Mit den Eltern über ihr Ableben reden


Okay, ich bin ehrlich. Mehr graut das Thema. Mir graut es schon die Überschrift zu lesen, und doch finde ich es unendlich wichtig. Mit den Eltern über ihr Ableben reden macht uns zwar Angst, aber in diesem Beitrag möchte ich erklären, warum wir es trotzdem tun sollten.

Irgendwann müssen wir alle sterben.

Wir wissen es, und doch tun wir so, als wäre es nicht so. Wir reden nicht darüber, nie. Das liegt vermutlich daran, dass wir den Tod nie als Teil des Lebens sehen – sondern lediglich als unausweichliche Enden.

Wenn Menschen sterben, ist das tragisch. Wir trauern und weinen, wir sind schockiert und entsetzt, egal. Und wenn es schließlich passiert, fallen wir aus allen Wolken, weil wir nicht fassen können, dass dieser Mensch wirklich nicht mehr existiert.

Dabei haben wir alle schon Berührungen mit dem Tod gehabt. Die meisten von uns waren schonmal auf einer Beerdigung Oder haben zumindest mal ihr Haustier beerdigt (auch wein spannendes Thema, aber dazu ein anderes Mal mehr!). Wir kennen die Beileids-Riten, wissen, wie man sich zu verhalten hat, und doch wird es nie leichter.

So, und nun zu dem Thema, vor dem es mir jetzt in diesem Moment beim Schreiben Gänsehaut bereitet.

Irgendwann müssen unsere Eltern sterben.

Einige haben diese Erfahrung zu früh gemacht, aber um ehrlich zu sein, glaube ich, dass man als Kind nie so weit ist, seine Eltern gehen zu lassen. Zwar wissen wir, dass es unausweichlich ist, doch wir beschäftigen uns nicht damit.

Als mein Vater mir vor ein paar Jahren sagte, dass ich nach seinem Tod dies und das tun sollte, unterbrach ich ihn sofort, und bat ihn, mit dem Thema aufzuhören. In meinem Bauch war bereits ein faustgroßes Magengeschwür, und bevor ich zu losheulen drohte, wechselte ich schnell das Thema.

Leider ist meine Mutter genauso. Immer wieder fängt sie davon an, darüber zu reden. Es hat sich sogar zu einer Art Tradition entwickelt, dass sie mir immer, bevor sie in den Urlaub fährt, die folgenden Phrasen an den Kopf wirft. „Denk an das, worüber wir geredet haben. Pass auf deine Schwester auf. Und kümmere dich um dies und das. Und vergiss auch nicht xy.“

Wer sich jetzt fragt: Warum ausgerechnet vor dem Urlaub? Vor einigen Jahren wäre meine Mutter im Urlaub einmal fast … ich kann es nicht mal denken, aber ihr wisst, was ich meine. Seitdem aber diese kleine Tradition.

Doch um ehrlich zu sein hörte ich ihr nie wirklich zu – weder ihr noch meinem Vater. Weil ich nicht konnte. Es war einfach zu schmerzhaft, überhaupt darüber nachzudenken.

Und das war falsch. Denn mir reichlicher Verspätung ist mir jetzt einiges klar geworden.

1. Ohne Kommunikation weiß ich nicht, was sie sich wünschen.

Meine Eltern verdienen es, dass ich nach ihrem Ableben ihren Wünschen nachkomme. Wie möchten sie beerdigt werden? Wo möchten sie beerdigt werden? Was ist mit Organspende? Und so weiter und so fort.

2. Worst Case-Szenarien sollten im Vorfeld versprochen werden.

Es könnte der Moment kommen, in dem meine Schwester und Entscheidungen treffen müssen, beispielsweise, was die medizinische Versorgung angeht. Doch wie soll ich eine rationale Entscheidung treffen, wo ich doch mit Sicherheit zerrissen und voller Hoffnung sein werde? Deshalb ist es wichtig, im Vorfeld darüber zu sprechen, damit man vorbereitet ist, und den Wünschen meiner Eltern entgegenzukommen.

3. Mit den Eltern über ihr Ableben reden ist nicht nur eine Vorbereitung für sie, sondern auch für die Kinder.

Den Gesprächen über den Tod ständig auszuweichen, bringt auf Dauer nichts (schreib sie, und machte sich vor Angst dabei fast in die Hosen). Es ist wichtig über ihn zu reden, da nicht nur die Eltern, sondern auch die Kinder sich ein wenig darauf einstellen können. Wenn es passiert, wird es auch so tragisch genug sein, aber vielleicht wird es einem weniger den Boden unter den Füßen reißen.

4. Es wird keine offenen Fragen geben.

Ich persönlich wäre noch immer heillos überfordert, wenn es passieren würde. In meinem Kopf wären viele offene Fragen, auf die ich niemals eine Antwort bekommen würde. Umso wichtiger ist es, weniger zu spekulieren, als mehr die wichtigen Fragen noch rechtzeitig zu stellen. Es ist gruselig, aber auch wichtig.

Puh, an dieser Stelle mache ich besser mal einen Punkt, weil mein Herz so schnell rast, als wollte es von mir davon fliehen. Wie ihr euch bereits denken könnt, ist das Thema Tod für mich ein sehr, sehr wunder Punkt. Vielleicht bin ich auch übersensibel, was das Thema angeht, aber nachdem ich damals bei dem fast-Unfall um ein Haar meiner Mutter verloren hätte, prägt mich das Thema umso mehr.

Keine Angst vor Aberglaube

Einen Aspekt möchte ich abschließend noch einbringen. Ich bin zwar nicht hardcore abergläubisch, aber ein Teil von mir fürchtet trotzdem manchmal, dass ich mit diesen Gedanken das Schicksal herausfordere. Ich weiche dem Thema aus, weil ich fürchte, dass es dann erst recht passiert – was natürlich völliger Quatsch ist. Nur weil ich heute darüber rede, bedeutet das nicht, dass es morgen passieren wird. Es könnte natürlich, aber das könnte es jeden Tag. Das Leben ist nicht vorhersehbar. Wir wissen nicht, wann es passiert, aber im Idealfall wäre es toll, ein Stück weit darauf vorbereitet zu sein. Was bürokratische Sachen angeht, zumindest. Mental ist das natürlich eine völlig andere Sache.

Uuuund – bevor ich es vergesse:

Wenn ich von Kindern spreche, dann meine ich große Kinder. Kleine sollten meiner Meinung nach nicht mit diesem Thema belastet werden, da das schlimmste für Kinder ist, die eigenen Eltern zu verlieren. Dann vielleicht eher das Gespräch mit den Angehörigen führen oder einen Brief schreiben!

Fallen euch noch weitere Gründe ein, warum es wichtig ist, mit den Eltern über ihr Ableben reden? Und ab welchem Alter findet ihr das richtig?

Übrigens haben wir das Thema schon häufiger im Blog thematisiert.

Mit Kindern über den Tod reden – ein Tipp von Béa und Buchempfehlungen aus der Community

Oma hat jetzt einen kleinen Garten – Doro spricht mit ihren Kindern über den Tod

Liebe Grüße
Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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