Ich bin dankbar für die Scheidung meiner Eltern
Wenn Familien sich entzweien, kann es tragisch sein. Eltern trennen sich, Besitz wird aufgeteilt und Kinder sehen ihr anderes Elternteil nur alle zwei Wochen. Das wäre die klassische Scheidung wie sie im Buche steht. Aber es gibt auch andere Scheidungspaare.
Meine Eltern waren solche Paare.
Sie waren zwar schon jahrelang zusammen, aber ganz klassisch kamen mit den Kindern die „richtigen“ Probleme: Erziehungsmethoden, Aufteilung der Arbeit, Alltagsstress, zu wenig Ventile.
Meine Eltern liebten sich, aber sie waren nicht mehr glücklich. Sie taten nichts anderes als sich zu streiten, zu ignorieren, zu vertragen und wieder zu streiten. Ich war noch sehr jung, aber ich erinnere mich trotzdem gut daran, wie mein Vater jedes Mal wutentbrannt aus der Wohnung stürmte, obwohl er eigentlich der friedvollste Mensch auf der Welt ist und ihn nichts auf die Palme bringen kann. Bis auf meine Mutter eben. Und andersherum genauso.
Irgendwann kam die Trennung.
An diese erinnere ich mich tatsächlich nicht mehr, aber mein Vater hatte mir erzählt, dass ich auf seinem Schoß saß, während er es mir vorsichtig sagte und er irgendwann spürte, wie leise Tränen auf sein Knie fielen. Um seiner Kinder Willen versuchte er es also erneut mit der Ehe, doch es funktionierte trotzdem nicht. Es lag ja nicht an uns, sondern daran, dass sie sich liebten, aber trotzdem nicht zusammenpassten.
Irgendwann kam dann die endgültige Trennung.
Und diese haben meine Eltern gut gemeistert. Obwohl mein Vater kurze Zeit später in eine andere Stadt ziehen musste, kam er trotzdem jedes zweite Wochenende vorbei und verbrachte das Wochenende mit uns. In den Ferien fuhren wir zu ihm und blieben zwei, manchmal sogar vier Wochen am Stück bei ihm. Wir telefonierten regelmäßig, eine Tradition, die sich 20 Jahre später bis heute bewahrt hat.
Meine Eltern verstehen sich seit der Scheidung viel besser.
Ich würde sogar soweit gehen und sagen, dass sie Freunde geworden sind. Manchmal wird ein Elternteil zum Geburtstag des anderen eingeladen und manchmal verbringen wir sogar Weihnachten zusammen. Sie „hassen“ sich längst nicht mehr, aber sie könnten auch nie mehr wieder zusammenkommen.
Ich bin dankbar für die Scheidung meiner Eltern.
Ich bin dankbar, dass sie uns nicht länger dieses Familienleben vorgespielt haben. Obwohl ich nicht verheiratet bin, weiß ich trotzdem, dass eine Ehe nicht so schmerzhaft sein muss.
Und man tut seinen Kindern keinen Gefallen, in dem man eine falsche Fassade aufrechterhält oder sie gar aufschnappen, dass eine funktionierende Ehe nur „so“ funktioniert – mit Streit, Intrigen und jede Menge Geheule.
Jetzt, wo ich selbst erwachsen bin, finde ich Scheidungen überhaupt nicht mehr schlimm – im Gegenteil. In unserer Zeit, in der sich jede zweite Ehe auflöst, gehören sie schon fast dazu. Scheidungen sind nichts Schlimmes. Sie sind kein persönliches Versagen und auch nicht der gesellschaftliche Weltuntergang. Glücklicherweise leben wir in einem Jahrhundert (und einem Land), in dem Scheidungen so problemlos funktionieren und sich unglückliche Paare aus einer toxischen Ehe auflösen dürfen!
Daher noch ein letztes Mal:
Ich bin dankbar für die Scheidung meiner Eltern! Sie haben nicht nur ihnen selbst, sondern auch ihren Kindern etwas Gutes getan!
Sind auch Menschen unter euch, die das gut gelöst haben? Als Paar? Oder denen es wie mir geht?
Liebe Grüße,
Mounia
- 03. Apr 2019
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