Familienkonflikte – Eltern sollten niemals ihre Kinder mit reinziehen (Gastbeitrag)
Streiten ist das Natürlichste auf der Welt. Wir alle streiten ab und an, manchmal sogar mit unseren Liebsten. Und ich meine schön länger, dass Streiten unter Kindern „gelernt“ gehört… Eine Leserin hat jedoch jede Menge Erfahrung mit Familienkonflikte und möchte euch ihre Ansicht mitteilen, dass Eltern niemals ihre Kinder in ihren Streitigkeiten reinziehen sollten.
Hier erzählt sie euch ihre Geschichte aus der Sicht des Kindes.
Ich wuchs in einer Großfamilie auf.
Ich hatte zwar nicht viele Geschwister, aber dafür etliche Tanten und Onkels, und noch mehr Cousinen und Cousins. Wir alle hatten ein enges Verhältnis zueinander, sahen uns regelmäßig und verbrachten den Großteil unserer Zeit mit der Familie. Ich liebte es, vor allem, wenn wir über die Feiertage oder in den Ferien zusammenkamen. Meine Cousinen und Cousins waren wie Geschwister für mich.
Doch dann krachte es. Über ein Erbe, das noch den „Alten“ gehörte – die noch am Leben waren.
Es krachte zwar immer wieder ein bisschen, aber dieser Krach sollte über Jahre andauern. Klassischerweise, aber nicht weniger traurig wurde über das Erbe gestritten – dabei waren meine Angehörigen zwar senil, aber noch nicht tot! Ich schäme mich dafür, dass etwas Lächerliches wie das Erbe überhaupt ein Grund zum Streiten werden kann, doch dem war so. Jedes der Kinder bestand auf sein Recht, vor allem meine Tante, die viel mehr zu bekommen schien, weil ihr Vater das so wollte. Dies löste sehr viel Ärger und Neid bei meinen Verwandten aus. Es krachte so stark, dass sie nicht mehr miteinander sprachen.
Uns Kindern wurde der Kontakt zu unseren Cousinen und Cousins verweigert.
Damals hatten wir zwar noch keine eigenen Handys, aber wir telefonierten gelegentlich oder schrieben uns E-Mails. Dies wurde fortan verboten. Kein Kontakt zu meiner Familie. Ich war am Anfang meiner Pubertät und wusste nicht richtig, worüber gestritten wurde. Vor allem aber verstand ich nicht, was so Schlimmes passiert war, dass sogar der Kontakt abgebrochen wurde.
Ich fühlte mich bodenlos.
Als Kind war mir das nicht richtig bewusst, weil ich auf meine Eltern hörte und es ihnen glaubte. Doch mir fehlte meine Familie. Mir fehlten meine Freunde. Mir fehlte das, was wir hatten. Während meiner Pubertät hatte ich mir sehnlichst den Kontakt zu meiner Familie gewünscht. Die Teenagerzeit war keine leichte und etwas mentale Unterstützung hätte mir sicher geholfen. Andersherum schien es genauso zu sein, wie ich später erfuhr.
Dieser Streit dauerte drei Jahre lang.
Er endete erst, als die Geschwister durch Zufall wieder aufeinander trafen. Geklärt wurde nichts, denn der Streit war ja vollkommen sinnlos. Es war nur ein dämliches Machtgehabe über eine Situation, die noch nicht einmal eingetroffen war. Wie meine Familie nun mal so ist, wurde der Streit einfach nur unter den Teppich geklärt. Es war, als hätten sie nur darauf gewartet, dass Gras über die Sache wächst, damit sie wieder eine Familie sein konnten.
Als ich meine Familie wieder sah, fühlte es sich fremd an. Meine Cousins und Cousinen hatten sich über die Pubertät stark verändert. Plötzlich hatten wir nicht mehr viele Gemeinsamkeiten, denn der Film-und Musikgeschmack, sowie unsere Idole und Vorbilder hatten sich geändert. Es dauerte sehr lange, bis wir wieder zueinander fanden. Doch so eng, wie wir damals waren, wurden wir nie wieder. Das bedauere ich immer noch.
Kinder sollten nicht in Familienkonflikte hineingezogen werden.
Kinder sind unschuldig und sollten nicht die Konsequenzen von den Streitereien ihrer Eltern tragen und ausbaden. Sie sollten sich nicht für ein Lager entscheiden müssen und an erster Front für den Familienkrieg stehen.
Meine Familie hat nichts gelernt.
Einige meiner Cousins und Cousinen haben inzwischen ihre eigenen Familien. Doch auch sie haben sich inzwischen in die ein oder anderen Familienkonflikte gestrickt. Ich finde es schade, dass ausgerechnet diejenigen, die so darunter gelitten haben, die Streitereien fortsetzen. Doch eine Änderung kann nur dann folgen, wenn überhaupt ein Bewusstsein für die Situation geschaffen wird. Meine Familie ist so sehr in diesem Handlungsmuster verstrickt, dass sie es kaum mehr hinterfragen. Aber ich tue es und werde nicht mehr Teil Streitnetzes sein.
