Wie viel Gefahr und wie viel Sicherheit darf man bei Kindern zulassen?


Als ich irgendwann mal die Onlineversion der Stern-Titelstory über Gefahr und Sicherheit postete, gab es eine Menge Kommentare. Ich wollte wissen, wie die Tollabea Fans Sicherheit vs. Gefahr für ihre eigenen Kinder das handhaben – hier ist eine Zusammenfassung:

Der allgemeine Tenor ist: Freiheit ist ein wichtiges Thema, aber selbst die größten Freiheitsliebenden haben irgendwo ihre Grenzen.

Auch wenn das Kind 5 Meter auf den Baum klettern darf ist spätestens bei giftigen Chemikalien Einhalt geboten – oder einfach alles hat unter Aufsicht zu geschehen. Aber jeder setzt seine eigene Messlatte des „Gefährlichen“. Viele sind sich jedoch einig, dass die „richtige Technik“ in Umgang mit Gefährlichem das Risiko vermindert und vor allem die Selbständigkeit der Kinder fördert. Und die „richtige Technik“ entwickeln Kinder nur, wenn sie sie auch anwenden dürfen – wiederholt. Denn, wie Gerda Wendler meinte:

„Überbehütete Kinder sind am anfälligsten… Kinder sollen u. müssen sich ausprobieren. Nur aus Fehlern kann man lernen, gilt auch schon für Kinder..“

Bei Muttis Nähkästchen durften die Krabbler zum Beispiel alleine Treppen steigen oder rutschen und tasten sich ans Feuer heran: „Ich hab meinen Kindern schon bevor sie gehen konnten gelehrt, wie sie die Treppe eigenständig überwinden können. Mit dem nötigen Respekt und der richtigen Technik (Füße voran rückwärts auf allen Vieren die Treppe runter krabbeln oder -rutschen). Dadurch wurden Treppengitter bei uns überflüssig – ich hätte davon sonst 4 Stück bei uns im Haus gebraucht! Wir hatten auch nie ein Gitter rund um den Kaminofen. Gemeinsam habe ich mit den Kindern ausgelotet, wie nah man da dran gehen kann und ab wo man schon die Hitze spüren kann. Keine Brandblase so far!“

Sonja Reuße dagegen lässt sich in der Küche helfen und überlässt ihren Kindern auch das scharfe Messer: „Wir haben bei allen drei Söhnen versucht, möglichst von Anfang an zur Selbständigkeit zu erziehen – Umgang mit „gefährlichen“ Gegenständen inklusive. Es ist lustig zu beobachten, dass der Jüngste (2) mit Eifer und Begeisterung das Obst und Gemüse „traktiert „, während der Älteste (13) anscheinend alles wieder vergessen hat und wie der erste Mensch ein Messer hält.“ – insgesamt waren sich die meisten Eltern einig, dass Helfen in der Küche und der Umgang mit Messern und Heißem Kinder fördert, auch ihr Einschätzungsvermögen in Umgang mit gefährlichen Dingen. Je früher, desto besser!

Auch Kerstin Tärre findet das eigene Einschätzungsvermögen wichtig: „Mein Sohn ist neun und darf (schon immer) fast alles, was er sich selbst zutraut. Er kann sich gut einschätzen. Es gibt Dinge, die würde ich ihn machen lassen, aber er möchte nicht, z.B. alleine Straßenbahn fahren. Und es gibt natürlich auch Dinge, die er machen würde, die ich aber nicht erlaube, z.B. alleine Schwimmen gehen.

Ich glaube, wenn man den Kindern erklärt, wo Gefahren liegen und ihnen dann zutraut, damit umzugehen, dann klappt erstaunlich viel.

Stephanie Ahrens findet auch kleine Verletzungen nicht so schlimm, auch wenn man beim Arzt „auch mal einen schiefen Blick bei den vielen blauen Flecken bekommen“ kann – wie bei Saphira Parfait: „Ja klar, manchmal halte ich die Luft an und denke drüber nach wo denn das nächste Krankenhaus ist. Genauso zu Hause. Da trug die einjährige Gläser zum Tisch, weil sie helfen wollte und durfte mit 5 den Stecker in die Steckdose stecken. Wie und wann sollen sie es denn lernen, wenn wir sie nicht lassen wenn sie Grade motiviert sind. Offene Knie oder auch ne kleine Platzwunde oder ’nen Schnitt in den Finger, können wir nicht immer verhindern. Erfolg und Misserfolg sind leerreich.“

Doch Vorsicht ist wichtig:

