Leben teilen statt einsam weilen: Gehört die Zukunft dem Wohnen in Gemeinschaft? Und wie geht das überhaupt?


Ich habe gerade Baustelle über meinem Kopf. Aber so richtig! Das Geschoss über unserer Wohnung wurde einmal komplett rasiert, Wände raus, Dachstuhl neu, schicke Balkone angebaut… Total praktisch, denn jetzt brauche ich keinen Wecker mehr.

Raketenstart in den Tag? Garantiert, denn die morgendlichen Laute sind so intensiv, dass ich nicht nur schnellstmöglich das Bett sondern auch die Wohnung verlassen möchte. Auch spare ich mir die 200 Gänge mit der Gießkanne zur Küche um die Blümchen auf dem Balkon zu gießen – der wird nämlich durch die fehlende Regenrinne regelmäßig geflutet.

Und auch sonstige Überraschungseffekte kommen nicht zu kurz: Neulich als ich am Schreibtisch saß, rieselt sanft ein wenig Putz in meinen Nacken. Kurz darauf konnte ich durch die Zimmerdecke die Wolken ziehen sehen. Herrlich!

Ich merke: Überall wird momentan umgebaut, ausgebaut, neu gebaut…
Wieviele Kräne könnt ihr aus eurem Zuhause sehen?

Bauen heißt ja eigentlich: Da entwickelt sich was, da wird Platz geschaffen, da ist was in Bewegung (wenn auch seeeeehr langsam, siehe Flughafen BER)! Besonders die unbebauten Gebiete rund um Städte sind natürlich heiß begehrt: Wohnen im Grünen und trotzdem mit der S-Bahn in 20 Minuten in der Stadt? Schon ziemlich nice, keine Frage!

Aber das hat eben auch ökologische Folgen: Pro Tag werden in Deutschland fast 2 km2 Fläche zu Siedlungs- oder Verkehrszwecken verbraucht (Mehr dazu hier beim Umweltbundesamt). Kein Wunder, dass man auch vom Flächenfraß spricht.

Wenn wir so weiter machen haben wir irgendwann ein fettes Problem.

Denn die Fläche, die wir fürs Bauen verbrauchen, ist nun einmal begrenzt. Wir haben nicht unendlich viel Platz. Und den Platz den wir haben, brauchen wir, und vor allem unsere Kinder, zum Atmen. Wenn Flächen bebaut werden, dann wird eben auch wertvoller Boden versiegelt. Heißt:

Wir verlieren Ackerflächen.

Zerstören den Lebensraum von Tieren und Pflanzen.

Gefährden ihre Vielfältigkeit.

Und tragen dadurch dazu bei, dass das ökologische Gleichgewicht langsam kippelig wird.

Also, was heißt das: Aus der Traum vom Partykeller? Dem begehbaren Kleiderschrank? Der Küche in der man tanzen kann?

Und vor allem: Was gibt es denn für Alternativen?  Wo sollen wir in Zukunft wohnen? Und wie? Welche nachhaltigen, alternativen Wohnformen gibt es?

Béa hat euch schonmal diesen coolen Artikel über eine Bautechnik der Zukunft gezeigt (Häuser aus Lehm). Eine andere Form des nachhaltigen Wohnens habe ich in einem Seminar kennengelernt (ich studiere ja Geographie) – Und weil ich es so spannend finde, will ich sie euch einmal vorstellen:

Es geht um gemeinschaftliche Wohnprojekte!

Habt ihr davon schon einmal gehört? Im europäischen Vergleich ist Deutschland zahlenmäßig tatsächlich ein Vorreiter wenn es um gemeinschaftliche Wohnprojekte geht – yeah! Das sind organisierte, oft sehr durchmischte Gruppen von Menschen – Singles, Familien, Alleinerziehende, Senioren, die den Wunsch haben, in Gemeinschaft zu leben. Manche bauen zusammen, andere krempeln ein altes Bürogebäude in ein großes Wohnhaus um. Manche verfolgen gemeinsam ambitionierte, nachhaltige Ziele, anderen geht es vor allem darum nicht alleine zu altern.

Sie wollen mehr als „nette Nachbarschaft“, wo man sich mal den Rasenmäher leiht oder Eier zum Kuchen backen holt.

