„Ernste“ Gespräche bedeuten nicht gleich zu streiten


Wie ihr vielleicht wisst, setze ich mich derzeit sehr stark mit den Themen Kommunikation und Streit auseinander. Eine Sache sticht in meiner Beobachtung immer besonders stark heraus, nämlich, die Tatsache, dass „ernste“ Gespräche oft als Streit missverstanden werden.

Wir alle haben uns schonmal gestritten und wissen, wie das abläuft. Ein komischer Blick, ein spitzer Kommentar, und schon fährt der eine oder andere in Richtung Streittunnel, der immer dunkler und düsterer wird. Streit gehört zum Leben dazu; ich glaube, ganz ohne funktioniert das Leben auch nicht.

Aber es entstehen auch viele Konflikte, die gar nicht sein müssten. Missverständnisse, die sich hochschaukeln, und dann in einer Explosion enden.

„Ernste“ Gespräche = Konflikt?

Eine Person hat neulich zu mir gesagt, dass ich wohl gern streite. Ich war total baff.

„Was? Wie kommst du denn darauf?“, fragte ich.

„Du musst immer alles mögliche anmerken. Du kannst nichts gut sein lassen. Du musst alles zum Problem machen und wenn es keine gibt, suchst du dir welche.“

Ich bat um ein Beispiel, weil ich überhaupt nicht verstand, was er meinte.

„Neulich zum Beispiel hast du gesagt, dass du nicht zu meinem Geburtstag willst, weil dir zu viele fremde Menschen kommen.“

„Das war für dich ein Streit?!“, fragte ich. „Ich setze meine Grenzen und du interpretierst das als Angriff? Ich habe das doch nicht gesagt, um dich zu  kränken. Ich wollte dir nur erklären, dass ich, wenn ich hingehe, meine eigenen Grenzen überschreiten würde. Es werden so viele Menschen kommen, wir würden auf engem Raum in einer Karaoke-Kabine stecken, alle würden trinken, außer mir, und in der Gesamtsumme wäre mir das mit meiner Social Anxiety und der Pandemie, die noch nicht vorüber ist, einfach zu viel.“

Er: „Ja, aber ich war enttäuscht.“

Ich: „Natürlich warst du das. Das ist ja auch total verständlich. Ich setze meinen Grenzen und du darfst fühlen, wie du willst. Aber wo ist denn da ein Konflikt? Zählt es schon ein Streit, wenn die eine Person sauer oder enttäuscht ist?

Darauf wusste er nichts zu erwidern.

„Ich habe es gar nicht als Streit aufgefasst“, sprach ich weiter. „Für mich war es nur ein ernstes Gespräch.“

Ehrliche Kommunikation

Ich will mich überhaupt nicht streiten, ich finde offene Kommunikation nur sehr wichtig, und denke, dass es wichtig ist, zu sagen, wenn einen etwas stört oder belastet. Die Person darf daraufhin sauer, traurig oder enttäuscht sein –  aber es muss nicht in einem Streit ausarten.

Außerdem sollte es okay sein, einen Raum für alle Anliegen zu haben. Viele fürchten sich vor den Bei dir muss ich immer aufpassen, was ich sage-Parolen, denn niemand will absichtlich anstrengend sein. Aber dass ihr Platz für eure Gedanken schafft, ist etwas ganz Wertvolles!

Die Person vom Geburtstag erzählte mir übrigens später , dass sie selten Dinge anspräche, weil sie nicht streiten wollen. Sie sagte es auf eine Weise, bei der man stolz sein sollte. Nach dem Motto: Sieh her, ich fresse alles in mich hinein, und deshalb habe ich mit niemandem Streit – bin ich nicht tapfer?

Dabei ist nichts tapfer daran, Kummer oder dergleichen zu verdrängen, bloß, um die Harmonie zu wahren. Ich habe das jahrelang getan, und bin irgendwannwie ein Vulkan ausgebrochen. War nicht schön, und vor allem sehr unfair meiner damaligen Freundin gegenüber.

Konflikte verdrängen finde ich… bääh.

Ich sage mir, dass wir lernen müssen, uns Konflikten zu stellen, und ebenso lernen, dass es mit einer friedlichen Unterhaltung eventuell gar nicht zu einem Streit kommen muss. Vor allem weichen wir so einer passiv agressiven Diskussion aus, in der wir zeigen, dass uns etwas gegen den Strich geht, aber nicht genau sagen, was.

Inneren Widerstand runterfahren

Dieses Thema verbindet sich auch sehr gut mit dem Beitrag des inneren Widerstands – wenn man bei unangenehmen Gefühlen sofort abblockt und die Mauern hochfährt. So ist es glaub ich generell mit Konflikten. Wir haben gelernt, dass Streit etwas Doofes ist und versuchen ihm möglichst aus dem Weg zu gehen.

Aber was, wenn nicht? Was, wenn wir unserem Gegenüber einfach nur zuhören? Vielleicht erwartet es gar keine Erklärung oder eine Entschuldigung. Vielleicht hat es gar nichts mit uns zu tun. Vielleicht will er oder sie einfach nur die Gedanken mit uns teilen.

Miteinander reden.
Zuhören statt auf Angriff gehen.

Und vielleicht war’s das schon. Vielleicht braucht es keinen Streit.

Wie seht ihr das?

Hier noch mehr zu dem Themen Kommunikation und Streit:

Wie sehr zeigen wir beim Streit unser „wahres“ Gesicht?

Zwischen Diskussionen und Kontern – Warum müssen wir einen Streit überhaupt „gewinnen“?

Liebe Grüße
Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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