Eltern als Cheerleader – Wann wird Unterstützung zur Grenzüberschreitung?


Wir alle kennen den Moment in Filmen, in dem das Kind seinen High School Abschluss macht, der Name gerufen wird und das peinliche Elternteil aufspringt und sich klatschend die Lunge aus dem Leib jubiliert. Das Kind – peinlich berührt – verdreht die Augen und tut so, als kenne er die Person nicht. Dieser Moment sorgt für doppelte Lacher – wir verstehen die Eltern, und auch das Kind.

Aber Eltern als Cheerleader können hin und wieder auch die ein oder anderen Grenzen überschreiten. Und genau darum soll es in diesem Beitrag gehen.

Eltern und Teenager …

In Teenagerkreisen wird oft darüber gejammert, wie peinlich die eigenen Eltern sind. Kein Wunder, Teenies befinden sich in einer gewaltigen Entwicklungsphase, bei der die Schamtoleranz besonders hart auf die Probe gestellt wird. Wenn da die Eltern kommen, die seinen Sprössling noch immer wie ein „Kind“ behandeln, z.B. in aller Öffentlichkeit abknutschen, das Kind mit Kosenamen nennen oder auch laut bejubeln – dann kann das für das Kind als etwas „peinlich“ empfunden werden.

Bevor ich tiefer ins Thema einsteige, möchte ich vorab sagen, dass „peinlich“ eine sehr harte Zuschreibung für etwas ist, das mit sehr viel Liebe und Zuneigung einhergeht. Deshalb ist es fast schon schade, auf ein Phänomen aufmerksam zu machen, dass von außen betrachtet total niedlich ist. Abgesehen davon habe ich in der Vergangenheit mit vielen Menschen geredet, die sich gern ein „peinliches“ Elternteil gewünscht hätten. Béa inklusive, die bereits mit 15 ihre beiden Eltern gar nicht mehr hatte.

Und doch soll es hier um Grenzen gehen. Grenzen und offene Kommunikation. Denn so liebevoll es auch gemeint ist, dass das Kind sich dabei unwohl fühlt, ist auch nicht Sinn der Sache.

Nun aber zum Thema.

Meine Eltern gehören zur: „Ich schrei los, wenn das Kind auf das Podest steigt“- Fraktion.

Das ist wie bereits gesagt, sehr süß, aber manchmal auch zu viel. Oft habe ich meinen Eltern vor einer Veranstaltung gesagt, sich bitte im Hintergrund zu halten, weil ich sehr nervös sein werde und nicht damit umgehen kann, wenn die ganze Aufmerksamkeit auf sie fällt. Mein Wunsch wurde jedoch nur so semi erfüllt. Meine Mutter sah es als eine Art Erziehungsmaßnahme, erst recht zu jubeln, damit ich lerne, mit der aufkommenden Scham umzugehen, und mein Vater … na ja, der war einfach so stolz, dass er bei all dem Glitzer in den Augen völlig übersah, was ich mir eigentlich wünschte.

Was ich immer wieder hörte, war folgender Satz.

„So sind Eltern eben.“

Ergo: Ich kann nichts dafür, es liegt in meiner Bestimmung, dich anzufeuern und stolz auf dich zu sein.

Und das finde ich sehr schwierig. Denn erstens sind eben nicht alle Eltern so, und zweitens wird mein Wunsch nicht nur überhört, sondern schlichtweg ignoriert. Wenn ich also von ganzem Herzen darum bitte, sich bitte diskret zu verhalten, werde ich überhaupt nicht verstanden. Schließlich wünscht sich doch alle liebenswürdige Eltern, die ihre Kinder bejubeln … oder?

Und hier stoßen wir an einen sehr sensiblen Punkt. Denn natürlich ist es wundervoll, Eltern zu haben, die einen anfeuern und unterstützen (das ist leider keine Selbstverständlichkeit und ich bin dankbar, dass ich solche Eltern habe!!), aaaaber, wenn ich klar kommuniziere, dass ich das NICHT will, und mein Wunsch missachtet wird; geht es dann überhaupt noch um mich?

Eltern nicht mehr einladen?

Die Konsequenz war, dass ich bei bestimmten Veranstaltungen aufhörte, meine Eltern mitzunehmen. Ich wollte sie nicht absichtlich ausschließen, aber bei Situationen, in denen ich wirklich sehr aufgeregt und nervös war, wusste ich, dass ich die Unterstützung, die ich in diesem Moment brauchte, nicht von ihnen kriegen würde.

Als meine Mutter verstand, dass sie mit ihrem Verhalten ausgeschlossen wurde, nahm sie sich endlich zurück und befolgte meinen Wunsch. Oft sprachen wir vorher ab, was alles okay war und was nicht. Fotos? Ja? Jubeln? Nur ein bisschen. Auf meine Mitschüler:innen zugehen und sich als die „coole Mama“ vorstellen? NEIN.

