Kinderreich alleinerziehend – der unmögliche Spagat zwischen Großfamilie und Vollzeitjob


Wir sind eine Randgruppenfamilie: Ich, allein mit 4 Kindern. „Kinderreich alleinerziehend“ zählt man schon zu den besonders von Armut bedrohten. Einfach ist es wirklich nicht. Zum Glück war es mir immer wichtig selbstbestimmt zu bleiben, und so bin ich nach den Geburten meiner Kinder selten länger als ein Jahr zu Hause geblieben…

Das war auch dringend nötig, denn immer schon nach kurzer Zeit im Babyjahr stellte sich bei mir dieses unbehagliche Gefühl vollkommener Verblödung ein.

Dabei hatte ich immer im Hinterkopf, dass mir meine schwer erkämpfte Autonomie einmal nützen würde.

Vor drei Jahren hatte ich den Entschluss gefasst, unser Leben ohne meinen damaligen Mann weiterzuleben. Ich wusste, dass damit ein finanzieller Drahtseilakt auf mich zukommt, aber ich hatte es mir lange und sehr genau überlegt.

Ich hatte meinen 30-Stunden-Job, wenn auch nur zum Mindestlohn. Und ich hatte das Kindergeld. Wohngeld und Unterhaltsvorschuss für die beiden Kleinen noch dazu und es sollte funktionieren. Und das tut es tatsächlich. Nur Urlaube und Unternehmungen sind damit nicht drin. Aber die waren auch vorher schon Mangelware.

Aber was, wenn das mit der staatlichen Hilfe mal doch nicht so reibungslos klappt?

So geschehen im letzten Sommer. Meine älteste Tochter machte ihr Abitur, wurde 18 und zog für ein FSJ in eine andere Stadt. Gleichzeitig kam das neue Unterhaltsvorschussgesetz und damit nun auch für meine 14-Jährige Geld vom Jugendamt. Dafür fiel der Kinderzuschlag weg.

Die Sache klingt gut, hat aber einen Haken: Unterhaltsleistungen erhöhen das Einkommen und werden beim Wohngeld ganz anders berücksichtigt als Kindergeld und Kinderzuschlag, die ja als Steuerentlastung für uns Eltern gedacht sind und anrechnungsfrei bleiben. Von heute auf morgen fielen dadurch 60 % meines Wohngeldes weg.

Die Kindergeldkasse brauchte übrigens ein halbes Jahr, um den Kindergeldanspruch für meine Älteste neu zu prüfen. Die Nachzahlung konnte sich sehen lassen.

Bis dahin war das Kind aber längst in den Brunnen gefallen.

Beinahe handlungsunfähig bin ich mit meinem riesigen Problemberg zu meinem Chef gegangen. Wir haben gemeinsam überlegt und verhandelt. Herausgekommen sind 30 Prozent mehr Brutto für 20 Prozent mehr Arbeit. Sollten die Wohngeldzahlungen mal wieder ins Stocken geraten, tut es also hoffentlich nicht mehr ganz so weh.

Nur von meiner Zeit für die Familie ist jetzt noch weniger übrig – das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Familienzeit ist ganz schön aus den Fugen geraten.

Meine Kinder sehe ich morgens nur kurz zwischen Aufstehen und Aufbruch zur Schule. Übel gelaunt, weil allesamt Morgenmuffel. Oft mache ich morgens noch schnell irgendwas im Haushalt – der allein wäre schon einen Vollzeitjob wert – und dann muss ich auch schon selber los. Um 8 Uhr beginnt mein Arbeitstag im Büro. Gegen 17 Uhr, manchmal auch erst 17:30 Uhr, bin ich wieder zu Hause und werde ich bereits sehnsüchtig erwartet.

Alle wollen von ihrem Tag erzählen, brauchen noch Hilfe bei den Hausaufgaben oder wollen einfach nur etwas von meiner Zeit. Nicht viel später gibt es Abendessen und um 20 Uhr geht es für die beiden Jüngeren langsam aber sicher Richtung Bett.

Am Ende eines jeden Tages hatte ich viel Zeit für meine Arbeit, aber nur halb so viel für meine Kinder. Ich werde das dumme Gefühl nicht los, wir sehen uns insgesamt viel zu selten.

Eure Doro

P.S. von Béa: Wie ist es bei euch? Macht ihr ähnliche Erfahrungen? 

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Doro
About me

Vom Stadtkind zur Landmama. Heimwerkerin und Basteltante, Bücherratte und Bilderdenkerin. Gnadenloser Optimist. Nachteule und Langschläfer. Immer neue Flausen im Kopf. Single-Mom in einem 4-Kinder-Haus und Vollzeit im Beruf. Büroflüchtling, wann immer ich kann. Verliebt in den Himmel und die Magie von Büchern ... Und irgendwann schreibe ich selbst ein Buch.

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