Vom Teilen und Teilen müssen
„Das Kind muss auch mal lernen zu teilen!“ hören oder gar denken wir oft. Unsere Kolumnistin mindfulsun hat meiner Meinung nach wichtige Gedanken zum Thema Teilen müssen und Teilen lernen:
Zu meinem letzten Artikel zum Thema „Grenzen setzen“ kamen auch einige Kommentare zum Thema „Teilen“. Und heute möchte ich darüber schreiben, was für mich „teilen“ mit Grenzen zu tun hat.
Und eigentlich könnte ich das in einem Satz schreiben:
„Etwas teilen, hat für mich nichts mit einer Grenzüberschreitung zu tun.“
Wo es, in meinem Empfinden, zu Verwechslungen kommt:
Jemanden zwingen oder gezwungen werden etwas herzugeben, ist eine Grenzüberschreitung.
Sich einfach etwas nehmen, vielleicht sogar ohne darum zu bitten und die Erlaubnis zu erhalten, ist für mich eine Grenzüberschreitung.
Teilen ist für mich etwas Gutes! Es fühlt sich wunderbar an, etwas mit jemandem zu teilen – Teilen ist für mich ein Geschenk für beide.
Wie oft spielt beim Thema „Teilen“ Höflichkeit eine Rolle? „Das gehört sich so!“
Wie oft, auf der anderen Seite, habe ich auch gehört: „Du musst nicht teilen, wenn du das nicht willst.“
Hier kann ich nur bitten, mehr auf die Wortwahl zu achten.
Die Worte teilen und müssen, passen für mich nicht gut zusammen. Denn was mir wichtig war, meine Kinder sollen gern teilen.
Für mich bedeutet „lernen zu teilen“ auch: Ich lerne, die Bedürfnisse von anderen zu erspüren – Empathie – und es zeigt, dass Bedürfnisse auch erfüllt werden können. Hier komme ich wieder auf die Unterscheidung vom Anfang: Teilen! Nicht wegnehmen oder gezwungenermaßen hergeben.
Ich spreche auch davon, einen respektvollen Umgang miteinander zu lernen.
Natürlich habe ich auch Fehler gemacht, als meine Jungs klein waren, war ich noch nicht so achtsam.
Ich habe mich oft erweichen lassen, besonders wenn der jüngere Bruder geweint hat. Und dann habe ich den Großen gebeten, jetzt doch bitte das Spielzeug dem Kleinen zu geben. Wenn ich heute ehrlich zu mir bin, war auch ein Grund, dass es mir schwer gefallen ist den traurigen Bruder zu sehen. (Der Altersunterschied meiner Kinder beträgt 6 Jahre)
Dabei wäre es wichtig gewesen, dem Kleinen mit seiner Traurigkeit zu helfen: „Ich weiß, es fühlt sich nicht gut an zu warten.“
Und dem Großen einfach seine Zeit mit dem Spielzeug zu lassen. Denn er liebt seinen Bruder und hätte irgendwann freiwillig geteilt.
Kinder finden auch Lösungen, die uns Erwachsenen vielleicht in diesen Momenten überhaupt nicht einfallen würden. Teilen kann dann nämlich auch ein gemeinsames Spiel werden, Kinder finden vielleicht ähnliches Spielzeug und bieten es dem anderen Kind gerne an oder sie verhandeln darum und finden andere Möglichkeiten. Das ist ein gesundes aufeinander Zugehen und auf die Bedürfnisse aller zu achten.
Und natürlich kommt es sicher auch darauf an, mit wem wir teilen. Wenn mich ein fremder Mensch fragt, ob er mal mein Telefon benutzen darf, wäge ich ab. Bei Freunden ist das etwas anderes!
Wenn also ein fremdes Kind auf dem Spielplatz fragt, ob es mal die Schippe haben darf, dann ist es vielleicht erst mal mit etwas Zurückhaltung verbunden, sie rauszurücken. Genauso ist es mit Lieblingssachen. Davon trennen sich viele schwerer, auch wenn es nur vorübergehend ist.
Zum Thema teilen gehört für mich auch, Bedürfnisse zu formulieren.
