessen.

3.  Mitgefühl und Empathie

Für mich sichere Menschen sprechen mir meine Gefühle nicht ab. Ich kann mich verletzlich zeigen, offen mit meinen Gefühlen umgehen. Bei unsicheren Menschen habe ich oft gehört: „Du bist zu sensibel.

4. Grenzen setzen und respektieren

Sichere Menschen sind Menschen, die meine Grenzen respektieren und ihre aufzeigen. Ein „Nein“ wird respektiert. Sichere Menschen bauen keine Mauern.

5. Persönliches Wachstum

Sichere Menschen arbeiten an sich. Und das war auch einer meiner Punkte: Ich musste an mir arbeiten. Vorher konnte ich kaum reflektieren, habe andere für alles Mögliche verantwortlich gemacht. Mit dem Erlernen der Gewaltfreien Kommunikation als Reflexionsmittel bin ich jetzt in der Lage, bei mir zu bleiben, mich wirklich zu sehen.

6. Beständigkeit

Für mich ist eine gewisse Beständigkeit wichtig, um mich sicher zu fühlen. Kein dauerhaftes Auf und Ab. In jeder zwischenmenschlichen Beziehung gibt es Schwankungen. Was für mich allerdings nicht gesund ist: Achterbahn.

Mein Therapeut hat mir damals eine Zeichnung gemacht. Ich versuche die hier noch mal nachzustellen. Und vielleicht sind die „Ausschläge“ sind ganz so intensiv und häufig. Ich hoffe, ich kann mich hier verständlich machen:

Ich hatte auf Twitter eine Umfrage gemacht, was andere Menschen brauchen, um sich sicher zu fühlen. Es gibt etliche Überschneidungen mit meinen Punkten:

Authentizität, Ehrlichkeit, Grenzen bewahren, nicht zu aggressiv, schöne und schwierige Dinge teilen können, schwierige Situationen konstruktiv besprechen können, Beständigkeit, Freundlichkeit, über sich lachen können (gerne auch gemeinsam), offene Aufmerksamkeit verschenken können, Augenhöhe, nicht abwerten, Verlässlichkeit, Empathie, Berechenbarkeit.

Ich wiederhole hier an dieser Stelle: Ich musste auch an mir arbeiten und in mich schauen.

Bin ich einer dieser sicheren Menschen für andere?

Und ich war es eben nicht. Ich war konfliktscheu und hatte eine Vermeidungshaltung. Weil ich Angst hatte. Konflikte waren für mich unangenehm und ich konnte auch nicht „bei mir bleiben“. Ich habe die Schuld bei anderen gesucht, konnte nicht reflektieren. Ich hatte Angst vor unangenehmen Gefühlen. Davor, dass die zwischenmenschliche Beziehung vielleicht endet, wenn es Konflikte gibt. Hier musste ich für mich erst mal selbst einen gesunden Umgang mit Konflikten lernen. Weil ich es eben nicht in der Kindheit vermittelt bekommen habe.

Was ich auch lernen musste? Selbstreflexion und die Verantwortung für meine Gefühle zu übernehmen!

In einem Miteinander schaue ich auch darauf, was mein Verhalten in anderen Menschen auslöst.
Dazu habe ich auf meinem eigenen Blog vor einiger Zeit einen Beitrag verfasst.

„Ja, jeder Mensch ist für seine Gefühle selbst verantwortlich UND was wir sagen oder auch nicht, was wir tun oder auch nicht kann Auswirkungen auf andere Menschen haben.
Meine Verantwortung für mein Handeln trage ich und zwar in dem Bewusstsein, dass ich mit meinen Worten und Taten Menschen und ihr Leben berühre.“

In der Therapie wurde mir ein Buch empfohlen: Safe People: How to find Relationships that are good for you and avoid those that aren’t“ von Henry Cloud und John Townsend. Auf Deutsch habe ich das leider nicht gefunden. Und ich brauche es auch nicht mehr. Ich habe ja nun reflektiert, was für mich sicher ist und was nicht.

Fazit: Ich habe gelernt, mehr darauf zu achten. Und ich weiß jetzt für mich, wie wichtig es ist, dass ich mich mit Menschen sicher fühle. Und wie wichtig es für mich ist, einer dieser sicheren Menschen für andere sein zu können.

Die Erkenntnis über sichere Menschen war extrem wertvoll für mich. Selbst Grenzen zu setzen, Selbstreflexion, meine Bedürfnisse äußern zu können, waren wichtige Schritte in meiner Heilung und hin zu einer sicheren Person. Siehe Punkt: Persönliche Entwicklung!

eure
mindfulsun

mindfulsun
About me

Mensch, Mama zweier Jungs, die versucht ihre Werte zu leben und die innere Balance zu halten. Ich schreibe über Achtsamkeit, vegane Ernährung, Nachhaltigkeit und verbindende Kommunikation von Herzen. Was ich mir wünsche? Einander mit mehr Mitgefühl und Empathie zu begegnen, überall auf der Welt.

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