Wie reden wir mit Kindern über Selbstmord eines Elternteils? 5 Tipps der Community
Das Thema Tod ist für viele ein sehr großes Angstthema. Obgleich er irgendwann kommen wird, so reden wir nicht gerne über ihn. Er reißt einen Menschen fort und dann sieht man ihn nie wieder. Wir geben euch hier ein paar Tipps ihr mit Kindern über Selbstmord eines Elternteils (oder auch eines Familienmitglieds) reden könnt.
Uns erreichte vor einigen Tagen eine sehr traurige Nachricht. Eine, bei der ich gar nicht wüsste wie ich selbst damit umgehen, geschweige denn einem Kind erklären sollte. Eine Tollabea Leserin wandte sich neulich an uns wie sie ihrer 7-jährigen Stieftochter beibringen soll, dass ihre leibliche Mutter Selbstmord begangen hat. Sie bat um ein paar liebevolle Tipps für dieses schwere Thema, auch wenn sie viele Menschen um sie hat, die helfen:
„Wir haben den Kinderpsychologen, Erziehungshelfer, ihren Vater… Alle ziehen zusammen an einem Strang. Es ist also nichts überstürztes, unüberlegtes, sondern die Fragen einer 7-jährigen Tochter, die beantwortet werden möchte.“
Ganz ehrlich, als ich das gelesen habe, war ich für einen Moment völlig sprachlos. Wie furchtbar tragisch! Wie erklärt man einem Kind, dass seine Mutter gestorben ist? Und wie erklärt man einem Kind, dass seine Mutter nicht auf „natürliche“ Weise gestorben ist? Lügt man sie an? Bleibt man ehrlich? Schließlich ist sie erst 7!
Dieses Thema hat auch die Community in zwei große Seiten gespaltet. Die einen sagten, dass es besser wäre zu lügen, die anderen, dass die Wahrheit das Beste sei.Von all diesen habe ich ein paar wichtige Ratschläge zusammengefasst.
Hier 5 Tipps der Community, die wir mit Kindern über Selbstmord eines Elternteils sprechen.
1. Sucht euch psychologische Hilfe!
Eins vor weg. Wir leben im 21. Jahrhundert, einer Zeit, in der die Psychoanalyse schon seit geraumer Zeit existiert. Daher dürfen wir den Luxus von psychologischer oder therapeutischer Unterstützung gerne annehmen! Niemand muss da alleine durch. Das haben zum Glück viele von euch genauso gesehen.
Jen HofWag
Ihr könnt am besten mit einer Kinder- und Jugend Psychiatrie Kontakt aufnehmen und fragen wie sie das machen soll, damit bei dem Kind keine Schuld Gefühle entstehen.
Friederike Luise
Der AGUS e.V. (Angehörige um Suizid) kann hier garantiert sehr viel helfen! Die sind klasse und leisten tolle Arbeit! Anrufen oder auf die Webseite gehen, dort weiß man welche Worte die richtigen sind für ein kleines Mädchen.
Scho VA Ge
Ich kann die die Autorin Mechthild Schroeter-Rupieper, die Gründerin der Familientrauerarbeit und Familientrauerbegleitung empfehlen.
Wie gesagt, die Mutter hat diese Hilfe bereits zur Verfügung. Für alle, die das nicht haben, ist dies wirklich die erste Empfehlung: nicht alleine bewältigen!
2. Vermeidet das Wort „Mord“
Scho VA Ge
Ich mache das in meiner Praxis so, dass ich sie dabei unterstütze, ihre Gefühle und ihre eigene Sprache bzgl. Tod und Suizid oder die Krankheit zu reflektieren oder überhaupt zu finden. Dann helfe ich dabei, dass sie mal erst dem Kind sagen, dass Mama/ Papa gestorben ist. Das Wort „Selbstmord“ finden alle Angehörige unangemessen. Das Wort vermittelt dass derjenige ein „Mord “ begannen hat. Sie erklären es meisten so: ‚Der Papa war sehr krank und wollte nicht mehr leben. Er hat dann keine andere Lösung gefunden, als sein Leben zu beenden‘.
3. Mama war „krank“.
Charlotte Wapler
Ich würde auch eher sagen, dass Mama sehr krank war – das war sie ja vermutlich auch, wenn man bedenkt, dass fast alle Suizide aus einer psychischen Erkrankung entstehen. Und wenn das Kind etwas älter ist, kann (und sollte) sie das auch genauer erfahren, da ist es dann wohl eine der größten Herausforderungen, dass sie nicht lernt, es sei ein akzeptabler Weg, mit Schwierigkeiten umzugehen.
4. Eine Lektion fürs Leben: Es ist immer wichtig über Probleme zu reden
Yvonne Zwick
Kinder verstehen und verarbeiten oft mehr als wir. Ich würde der Maus sagen, dass ihre Mutter krank war und keine Hilfe annehmen konnte. Und das sie sich nicht anders zu helfen wusste als zu den Engeln zu gehen. Im gleichen Zug würde ich ihr sagen, dass es aus dem Grund umso wichtiger ist, über Probleme zu reden, weil man es mit Hilfe immer leichter schaffen kann, Probleme zu lösen. Viel Kraft der bleiben Familie und vor allem den Kind.
