„Das war jetzt aber nicht gewaltfrei!“ – Wie ich meine Berliner Kodderschnauze mit der GFK versöhnte
Ich habe hier etliche Artikel geschrieben, seit ich mit der Gewaltfreien Kommunikation (kurz GFK) in Berührung gekommen bin. Sei es nun zu Ich-Botschaften, Bewertungen, Pseudogefühlen oder Schuldzuweisungen.
Heute möchte ich etwas ganz Grundlegendes klarmachen:
Die Gewaltfreie Kommunikation ist für mich kein Sprachmodell!
Für mich ist sie hilfreich für: Die Entwicklung meiner Persönlichkeit, die Fähigkeit zu reflektieren, sie ist eine Haltung, mit der ich mir und anderen Menschen begegne. Ich möchte einfühlsamer und mitfühlender auch für mich und mit mir selbst sein. Ich kann dadurch besser bei mir selbst bleiben, auch wenn ich Kritik übe. Weil mir Verbindung wichtig ist und nicht weitere Risse zu schaffen.
Ich möchte klarer kommunizieren und mir selbst klarer sein.
Ja, mit diesem Artikel möchte ich auch offen damit umgehen:
Am Anfang klang ich dann in meiner Kommunikation wohl eher, als hätte ich verbale Verstopfung und irgendein poliertes rhetorisches Wörterbuch verschluckt.
Ich habe mich selbst zensiert und hinterfragt und ich war nicht die Bohne mehr authentisch. Ich verstehe sehr wohl, dass mich manche Menschen gefragt haben, welche Drogen ich jetzt nehme und mir auch mit Skepsis begegnet sind.
Untermalen möchte ich diesen Artikel heute mit Comics, über die ich mittlerweile wirklich herzlich lachen kann. Vor ein paar Monaten hätte ich sie wohl noch als Frevel empfunden. Warum? Weil ich selbst noch nicht in diesen Spiegel schauen wollte und konnte.
Was für mich ausschlaggebend war: Ich habe in der Therapie Achtsamkeit gelernt.
Und auch dieses Wort finde ich mittlerweile manchmal ziemlich abgelutscht. Es wird überall drauf geklatscht und deswegen formuliere ich es anders: meiner selbst bewusster zu sein.
Ich habe gelernt drauf zu schauen, was in mir so los ist, was in mir ausgelöst wird. Ich habe zum ersten Mal gelernt, wirklich darauf zu achten, was ich gerade fühle und brauche.
Ich habe gelernt zu schauen: Wo interpretiert mein Hirn jetzt irgendwas rein und wo projiziere ich jetzt meinen eigenen Kram auf andere Menschen. Zu merken: Wo zeige ich mit dem Finger auf andere, wenn doch die Ursache in mir selbst liegt? Wo ist es angezeigt, etwas mit mir selbst auszumachen?
Wir sind doch in unserer Sprache sehr konditioniert, vieles im Außen festzumachen.
Das war und ist ein Prozess, hier immer wieder zu mir zurückzufinden.
Unterstützend dazu kam eben die GFK mit ihren 4 Schritten:
1. Beobachtung
2. Gefühl
3. Bedürfnis
4. Bitte
Na ja, was bei mir (wie bei so vielen anderen auch) rausgekommen ist: Ich bin diese 4 Schritte nach außen gegangen.
Ich habe das alles genauso ausgesprochen. Irgendwann ging mir dann das Licht auf: Das tue ich für mich! Für mich sind diese Schritte wichtig, sie 1:1 zu kommunizieren ist überhaupt nicht stets notwendig. Notwendig ist das für mich in Konfliktsituationen und in sehr emotionalen Gesprächen.
Sätze wie: „Wenn du das Buch liest, dann bin ich traurig. Ich habe auch ein Bedürfnis nach Bildung. Könntest du mir also das Buch reichen, damit ich auch etwas darin lesen kann?“
Überspitztes Beispiel für: „Kann ich bitte das Buch haben, wenn du damit durch bist?“
Ja, so was in der Art habe ich wahrscheinlich von mir gegeben. Heute kann ich darüber schmunzeln. Mein Umfeld auch. Denn auch mit den Menschen in meinem Leben bin ich offen damit umgegangen, dass ich am Anfang als „Baby-Giraffe“ (GFK-Anfänger) wohl doch über das Ziel hinausgeschossen bin.
Nächster Punkt: Meine Haltung ist auch, anderen Menschen einfühlsam zu begegnen.
In dieser Haltung habe ich anfänglich viel zu hohe Ansprüche an mich gestellt: Ich habe mir Selbstempathie vorenthalten und mich innerlich zensiert. Heute kann ich ausgiebig erst mal wieder Gedanken wie: „Geh mir nicht auf den Sack! Was für ein Ar§%&“ zulassen, bis ich dann in mir finde, was da eigentlich los ist und in die Kommunikation nach außen gehe.
