Meine Mutter hat sich bei meinen Lehrern eingeschleimt … und es beschämt mich bis heute


Heute gibt es einen Gastbeitrag, in dem eine Leserin aus einer Zeit aus ihrem Leben berichtet, die bis zum heutigen Tag große Scham in ihr auslöst. Ihre Mutter hat sich nämlich bei ihren Eltern eingeschleimt – und das hat ziemlich geprägt.

Ich denke nicht oft an die Schulzeit zurück. Ich war keine gute Schülerin. Lernen fiel mir schwer, ich hinkte immer hinterher und stand bei nahezu allen Fächern auf der Kippe. Die schlechteste Schülerin der Klasse zu sein, zu sein war bereits eine Blamage für sich, und meine Mutter machte es nicht besser.

Meine Mutter meinte es nur gut.

Das möchte ich vorab sagen. Denn auch, wenn ich mich damals in Grund und Boden schämte, weiß ich ihre guten Absichten zu schätzen. Sie wollte mir helfen und hatte nicht vor, irgendwas schlimmer zu machen. In ihrer Welt funktionierten die Dinge eben so – sich mit anderen gut stellen, um das zu bekommen, was man will. Keine Feinde machen, sondern Freunde.

Abendessen mit meiner Lehrerin

Als meine Mutter mir erzählte, dass sie meine griesgrämige Klassenlehrerin zum Abendessen einlud, dachte ich, sie würde einen Witz machen. Ich glaubte es erst dann, als ich ihr und ihrem Mann völlig erstarrt die Tür öffnete. Meine Mutter hatte das ganze Haus geputzt und mehrere Gänge vorbereitet. An das Abendessen selbst kann ich mich nicht erinnern. Die Scham hat meine Erinnerungen verdrängt. Aber ich glaube, es lief ganz okay.

Natürlich hatte meine Mutter nicht vor, sich mit meiner Lehrerin anzufreunden, ihr Ziel war es nur, sich gut mit ihr zu stellen. Und vielleicht gelang es ihr auch. Ob es das wirklich wert war, weiß ich nicht, denn als irgendwann in der Schule rauskam, dass meine Lehrerin bei uns zu Hause war, zogen meine Mitschüler ganz schön lange Gesichter. Es war mir so unendlich peinlich.

Geschenke für meinen Mathelehrer

Ein Jahr später wechselte ich auf die Oberschule, und die Schleimerei ging weiter. Noch immer war ich keine gute Schülerin und wieder wollte meine Mutter helfen. Am letzten Schultag vor den Weihnachtsferien gab sie mir eine Geschenktüte mit. „Für deinen Lehrer“, sagte sie. Mein Bruder hatte eine ähnliche Tüte für seine Lehrerin, die ihn ständig dem Kieker hatte. Wir beide sahen uns an und wollten beide am liebsten die Schule schwänzen.

Mein Bruder weigerte sich auch. Er warf die Geschenktüte einfach weg und erzählte meiner Mutter, er habe das Geschenk brav ausgehändigt. Ich traute mich nicht, aus Angst, meine Mutter würde doch dahinterkommen. Mit hochrotem Kopf überreichte ich meinem Mathelehrer die Tüte und flüsterte ein undeutliches: „Von meiner Mutter.“ Mein Lehrer wirkte genauso unbehaglich wie ich, und bedankte sich. Die Fünf in Mathe bekam ich trotzdem. Ich war sogar bis zu einem gewissen Grad erleichtert, weil danach die Geschenke zumindest ein Ende hatten. Es brachte nichts, und wenn, dann war es die guten Noten trotzdem nicht wert.

Wut auf meine Mutter

Meine Mutter hatte mich in eine unangenehme Lage gebracht, und es dauerte lange, bis mir klar wurde, dass ich deshalb ziemlich wütend auf sie war. Vor ein paar Jahren habe ich sie deshalb zur Rede gestellt, aber sie sah sich im Recht, und sagte, dass ich es mit ihrer Hilfe überhaupt so weit gebracht hatte. Dass „Einschleimen“ eine Form der Manipulation war, verstand sie nicht. Ich solle mal nicht so dramatisch sein, Eltern seien Teenagern immer ein wenig peinlich. Wenn ich selbst mal Kinder haben sollte, werde ich schon wissen, was ich meine.

Aber das tue ich trotzdem nicht. Meine Mitschüler lachten mich dafür aus, dass meine Lehrerin bei uns zu Hause abhing und dass ich eine so peinliche Mutter hatte, die bei den Lehrern ihrer Kinder schleimte. (Ja, sie durchschauten das Spiel meiner Mutter!) Es war eine harte Zeit voller Scham, die ich nicht noch mal erleben würde.

Liebe Eltern, bitte schleimt euch nicht bei den Lehrern eurer Schüler ein!

Auch, wenn ihr es gut meint, wird es höchstwahrscheinlich ohnehin nichts bringen, da Lehrer sich nicht bestechen lassen dürfen. Wenn ihr nicht ganz eng befreundet seid, sind Abendessen, geschweige denn Weihnachtsgeschenke unangemessen. Euer Kind wird es euch nicht danken, aber euch später auch nicht vorwerfen.

Alles Liebe!

P.S. von Béa: Kennt ihr diese Erfahrung? Aus welcher Perspektive?

 

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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