Geduld für Ungeduldige
Ihr kennt ja das Witz-Gebet: „Lieber Gott, gib mir Geduld, und zwar sofort“? Könnte von mir sein. Als die Geduld verteilt wurde, waren meine Vorfahren längst weiter gegangen. Tsss. Wir können darüber lachen, aber Ungeduld kann eigene Nerven arg überstrapazieren und menschliche Beziehungen auf die Zerreißprobe stellen.
Ich habe etwas recherchiert zum Thema Geduld. Vor allem im Zusammenhang mit Kindern.
Kennt ihr den bekannten „Marshmallow-Test“?
Die Idee dazu stammt von einem Professor an der Stanford University in Kalifornien namens Walter Mischel – und zwar schon in den 60ern. Er hat ihn mit über 600 Kindern zwischen 4 und 6 Jahren durchgeführt. Die Kids wurden in einem Raum gesetzt und bekamen einen Marshmallow. Das war allerdings mit einem Versprechen geknüpft: Sie konnten sich entscheiden, das süße verlockende fluffige Ding gleich zu essen oder 15 Minuten zu warten und in dem Fall einen zweiten zu bekommen. Einige schafften es, sich zusammen zu nehmen und auf ihre Belohnung zu warten, andere wiederum nicht.
Professor Mischel führte mit den Versuchsteilnehmer eine Langzeitstudie durch. Er fragte sie Jahre später nach ihrem Wohlergehen im Leben. Und siehe da: Zehn Jahre nach dem Experiment zeigten diejenigen, die sich beherrschen konnten, eine besseres Konzentrationsvermögen, hatten eine höhere Stresstoleranz, konnten besser mit Frustrationen umgehen und waren selbstbewusster und ja, glücklicher. Auch 20 Jahre später waren die damals beherrschten Kinder in besseren Lebenssituationen, hatten häufiger Universitätsabschlüsse, nahmen seltener Drogen, lebten insgesamt gesünder.
Wow. Gehört den Geduldigen die Welt?
Inzwischen wurde das ganze Experiment wissenschaftlich in Frage gestellt und nachgewiesen, dass andere Faktoren viel ausschlaggebender waren als die Fähigkeit zum Belohnungsaufschub. Fazit von Wissenschaftlern, die die Studie replizierten: „Wenn sie Vater oder Mutter eines Vierjährigen sind und der greift ohne zu warten nach dem Marshmallow, sollten Sie sich keine allzu großen Sorgen machen.“ (Quelle Zeit online: „Der Marshmallow, entmachtet„)
Nichtsdestotrotz leuchtet es uns als Eltern ein, dass etwas wie „Impulskontrolle“ eine gute Sache ist. Und dass wie immer wir diejenigen sind, die unseren Kindern vorleben, wie das geht.
Deswegen hier schnell meine 3 praktischen Tipps, wie ich mir selbst Geduld beibringe. Als ungeduldiger Mensch.
1. Ich versuche zu verstehen, was der Auslöser für meine Ungeduld ist – und damit umzugehen
Hier hilft mir die Differenzierung: Will ich etwas unbedingt haben – oder etwas loswerden? Beispiele:
Ich habe mir etwas Schönes online gekauft und kann es nicht abwarten, es in den Händen zu haben. Die Ungeduld ist eigentlich Vorfreude. Und dann kann ich sie genießen.
Ich bin krank und kann es nicht abwarten, mein blödes Husten loszuwerden (ja, leider gerade in diesem Moment, in dem ich das jetzt schreibe). Die Ungeduld ist Widerwille gegen die Krankheit. Mein Körper kämpft aber schon und ich stelle mir vor, wie mein Immunsystem aktiv am Arbeiten ist. Bingo. Es ist kein Warten, es ist aktives Tun. Ich feuere also meine Immunzellen mit einer Tasse Tee an und versuche nicht zu verzagen.
2. Ich tue mir was Gutes
Mir hilft es auch zu verstehen, dass Warten auch Lebenszeit ist, die ich gern möglichst schön verbringen möchte. Und dazu gehören die schönen Kleinigkeiten, der Blick für die Details: Eine schöne Tasse Kaffee. Ein entspannendes Bad. Ein wohltuendes Gespräch mit lieben Menschen. Eine gute Mahlzeit kochen… Alles, was gut tut.
3. Ich powere mich aus
Hier müsste ich an Sport-Coach Yvonne übergeben, tue ich auch: Bewegung und Sport tut immer gut. Und sei es nur das Laufband im Schlafzimmer. Natürlich nicht in Kombi mit dem Beispiel von vorhin, das Kranksein. Aber in jedem anderen Fall…
4. Ich delegiere die Rolle der Geduld-Verantwortlichen
So, jetzt kommt der ganz große Trick, ganz im Sonne meines Buches über Co-Learning: Als meine Tochter im Grundschulalter war, hatten wir mal ein altes Sommer-Käppi auf dem ich mal mit Edding „Geduld-Beauftragte“ drauf geschrieben habe. Gerade kurz vor Weihnachten, Geburtstagen und anderen Events, auf die wir kaum warten konnten hat meine Tochter das Käppi bekommen… Plötzlich ist sie von allein auf Dinge gekommen, die mir gar nicht in den Sinn gekommen wären: Zeit mit Murmeln oder Kastanien zu visualisieren. Ungeduld-Pudding in kleinen Schälchen zu servieren. Oder schlichtweg das Käppi wegzulegen und zu beschießen, dass wir jetzt was anderes machen und sie gar nicht mehr so ungeduldig ist. Na bitte. Geht doch. Zen. Hauptsache drüber geredet.
So, jetzt seid ihr dran: Wie bringt ihr euch selbst Geduld bei? Wie handhabt ihr das bei euren Kindern? Wie geht Geduld für Ungeduldige noch?
Liebe Grüße,
Béa
- 04. Mar 2020
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