Nur weil ich verbindend und einfühlsam mit anderen kommunizieren möchte, heißt es doch nicht, dass ich diese Gedanken nicht mehr habe! Es geht vor allem darum, eine Pause zwischen Reiz und Reaktion zu schaffen, mich zu sortieren.
Auch hier wieder: GFK als Sprachmodell funktioniert eben nicht. Das spüren andere Menschen.
Einfach alles umzuformulieren, in nette Worte zu verpacken, meinem Gegenüber quasi verbal die Fresse zu polieren mit korrekter Sprache ist keine Verbindung. Und ja, es gibt Menschen, die die Gewaltfreie Kommunikation vorsätzlich und gezielt einsetzen.
An dieser Stelle komme ich zu Bewertungen.
Ich hatte auch den Anspruch, nichts und niemanden mehr zu bewerten. Diese Haltung habe ich mir bis heute erhalten, nur weiß ich jetzt: Bewertungen bleiben nicht aus. Sie sind im Menschen verankert, noch aus den Zeiten quasi, wo wir darauf angewiesen waren zu schauen: Feind? Muss ich mich schützen? Werde ich jetzt vielleicht gefressen?
Und Bewertungen sind nichts anderes als ein Signal zur inneren Suche: Was brauche ich? Was fühle ich? Und dann die Verantwortung dafür übernehmen.
Genau hierbei hilft mir eben die GFK. In mich schauen: Viele von uns haben überhaupt nicht gelernt, ihre Gefühle und Bedürfnisse wirklich wahrzunehmen. Ich bin eine davon.
Nächster Punkt: „Das ist aber nicht gewaltfrei!“
Ich habe nicht nur mich zensiert, sondern auch andere Menschen. Wie oft habe ich am Anfang dieser Entwicklung dann andere beurteilt. Ja, ich habe Menschen innerlich oft als „noch nicht erleuchtet“ abgewertet und sie bedauert. Ich, die den Anspruch hatte, mit Menschen auf Augenhöhe zu kommunizieren, habe mich über andere Menschen gestellt.
Irgendwann war ich dann auf dem besten Wege, den Pokal zur Hobbypsychologin des Jahres zu erhalten. „Können die anderen nicht sehen, dass sie keine Verantwortung für sich selbst übernehmen? Ist das denn so schwer?“ Solche Gedanken waren in meinem Kopf. Und ich bin anderen Menschen auch ins Wort gefallen.
Am liebsten hätte ich wohl einigen Menschen ein Buch von Marshall Rosenberg auf den Kopf gehauen und gesagt: „Hier, wenn du das gelesen hast, können wir weiterreden. Komm mal klar!“
Ein Trainer für Gewaltfreie Kommunikation, mit dem ich dazu ins Gespräch kam, bezeichnete es als Phase. Und ich bin froh, dass sie fast vorbei ist. Fast, weil ich manchmal noch innerlich mit den Augen rolle. Und mir dann bewusst mache: Das liegt bei mir.
Fazit: Ich bin froh, dass ich meine Berliner Schnauze wiedergefunden habe.
… oder anders ausgedrückt: „Wie ick jetzt nicht mehr rede, als hätte ick ma die Omme jestoßen!“
Ich wollte hier ganz authentisch darstellen: Ich bin in einem Prozess. In diesem Prozess habe ich auch gefunden, dass ich meine Empathie vor allem erst mal mir selbst gebe. Dass ich Licht und Schattenseiten in mir habe. Und dass ich jederzeit frei wähle, wie ich damit umgehe. Mir das bewusst zu machen, dabei hat mir die GFK geholfen. Die Artikel in meiner Kolumne schreibe ich auch nicht mit der Intention, Menschen einer Sprachzensur zu unterziehen. Ich gebe meine Erfahrungen wieder, meine Entwicklung und ich hoffe, sie helfen auch anderen Menschen im Prozess ihrer persönlichen Weiterentwicklung.
Und hier noch ein Cartoon für alle Eltern, die gerade Kurse zur GFK besuchen, um eine tiefere Bindung zu ihren Kindern aufzubauen. Mit einem Schmunzeln, denn vielleicht ist das eine oder andere Kind auch irritiert, wenn Mama und Papa plötzlich ganz anders sprechen: „Wo sind meine Eltern und wer hat sie durch diese Außerirdischen ersetzt?“
eure
mindfulsun
PS: Die Cartoons sind von Sven Hartenstein. Und es gibt noch einige mehr!
- 22. Oct 2021
- 3 Kommentare
- 4
- Achtsamkeit, Gewaltfreie Kommunikation, Haltung, Ich-Botschaften, Sprachmodell
3 Kommentare