Mit Kindern sprechen: Chemnitz, Demokratie, Flüchtlinge, Rechts


Die Ereignisse der vergangenen Tage sprechen laut zu uns. Wir schauen Nachrichten – auch die Kindernachrichten – oder wir lesen die Tageszeitung, überall ist von „Chemnitz“ die Rede. 

Natürlich stellen größere Kinder jetzt auch Fragen, wollen verstehen, worum es geht und sich im besten Fall eine eigene Meinung bilden. 

Wir haben in den vergangenen Tagen oft mit den beiden Großen (9 & 11 Jahre) über das Thema gesprochen. Über den Mord an einem Menschen, über Deutschland als Rechtsstaat, über rechts, über Demokratie, über, über, über!

Als Wichtigstes finde ich, dass wir den Kindern  neutral, also ohne größere Wertung, Geschehnisse erklären sollten.

Etwa so:

„Es gab doch mal den kleinen Mann, diesen Hitler – der die Weltherrschaft wollte, alle mundtot gemacht und umgebracht hat, die gegen ihn und seine Gedanken waren. Weshalb es auch zu dem 2. Weltkrieg kam, in dem viele Ur-Opas für Deutschland kämpfen mussten und starben. Und im Zuge dessen Deutschland ja auch von den ‚Befreiern‘ jahrzehntelang geteilt war. Ihr wisst schon: kleines Deutschland – großes Deutschland – und wir leben jetzt alle zusammen in Berlin.“

Der Demokratiebegriff ist auch für Kinder einfach zu erklären:

„Demokratie bedeutet, dass jeder sagen kann, was er möchte – wenn es NIEMANDEN beleidigt! Wir haben hier in Deutschland Presse- und Meinungsfreiheit. Du als Mädchen bist genauso viel wert, wie dein Bruder. Ihr könnt beide frei entscheiden, wen ihr lieb habt, was ihr werden wollt, wo ihr wohnen wollt, wohin ihr reisen möchtet!

Und wir respektieren einander! Wie in der Familie, in der Klasse, auch alle Menschen.

Diese gelebte Demokratie ist leider nicht überall auf der Welt vorhanden.

Darum kommen viele Menschen aus ärmeren Ländern nach Europa und Deutschland. Weil es hier sicher ist, weil es hier keine/ wenig Gewalt gibt.“

Womit wir auch beim großen Thema der Flüchtlinge wären

„In Chemnitz wurde der Mensch WAHRSCHEINLICH von zwei Flüchtlingen wahrscheinlich während eines Streites erstochen.

Das ist traurig und Gewalt sollte nie – auch nicht zwischen Geschwistern und auf dem Schulhof – die Lösung eines Streites sein!

Wenn beruhigende Worte nicht mehr helfen, ist Weggehen immer eine Möglichkeit. Das nennt man Eskalation!

Gruppen, die Hitler und seine Idee auch heute noch gut finden, riefen jetzt dazu auf, sich gegen die geflüchteten Menschen zur Wehr zu setzen.

Es gibt Videos (könnte man mit größeren Kindern schauen), die die Verfolgungen durch Chemnitz zeigen.

ABER – es ist ja garnicht bewiesen, dass es wirklich zwei Flüchtlinge waren, die den Mann erstochen haben! Das alles wird untersucht und wir haben Gesetze, die alles regeln.“

Warum gab es Demonstrationen?

„Es gibt die eine Gruppe, die alles in Bewegung setzt, um gegen die geflüchteten Menschen zu kämpfen. Die Gründe, die sie nennen sind: Angst, dass sie ihnen Jobs, Wohnraum, Geld und liebe Menschen weg nehmen. Und viele der Leute auf dieser Seite finden die Taten der regierenden Politiker nicht gut. Sie sind dagegen. Sie wählen auch Gruppierungen und eine Partei, die einfach nur dagegen ist.

Und auf der anderen Seite stehen in Chemnitz dieser Tage alle anderen, egal welcher Kleidungsstil, welcher Wohnort, welcher Musikgeschmack, welche Haarfarbe. Denn in diesem Fall gibt es für mich persönlich (sorry, das ist jetzt durchaus eine Wertung!) nichts dazwischen.

Die Leute auf der bunten Seite sind GEGEN die Demonstranten, die beschimpfen, einschüchtern und verfolgen. Diese Gruppe Menschen ist FÜR ein Miteinander.“

Warum war es so gefährlich in den vergangenen Tagen?

„In der Gruppe brüllt der Löwe meist lauter, als allein.

Und, wenn der Nachbar zur Demo gegen Bunt geht und der Kumpel vom Sportplatz auch und, weil man sonst ja nichts Besseres zutun hat, darum geht man auch mal mit und brüllt laut rum. Und nach 3 bis 4 Bier weiß man ja sowieso nicht mehr ganz genau, was man tut – und warum.

Schon vor Jahren gab es Demonstrationen einer Gruppierung gegen ein buntes Deutschland – auch in Chemnitz. Weil viele Menschen, auch junge Leute „mal schauen“ wollten, wurden diese wöchentlich wiederkehrenden Zusammenkünfte immer größer.

Auch damals haben viele passiv an der Seite gestanden und ’nur‘ geschaut.“

Was lernen wir daraus?

„An der Seite stehen und zuschauen, ändert NICHTS an der Situation und macht diese Situation nicht besser!

Sich EIGENE Gedanken machen, eine Meinung haben und diese kund tun, das ändert etwas!“

Vielleicht konnte ich euch mit den Antworten an meine Kids eine kleine Begleitung sein. Denn Kinder verstehen mehr, als wir denken. 

Zum Weiterschauen für Kinder ab ca. 8 Jahren:

Auf der Seite von Logo! gibt es einige interessante Videos zu diesem Thema.

Zum Beispiel Konzert gegen Fremdenhass, Linksextrem, Was ist Rassismus, Rechtsextrem.

Für größere Kinder:

Hier gibt es zusätzlich zu den Materialien in der Schule bei der Bundeszentrale für politische Bildung – unter Rubrik Lernen – eine Vielzahl an Material, Lehrfilmen (die bitte vorher auf Inhalt prüfen!).

Wenn ihr weitere Materialquellen habt, dann nennt uns diese sehr gern.

Ich wünsche euch einen bunten Herbst,

Yvonne

 

Yvonne Petzke
About me

Berliner Mom of 3 * zert. PersonalTrainer * Laufcoach * Beckenbodenkursleiter (M/W) * * noch mehr Sport-/ BewegungsThemen und Persönliches über mich und mein Leben auch als UltraLäuferin findet ihr auf Instagram unter @yvonnepetzke

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