Lernen, dass es auch mal ein „Nein“ geben kann.
Aushalten können zu warten, bis das Kind an der Reihe ist. Den Impuls zu unterdrücken, sich einfach zu nehmen, was jemand gerade will. Böse zu werden, wenn ich es nicht bekomme. Enttäuschungen sind in dieser Situation auch ok! Nur hauen, verbal ausfallend werden, geht für mich nicht.
Und die andere Seite: Wohlfühlen, wenn geteilt wird. Es aus freien Stücken tun, und das immer wieder. Denn dieses Gefühl zu wiederholen, ist toll!
Die Situationen, in denen ich als Mutter meine Kinder aufgefordert habe zu teilen, habe ich ihnen dieses schöne Gefühl auch manchmal genommen und dafür das Gefühl gegeben, verärgert zu sein oder sich vielleicht sogar machtlos zu fühlen. Das war dann eher ein gezwungen hergeben müssen und kein teilen.
Als Mutter sehe ich mich hier ein einer begleitenden Rolle und nicht in einer autoritären- meine Kinder zu irgendwas zu zwingen.
Und das zu lernen, ist ein Prozess, für alle Parteien. Denn ich als Mutter hätte auch lernen müssen, mich mehr zurückzunehmen und unangenehme Situationen auszuhalten. Ich wollte Frieden, Ruhe, keine Tränen und bin – aus heutiger Sicht- zu oft dazwischen gegangen.
Wenn ich noch mal von vorne anfangen würde, mit den Jungs?
Natürlich würde ich meine Kinder nach wie vor darin bestärken, zu fragen, wenn sie etwas möchten. Und ich würde zu beiden sagen, dass der eine sich die Zeit nehmen kann, die er möchte und der andere ist danach dran. Bei kleineren Kindern würde ich auch die „Wartezeit“ auf das heiß ersehnte Spielzeug mit ihm überbrücken.
Empathie spielt hier für mich eine große Rolle, auch für mich als Mutter. Beide Bedürfnisse berücksichtigen und ihnen auch helfen, mit den jeweiligen Gefühlen umzugehen.
Ich kann mich noch gut an etliche ungeduldige emotionale Szenen erinnern, wenn einer von beiden nicht bekommen hat, was er wollte.
Auf Spielplätzen ist es für mich ähnlich: Gerade mit fremden Kindern braucht es vielleicht mehr Zeit, bis jemand bereit ist zu teilen. Fragen, ob das Kind etwas haben kann und das andere Kind darf auch Nein sagen.
Und natürlich, als Mutter bin ich dazwischen gegangen, wenn es zu Handgreiflichkeiten kam.
Unsere Spielplatz Zeit ist lange vorbei: Heute würde ich auch sehr genau auch auf mich und meine Reaktionen achten. Denn Kinder beobachten uns, auch in solchen Situationen! Wie Erwachsene dann untereinander damit umgehen, wenn eben etwas nicht (sofort) geteilt wird oder einfach genommen wird, ist wichtig. Wir leben unseren Kindern so viel vor.
Fazit: Es dauert vielleicht, bis Kinder die richtige Balance finden. Es kann auch mal hitzig hergehen, daraus können alle auch lernen. Wichtig ist für mich: Wenn Kinder erleben, wie schön es sein kann zu teilen, tun sie das und zwar dann, wenn sie bereit sind.
Teilen ist ein schöner Moment, genau wie wir schöne Momente auch teilen können.
Wie steht ihr zum Thema teilen? Empfindet ihr das als Grenzverletzung und wie bringt ihr euren Kindern dieses Thema nah?
Eure
mindfulsun
- 30. Sep 2019
- 2 Kommentare
- 6
- Empathie, Geschwister, geschwisterstreit, Manieren, Teilen, Teilen müssen
Esther
26. Oktober 2019Da gehe ich mit.
Grundlegend kam mir schon oft der Gedanke, dass wir Kinder zu wenig als gleichwertige Gegenüber behandeln und ihnen manchmal unsere Ansichten aufzwingen. Danke für die Bestärkung darin.