Kathleen Sitte findet, dass man auf keinen Fall fahrlässig sein darf, denn „Neben der Auffälligkeit, dass Kinder überall angeschnallt werden findet sich auch die Auffälligkeit, dass viel weniger Kinder (und Babys!) mit Schädel-Hirn-Trauma und Schlimmerem im Krankenhaus landen.“

So auch Dani Wolf , denn „die Welt ist eine andere und jeder Ort ist anders. Kinder sind unberechenbar und es gibt Aspekte wie Sicherheit im Straßenverkehr. Natürlich wird mein Kind angeschnallt und würde Helm tragen beim Fahrrad fahren und wir haben auch Treppenschutzgitter. Er darf auch nicht alleine kochen außer mit seiner Spielküche. Er kann alles in meinem Beisein probieren. Jedes Kind ist anders und es gibt auch unterschiedliche Erfahrungen der Eltern.“

Miriam Rombach vertritt zwar die Meinung, dass der Umgang mit „Gefährlichem“ nicht schadet, wachte aber besonders in der Kleinkindzeit mit Adleraugen über ihren Schützlingen: „Ich saß als Kleinkind schon auf dem Boden, neben meiner an der Nähmaschine arbeitenden Grossmutter und habe mit Nadeln, Schere und allem was so für mich ‚bereit lag‘ gespielt. Meine Kinder habe ich ebenso recht früh an den Umgang mit ‚Gefährlichem‘ gewöhnt. Wir haben weder Eckenschutz, Türsicherungen noch anderen Kram verwendet. Dazu gab es aber Hoheitsgebiete die nur uns Eltern vorbehalten waren. Das war die Besenkammer (mit dem Putzzeug) und das Schränkchen mit dem dicken Kreuz drauf. Das haben alle unsere Jungs wirklich schon sehr früh kapiert. Und die Jungs durften Sand essen, an Einkaufwagen lutschen und auch im Zug auf die Toilette gehen… Ich bin echt baff: Sie leben immer noch!“

Eigentlich is ist ein Zwiespalt – und es kommt auch auf die Persönlichkeit der Kinder an:

Alle Mütter haben Angst um ihre Kinder, aber Janina Maurer will nicht, dass ihre Kinder zu angstvoll sind, deswegen kämpft sie gegen die innere hysterische Mutter:  „Ich dreh mich um, wenn eines meiner Kinder 5 m auf einem Baum klettert, ich habe es als Kind selbst auch gemacht, aber dennoch bekomme ich Angst, wenn meine da rumkraxeln. Ein innerlicher Kampf entsteht zwischen hysterischer Mami, und verständnisvollem Ex-Kind, was drüber sinniert, wie toll es doch ist auf Bäume zu klettern (auch auf Garagen oder Häuser… ). Ich weiß aber auch, das Mütter, die ihren Kindern nichts zutrauen, genau das vermitteln, und die Wahrscheinlichkeit, dass genau solchen Kindern was passiert, womöglich sogar viel größer ist, weil sie selbst voller Zweifel und Angst an die Sache rangehen. Respekt vor Gefahren sollte man haben, sie kennen, aber kein angstvolles Leben führen.“

Karolin Evers sagt: „Ich bin im Zwiespalt. Mein Kopfkino malt sich die wildesten Dinge aus aber ich versuche mich zu beherrschen und nicht wie eine Glucke an den Kindern zu kleben. Immerhin war ich auch eine wilde Hummel die in die höchsten Bäume geklettert ist und der nichts zu gefährlich war (meine arme Mama). Aaaber, dort, wo es wirklich gefährlich werden kann – z.B. Radfahren an der Straße, hampeln auf dem Bürgersteig, mit dem Messer schnibbeln ohne Mama daneben – da setz ich meine Grenze. Meine Mädels sind 5 1/2 und knapp 2. Die Größere ist zwar sehr intelligent und insgesamt sehr weit für ihr Alter, dabei aber oftmals unbedacht und sehr impulsiv. Meine beste Freundin (die eher das Gegenteil einer Angst-Mama ist) meinte auch schon man könne die kleine Madame ja nicht eine Sekunde aus den Augen lassen. Deshalb lass ich sie machen aber hab immer ein Auge mehr drauf.  Die Kleinere ist eher vorsichtig und, soweit das in diesem Alter möglich ist, viel bedachter in ihren Handlungen. Vermutlich sollte man es daher auch ein wenig vom Temperament und Naturell des Kindes abhängig machen, wo man die individuelle Grenze zieht.“

Liebe Grüße,

Béa

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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