Impulskontrolle für alle – einige Tipps
Ich glaube, jeder Mensch hat Knöpfe, die, wenn sie gedrückt werden, ihn in einen Mix aus Feuerwerk und plötzlich geöffnetem Dampfkochtopf verwandeln.
Manche mehr, manche weniger.
Das Thema „Impulskontrolle“ ist in der Psychologie ein ganz großes…
… und ich kann mir vorstellen, mit einem/r Expert:In noch ein Interview zu machen. Auch die gewaltfreie Kommunikation beschäftigt sich damit, und ich kann mir vorstellen, dass unsere mindfulsun auch einige Einsichten dazu hat.
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Heute möchte ich hier nur aus Erfahrung sprechen – ich habe für mich und meine Familie im Laufe der Jahre einige Strategien gefunden, wie wir es schaffen, dass in einem Moment der Reizung nicht alle Sicherungen durchbrennen.
Meine ganz hohe Schule war mein Vater.
Entgegen allen Ansichten, dass die Kinder sich alles abgucken, was die Erwachsenen machen (siehe Beobachtungslernen), habe ich mir gerade durch seine cholerische Umgangsweise ein Schutzschild und Selbstbeherrschung antrainiert. Das heißt: Er ging ab und schrie rum, ich wurde immer ruhiger und agierte mit Bedacht. Ich habe euch in einem anderen Beitrag mal erzählt, warum ich keine Angst hatte: Ich konnte absolut sicher davon ausgehen, dass ich körperlich unversehrt bleiben würde. Und auch wenn seine Ausraster alles andere als gewaltfrei waren, verzichtete er generell auf Beschimpfungen und Beleidigungen. Na gut, Beschuldigungen gab es immer noch genug – aber hey, dachte ich mir, tut es weh, Schuld zu sein? Nö. Also mal ganz ruhig bleiben.
Natürlich hat alles auch in mir Spuren hinterlassen, ich bin kein Fan von der „mir hat’s auch nicht geschadet“-Philosophie. Aber, wie fast alles im Leben, hat es mir auch was Gutes gebracht: Die Fähigkeit, mich nicht allzu sehr provozieren zu lassen. Schon gar nicht von Menschen, die wütend, aggressiv oder… hungrig sind. Meine Carina ist ein Paradebeispiel für „Hangry“, der Mix aus „hungrig“ und „wütend“.
Und damit wären wir schon bei den kreativen Tricks und Tipps für bessere Impulskontrolle – für sich und die Familie:
1. Wir kennen unsere „Trigger“ und was dagegen wirkt
Bei Carina ist, seit sie Baby war und jetzt immer noch als junge Erwachsene, Hunger ein Riesenproblem: Einfach ein Stück Brot oder einen Apfel dabei haben hilft! Und das am besten bei den ersten Anzeichen.
Mein Mann Oliver ist der „Tit-for-Tat“-Typ, er eskaliert schnell in Dialogen, vor allem wenn jemand versucht, ihn für etwas ungerechterweise zu beschuldigen. Bei ihm ist der Adrenalinspiegel von null auf Schnapp in 15 Sekunden. Erstens hilft es, da nicht noch einen drauf zu setzen (wie ich das kann, kommt als nächstes, der Trick mit dem Pingpong-Ball). Und wenn ein Bett, Sofa oder nur eine Parkbank irgendwie vorhanden ist, hilft eine Rückenmassage. Entspannt ihn total. Interessanterweise mich auch als Massagegeberin. Ich reagiere mich halt an seinem Rücken ab.
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Ich bin noch gegenüber einer bestimmten Person nachtragend (ähnlich wie Mounia), und verfalle schnell ins Rohrspatzen dazu – auch wenn ich lieber ganz Zen wäre. Da hilft mir am meisten Bewegung, um nicht an sie weiter zu denken, wenn sie erwähnt wird. Tanzen oder Sport. Zur Not: Aufstehen, Strecken, Hüpfen, irgendwas.
3. Reaktionsstopp-System bei Provokation
Erstens, durch die Gewaltfreie Kommunikation und die Erklärungen von mindfulsun wissen wir doch, dass „provoziert sein“ ein Pseudo-Gefühl ist und kein echtes. Am besten ist es, kurz inne zu halten, und sich zu fragen: Was für ein Bedürfnis von mir ist jetzt nicht erfüllt? Na super, wenn ich so weit komme, dass ich ins Reflektieren komme, dann ist eh alles geritzt.
Die Schwierigkeit ist, die Reaktion zu verzögern.
Wenn ich es schaffe, habe ich ein Bild vor Augen, das mir hilft, die Reaktion zu bremsen: Ich stelle mir ein Ping-Pong-Spiel mit dem Anderen vor. Und wenn der Schlagabtausch stressig ist, fange ich einfach den Ball auf, anstatt ihn zurück zu schlagen. Schaue ihn mir an. Drehe ihn in der Hand. Nein, ich muss nichts sagen. Ich kann auch ein wenig warten. Nicole Staudinger, die Queen der Schlagfertigkeit, empfahl auf einer Konferenz, Angriffe mit zwei Silben zu begegnen: Ach so. Ach was. So, so. Guck an. Das gehe ich innerlich mit dem Ping Pong Ball durch. Meistens klappt es.
2. Gefühle zulassen, aber nicht auf andere auskippen
Da bekommen wir garantiert ein wenig mehr von mindfulsun dazu erzählt. Was bei mir funktioniert und auch im Umgang mit meinem Kind immer gut funktioniert hat, ist mir (oder eben ihr) zu sagen: Das Gefühl ist OK. Wütend sein, traurig sein, frustriert sein, etc. ist völlig OK! Das sagt mir, dass ich was brauche. Und nun: Braucht mein gegenüber die Gefühlsdusche? Meistens nicht…
…oder vielleicht doch: Als Carina vor Jahren völlig verzweifelt und in Tränen aufgelöst an einem französischen Flughafen war und mich anrief, weil sie ihre Bordkarte verschusselt hatte, sagt ich ihr: „Mein Schatz, wenn du mir das auf Deutsch vorheulst, bekommst du Trost von mir. Wenn du allerdings zum Flughafen-Management und das einem netten Menschen auf Französisch vorheulst, helfen sie dir vielleicht….“ Sie tat es und kam doch mit.
3. Aus der Situation ausbrechen, aber vorher Bescheid sagen
Das funktioniert mit und für kleine Kinder weniger, aber grundsätzlich schon: Raum verlassen, Position wechseln, sprich auf einen Stuhl oder Bank steigen, oder sich mal auf den Boden setzen, hocken oder hinlegen.
Wichtig dabei ist: Kurze Ansage. Sonst kann es schnell rüberkommen als „silent treatment“ – Bestrafung mit Schweigen.
Es gibt bestimmt noch mehr und ich würde mich freuen, wenn auch ihr eure Ansichten und Tipps verratet.
Und vielleicht habt ihr auch Fragen zur Impulskontrolle?
Liebe Grüße,
Béa