In gemeinschaftlichen Wohnprojekten werden Räume geteilt. Zum Beispiel die Küche. Das Esszimmer. Das Fernsehzimmer. Der Garten. Oder Dinge für den täglichen Gebrauch: Die Waschmaschine, Fahrräder, Gartenstühle, den Wischmob. Allein in Berlin gibt es super viele Wohnprojekte, darunter eine Wohngemeinschaft mit dem Namen:

LaVidaVerde, im Berliner Weitlingkiez.

Dort wohnen aktuell 24 Erwachsene zwischen 30 und 80 Jahren und 12 Kinder gemeinschaftlich in einem Haus mit vielen Wohnungen:  Singles, Paare, Familien und WG’s. Im Erdgeschoss gibt es eine große Gemeinschaftsfläche mit Küche, Büro, einem Veranstaltungsraum und einer Gästewohnung. Geteilt wird alles mögliche: Fahrzeuge, Werkzeug und die einzige Badewanne im Haus. Sie haben ein Energie-Plus Haus gebaut, also ein Haus, dass mehr Energie generiert als es verbraucht. Und obwohl neu gebaut wurde war es der Wohngruppe wichtig, flächensparend zu bauen, zum Beispiel durch Laubengänge.

Sie teilen sich auch einen großen Garten mit Gemüsebeet, Spielwiese und Feuerstelle. Alle Bewohnerinnen und Bewohner sie gleichermaßen verantwortlich für die Verwaltung und Organisation des Hauses – klingt nach Mitbestimmen, ist aber bestimmt auch herausfordernd! Entscheidungsprozesse sind manchmal ziemlich langwierig, schreiben sie auf ihrer Webseite. Toll aber zu sehen, dass es trotzdem möglich ist, einen Konsens zu finden!

Was ich daran echt cool finde? Was gemeinschaftliche Wohnprojekte nachhaltig macht, ist vor allem das Teilen!

Zusammen ne Waschmaschine anschmeißen? Spart Energie!

Gemeinschaftsküche am Start? Spart Fläche!

Wir kaufen zusammen ein Trampolin für die Kids? Spart Ressourcen!

Leider schwingt beim nachhaltigen Lebensstil oft noch dieses „Ich muss verzichten“ mit. Bei den Wohnprojekten die ich mir angeschaut habe hab ich aber vielmehr den Eindruck:

Es ist ein Dazugewinnen: an Unterstützung im Alltag, Beziehungen auf die man sich verlassen kann, an Zeit, weil man nicht alles selbst machen muss.

Gerade in einer Zeit und einer Welt, wo sich viele Menschen isoliert und einsam fühlen scheint mir diese Wohnform eine tolle, nachhaltige Alternative zum Eigenheim zu sein.

Denkt ihr das auch? Kennt ihr solche Wohnprojekte? Oder seid ihr vielleicht selbst Teil davon? Was wäre für euch wichtig, um solch eine Wohnform für euch persönlich in Betracht zu ziehen?

Viele Grüße

Eure Larissa

Larissa
About me

Studentin, Mentorin, Potenzialentfalterin. Lebt leicht. Liebt alles was mit Entwicklung zu tun hat: Schule, Menschen, Städte... und Blumen! Familienmensch. Hat große Träume für die Bildungslandschaft. Und ein überdurchschnittlich hohes Bedürfnis nach Schnörkeln.

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1 Kommentare

Tine
Antworten 6. August 2021

Ja, ich kenne solche Wohnformen und wir hatten auch letztens überlegt, ob wir in ein inklusives Wohnprojekt (zusammen mit meinen Schwiegereltern und der behinderten Schwester meines Mannes) einsteigen. Wir haben uns letztendlich dagegen entschieden. Ich denke, so etwas ist nichts für jedermann.

Vor allem hat uns gestört, dass wir alles mögliche hätten teilen müssen (Küche und Bad teilen ist für mich z.B. ein absolutes No-Go!, besonderes da jeder das Thema Sauberkeit und Ordnung anders definiert). Und das man sehr sehr wenig Privatsphäre hat finde ich auch problematisch. Manche stört das nicht, aber da wir drei Kinder mit besonderen Anforderungen haben, möchte ich da niemand nerven und ich will auch nicht, das uns jemand reinredet. Und das wäre sicher in irgendeiner Form vorgekommen.

Antesten kann man solche Projekte ja z.B. in einem gemeinsamen "nähere und weitere Familie" - Urlaub: Wir sind da schon nach einer Woche am Ende der Kräfte... 🙂

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