Das war die berührende Geschichte der Leserin. Sie hat sie bewusst mit euch geteilt, weil sie hofft, einige zum Nachdenken zu bewegen… damit Eltern ihre Kinder nicht mehr in Familienkonflikte reinziehen.
Könnt ihr das nachvollziehen? Habt ihr eigene Erfahrungen?
Liebe Grüße, Béa
- 12. Sep 2019
- 5 Kommentare
- 1
- Eltern, Erbe, Familienstreit, Kinder, Streit, Streiten, Streiten lernen
Serena
14. September 2019Das kenne ich. Das zieht sich durch mein Leben wie ein roter Faden.
Mein Vater hat bei seinen Geschwister auf vieles verzichtet, um den Frieden zu bewahren. Doch zurück kam nie Liebe oder Dankbarkeit sondern nur noch mehr Forderungen. Und meine Mutter hat ihm das immer vorgeworfen.
Meine erster Lebenspartner musste auch immer zurückstecken, denn der Bruder war der Liebling der Mutter.
Bei meinem Mann verhält es sich ähnlich. Er hat immer auf dem elterlichen Hof gearbeitet und ihn de facto geleitet und als er ihn dann übernehmen wollte, mußte er seinem Bruder 50% mehr geben als was ihm zustand. Die Eltern haben da nicht mit der Wimper gezuckt, denn ihnen wurden übertrieben viele Rechte durch diese Vereinbarung gegeben.
Ich sehe es nicht gern, wenn meine Kinder mit ihren Cousinen spielen. Die größere ist arrogant, rechthaberisch und hintertückisch. Von jemand muss sie es haben...
Ronja Oden
25. März 2020Als wir uns haben scheiden lassen, hat uns unser Anwalt für Familienrecht geraten die Kinder so gut wie möglich aus allem rauszuhalten. Und er hatte absolut recht, denn Kinder sollten wirklich gezwungen werden sich für ein Lager zu entscheiden und an erster Front für den Familienkrieg eingesetzt werden. Wir haben versucht es ihnen so schonend wie möglich beizubringen, aber es fällt ihnen schwer es zu verstehen.
Diana Kirsch
15. Juni 2020Meine Geschwister verbieten den Umgang Ihrer Kinder mit meinen. Ich habe schon so oft darüber geweint, ich habe alles versucht. Ich bin das schwarze Schaf der Familie und meine Kinder müssen dafür bezahlen.
Regina
7. November 2021Oh ja.
Mein Opa hat sich mit meinen Onkel zerstritten. Da wir Kontakt zu meinen Großvater hatten, durften wir Kinder von heute auf morgen nicht mehr mit dem Onkel reden und so weiter. Natürlich ohne Erklärung für uns Kinder. Es war mein Lieblingsonkel, der mir in den schwierigen Familienverhältnissen viel Halt und Liebe gegeben hat. Er war ein Anker in stürmischen Zeiten.
Ähnlich ist es auch mit anderen Verwandten gegangen.
Dies alles führte bei mir zu Verlassensängste, unter denen ich auch heute noch leide.
Vanessa Weißkopf
7. November 2021Ich kenne das und ich kann nur zustimmen.
Mein ganzes Leben lang haben sich meine Onkel, Tanten, Opa und Oma mütterlicherseits gestritten. Ich habe als Kind unzählige Tränen bei meiner Mutter deswegen gesehen.
Meine Verwandtschaft ist sehr groß und ich habe unzählige Cousinen und Cousins. Für jedes Alter ist etwas dabei. Einige kennen mich heute gar nicht persönlich auf Grund dieser Streitereien, andere waren als Kind meine besten Freunde und wieder andere waren Vorbilder, weil sie in meiner Kindheit zu den "Großen" gehörten.
Ich weiß bis heute bei den meisten Konflikten nicht wer, was oder wie diese Streitereien zu Stande gekommen sind. In einen Konflikt war ich als Teenager zwischen meiner Mutter und ihrem Bruder verwickelt. Das belastet mich bis heute. Meine Mutter versteht heute warum ich mich an meinen Onkel gewand habe und meinem Onkel bin ich bis heute dafür unendlich dankbar. Doch leider sprechen die beiden bis heute kein Wort miteinander.
Zu den Konflikten in meiner Familie kommen unzählige Kränkungen, Missverständnisse, hier und da verdrehte Tatsachen und Machtspiele, sodass nie eine Chance auf Versöhnung oder Verzeihen gibt.
Manchmal träume ich mir zusammen alle Enkelkinder meiner Großeltern mütterlicherseits würden sich zusammen tun und ihren Eltern in einer Art Konferenz Mal klar machen wie mies das für uns als Kinder war... In der Hoffnung sie könnten endlich alle Mal über ihren Egos stehen.