5. Die Wahrheit ist vielleicht am besten…?
Ich habe mal ein Seminar von Karen Glistrup – die sich speziell mit dem Thema Kommunikation mit Kindern auseinandergesetzt und darüber Bücher geschrieben hat – besucht. Sie sagt, dass JEDE Wahrheit für ein Kind besser ist als die Unwahrheit. Es ist natürlich wichtig, die richtigen Worte zu finden und ganz wichtig, den Kindern die (automatisch kommenden) Schuldgefühle zu nehmen. Ihr Buch „Was ist bloß mit Mama los“ (affiliate Link) kann beim Gespräch hilfreich sein. Alles Gute in dieser schwierigen Zeit!
Und das waren die 5 Tipps der Community, die wir mit Kindern über Selbstmord eines Elternteils sprechen.
Vorsicht bei vorschnellem Urteilen!
Abschließend muss ich auch kurz meinen Senf zum Thema Suizid geben. Selbstmord wird immer sehr schlecht geredet. Es wird als unverantwortlich und egoistisch empfunden. Es ist ja auch tragisch und traurig und wühlt uns alle auf. Aber Menschen die Selbstmord begehen, geht es nicht gut. Wir sehen es selten, weil die Wunden sich durch ihre innere Seele bahnen. Oftmals lächeln sie, während sie innerlich weinen. Viele sagen zwar, dass sie sich freiwillig dafür entschieden haben, aber stimmt das wirklich? Ich glaube nicht.
Menschen mit beispielsweise Depressionen haben sich die Krankheit nicht ausgesucht. So auch nicht ein Krebspatient, aber für diesen bringen wir mehr Verständnis auf, wenn der Krebs ihn besiegt. Aber wenn eine Depression wie ein seelisches Krebsgeschwür zu vergleichen ist, das die Seele so sehr angreift und in den Selbsttod treibt, weil er einfach nicht mehr kann, dann ist das für mich fast das Gleiche.
Psychische Krankheiten sind noch immer ein Phänomen, das viele nicht ernst nehmen wollen. Und ich finde es wichtig, diese als gleichermaßen gefährlich anzuerkennen! Also Vorsicht bei vorschnellem Urteilen. Vor allem wenn Kinder diesen Einfluss aufschnappen.
Habt ihr noch weitere liebe Tipps für uns? Oder andere Fragen, die wir weitergeben sollten?
Liebe Grüße,
Mounia
Übrigens, zum generellen Thema „Mit Kindern über den Tod reden“ haben wir auch bereits geschrieben.
Nicole
27. August 2019Danke für diese wertvolle Auflistung.
Ich und meine Tochter sind selbst betroffen und ich schreibe darüber in meinem Blog. Besonders folgender Beitrag beschäftigt sich mit dem Thema Trauern oder auch Nachtrauern bei Kindern: https://green-woman.de/2019/04/17/von-fliegenden-urnen/
Wenn ihr weitere Infos braucht, kontaktiert mich gerne.
Sarah
21. April 2020Ich bin sehr froh, dass dieses Thema angesprochen wird. Ich bin selbst im pädagogischen Bereich tätig und ich finde es immer wieder beachtlich wie viele Eltern glauben durch das Verdrängen unangenehmer Themen ihre Kinder vor Unheil bewahren zu können! Mitnichten, glaube ich! Viel besser empfinde ich, mit einem Kind auch über schlimme Ereignisse und Themen sachlich und kindgerecht zu sprechen und ihnen gleicherzeigt Bewältigungsstrategien zu vermitteln und ihnen jederzeit als Bezugsperson bei Rückfragen und Sorgen zur Verfügung zu stehen. Diese Themen sind ein Teil des Lebens. Es kann zum Beispiel vorkommen, dass sich eine Mitschülerin das Leben nimmt. Ich halte es von daher immer besser, Kinder altersentsprechend aufzuklären, damit ich diese keine zu große Handlungsunsicherheit aufweisen, wenn sie mit so einer Situation direkt/indirekt konfrontiert sind.
Sara
9. Januar 2021Ich finde gut, dass hier auch angesprochen wird, dass Suizid keine egoistische Tat ist, sondern Ergebnis einer Erkrankung. Oft werden Selbstmordgedanken vom Umfeld wie ein aggressiver Akt oder eine Erpressung um Aufmerksamkeit behandelt. In sehr seltenen Fällen mag das vielleicht so sein, aber in der Regel wollen diese Menschen nicht einfach nur sterben, um ihr Umfeld zu ärgern, sie wollen einfach nicht mehr leiden. Würde man sich eher darauf konzentrieren ihr Leid zu lindern, anstatt ihnen Schuldgefühle zu machen, könnte so manch ein Suizid abgewendet werden.