Bei meinem Vater hingegen … na ja. Ich glaube, er hat bis heute nicht verstanden, was ich eigentlich brauche. Ja, in den Filmen sind die Eltern immer die stolzen Cheerleader, aber diese Art von Support ist mir einfach zu viel. Und das Schlimmste ist, dass ich auf das „Nein, ich werde schon nichts machen“, nicht vertrauen kann.

Als ich letzte Woche meine erste Signierstunde meiner Bücher hatte, erzählte ich meinem Vater nichts davon, aus Angst, er würde (gegen meinen Wunsch) mit jedem gesamten Kollegium aufkreuzen, meine Lektorin unter seine Fittiche nehmen, und jedem Menschen sagen, dass er mein stolzer Vater ist.

 

View this post on Instagram

 

A post shared by Mounia Jayawanth (@miasanker)

Meine Mutter hätte ich ehrlich gesagt sehr gern dabei gehabt, ließ sie aber auch nicht kommen, damit mein Vater sich nicht ausgeschlossen fühlte. Ich nahm also nur drei Freund:innen mit, die sich diskret im Hintergrund hielten und genauso für mich da waren, wie ich es in diesem Moment brauchte.

Als mein Vater am nächsten Tag davon erfuhr, kamen ihm fast die Tränen vor Enttäuschung. Dass ich meine Freund:innen seinen Eltern vorzog, konnte und wollte er nicht verstehen. Ich erklärte ihm, dass es nicht in meiner Absicht lag, ihn zu verletzen oder auszuschließen, sondern einfach meine Grenzen beachten musste. Daraufhin war so traurig, dass ich gar nicht mit ihm reden konnte.

Er tat mir leid. Ich fühlte mich schuldig. Und natürlich verstand ich ihn. Wäre ich Mutter, hätte ich mir vermutlich auch gewünscht, an einem so besonderen Tag für meine Tochter da zu sein. Aber aus Sicht eines Kindes kann ich sagen: Diese Art von Support habe ich in diesem Moment nicht gebraucht. Und ich möchte nicht als undankbar gelten, wenn ich es wage, auf meine Bedürfnisse zu achten.

Eltern als Cheerleader …

… sind niedlich. Und lustig. Und von außen betrachtet einfach nur super unterstützend.

Aber wahre Unterstützung kommt, wenn die Grenzen des Kindes respektiert werden. Wenn das Kind klar äußert, was es sich wünscht, und das Elternteil auf die Bedürfnisse des Kindes eingeht.

Eltern, bitte seid Cheerleader?

Übrigens kann es natürlich auch Kinder geben, die sich wünschen, dass das Elternteil aufspringt und die Pom Poms schwingt. In dem Fall muss aber auf die Bedürfnisse der Eltern geachtet werden, da sie entscheiden müssen, ob sie sich mit dieser Art der Unterstützung wohl fühlen.

Sooo, ich hoffe, ich konnte meine Gedanken halbwegs verständlich äußern. Ich finde das Thema total schwer, weil ich beide Seiten verstehe. Niemand will ausgeschlossen werden, finde ich eine offene Kommunikation notwendig. Denn nur so wissen wir, was die andere Person braucht.

Wie steht ihr zu dem „Eltern als Cheerleader“-Phänomen?

Weitere Eltern-Kind Themen findet ihr hier:

Eltern „glorifizieren“? Sie sind keine Heilige…

Wenn Eltern einem seltsames Zeug von zu Hause mitbringen – Ist das nicht der süßeste Tick überhaupt?

Liebe Grüße
Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

DAS KÖNNTE DIR AUCH GEFALLEN

Meine Mutter hat sich bei meinen Lehrern eingeschleimt … und es beschämt mich bis heute
28. Mar 2023
Die Verbotskultur verhindert das Klarstellen von Lügen… und vieles mehr
14. Oct 2022
„Ich liebe meine Eltern, aber ich schäme mich für ihr Weltbild“ – Frage aus der Community
26. Sep 2022
Eltern „glorifizieren“? Sie sind keine Heilige…
01. Aug 2022
Zwiespalt Zoo – Ist ein Zoobesuch pädagogisch verantwortbar?
27. Jun 2022
Kindersprüche zum Schlapplachen – Kindermund 354
22. May 2022
Ihr habt mich nicht im Lotto gewonnen und FYI die Sklaverei ist abgeschafft! Mama-Befreiungsschlag – Gastbeitrag
18. May 2022
Wenn Eltern einem seltsames Zeug von zu Hause mitbringen – Ist das nicht der süßeste Tick überhaupt?
13. Apr 2022
„Mama, du wolltest nicht das Beste für mich, sondern für dich!“ – Gastbeitrag einer Tochter
04. Apr 2022

Einen Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mit einem Stern (*) markiert.