Warum „Hör auf zu trödeln!“ nicht funktioniert und was in der Kommunikation mit meinem Kind hilfreicher ist
Kennt ihr das?
„Hör auf zu trödeln, wir kommen noch zu spät!“
„Ich habe dir vor 15 Minuten gesagt, du sollst dich anziehen und jetzt sitzt du immer noch
hier und bist nicht fertig!“
Wie wäre es, wenn jemand so mit euch sprechen würde? Eigentlich gibt es auf diese Art der „Ansage“ nur zwei Möglichkeiten: Ich füge mich oder ich rebelliere.
Mein erster Punkt ist also: Wieso sprechen wir manchmal so mit den Kindern?
Wenn wir doch selbst nicht möchten, dass jemand so mit uns spricht? Wir haben alle das Bedürfnis nach Respekt.
Jetzt kommt vielleicht bei manchen der Gedanke: „Aber mein Kind MUSS das lernen! Manchmal geht es eben nicht anders.“
An dieser Stelle gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ich trainiere mein Kind zu funktionieren, wie in der Hundeschule oder ich mache mir bewusst: Jeder Mensch hat Bedürfnisse.
Und ich kann mir zwei Fragen stellen, die ich durch die Gewaltfreie Kommunikation gelernt habe:
1. Was möchte ich, dass mein Kind tut?
2. Mit welcher Motivation möchte ich, dass mein Kind dies tut?
Die Antwort bei mir ist stets: Freiwillig und gerne! Und nie: Weil ich es sage und weil es mein Kind eben muss.
Wie wäre es mit: „Ich sehe, du hast eine Socke an. Ich bin unruhig, weil es mir wichtig ist, dass wir pünktlich sind. Kannst du mir bitte helfen und dich jetzt fertig anziehen, damit wir loskönnen? Geht das?“
Das ist lediglich ein Beispiel, um es klarer zu machen. Und ich gebe meinem Kind auch die Möglichkeit, mir mitzuteilen, was es möglicherweise braucht.
Vielleicht gibt es ja einen Grund, der das Anziehen verhindert und ich kann Unterstützung bieten?
Wichtig ist für mich, ohne Bewertungen in diese Kommunikation zu gehen. „Du bist immer noch nicht angezogen!“ klingt eben anders als: Ich sehe, du hast bis jetzt deine Socken angezogen.“
Dann auszudrücken, was ich fühle: „Ich bin unruhig.“ oder „Ich bin frustriert.“
Was auch immer ihr in dem Moment fühlt, ganz authentisch!
Keine Schuldzuweisung: „Ich bin wütend, weil du es bis jetzt noch nicht geschafft hast, dich anzuziehen!“
Achtung – Wut kommt manchmal nicht nur mit Worten, sondern auch im Tonfall und in der Mimik und Gestik rüber. Dann drücke ich mein Bedürfnis aus, denn es ist in dem Moment ja mein Bedürfnis: Mir ist es wichtig, dass wir pünktlich sind. Und ich richte eine Bitte an mein Kind, sich anzuziehen.
Eigentlich ist dieses „trödeln“ eine Bewertung.
Mein Kind lässt sich mehr Zeit, als mir lieb ist und mehr Zeit als ich vielleicht eingeplant habe. Das liegt bei mir. Mein Bedürfnis ist also die Pünktlichkeit und ich bitte mein Kind darum, mich hier zu unterstützen.
Ja, es klingt jetzt wahrscheinlich aufwendig und langwieriger als ein: „Zieh dich jetzt sofort an und hör auf zu trödeln!“
Das ist für diesen kurzen Moment. Langfristig stärke ich dabei die Beziehung mit meinem Kind, indem ich respektvoll kommuniziere.
Es geht mir nicht um einen Machtkampf oder eine Demonstration meiner Macht sondern:
Alle Bedürfnisse sind valide!
Und das erst mal anzuerkennen. Einfach ausgedrückt: Mein Kind hatte jetzt vielleicht keinen Bock sich anzuziehen, weil es eben etwas anderes machen möchte. Das kann ich anerkennen! Mein Kind kann dann auch sehen: Ich möchte jetzt eigentlich gern spielen, meine Mama hat das Bedürfnis nach Pünktlichkeit. Und es mag dem einen oder anderen jetzt überraschend erscheinen: Wenn Menschen etwas nicht aus Pflicht oder Schuld oder Scham tun, dann tun sie es gerne!
Jeder Mensch trägt doch gerne zum Wohlergehen von anderen Menschen bei. Und vielleicht entdeckt mein Kind sogar auch das Bedürfnis: Hey, mir ist es auch wichtig, pünktlich zu sein!
Ich sage übrigens ausdrücklich nicht: Mit einer derartigen Bitte ist sofort alles immer geklärt.
Wie gesagt, das Kind hat eigene Bedürfnisse und wird sie womöglich auch ausdrücken! Mit einer derartigen Bitte, ohne die Bewertung „Du trödelst!“ Ist für mich die Grundlage geschaffen, dass die Bedürfnisse von beiden Menschen zählen. Die Balance finden und vorleben: Ich habe meine Autonomie und meine Bedürfnisse und du deine. Und ich bitte dich, mich zu unterstützen.
Ich mag dieses Zitat von Marshall B. Rosenberg, weil es meinem Bedürfnis nach Respekt untereinander entgegenkommt und ich dadurch viel im Umgang mit meinen Söhnen gelernt habe:
“You can’t make your kids do anything.
All you can do is make them wish they had.
And then, they will make you wish you hadn’t made them wish they had.”
„Du kannst deine Kinder nicht dazu bringen, irgendwas zu tun.
Alles was du tun kannst ist machen, dass sie sich wünschen sie hätten es getan.
Und dann werden sie machen, dass du dir wünschst,
du hättest sie nicht dazu gebracht sich zu wünschen, sie hätten es getan.“
Fazit: „Trödeln“ ist meine Bewertung, ein Urteil.
Ich kann das anders kommunizieren, vor allem löst es in meinem Kopf etwas aus.
Ich kann Bitten äußern, statt zu bewerten und zu fordern: Denn das würde mit hoher Wahrscheinlichkeit kein gutes Gefühl bei allen Beteiligten hinterlassen. Und ich kann auch bei mir schauen: Wie kann ich die Zeit vielleicht anders einteilen und strukturieren? Es liegt möglicherweise auch bei mir! Auch die Frage: „Brauchst du Hilfe?“ Ist eine Option.
Mein Beispiel mit dem Anziehen ist stellvertretend für alles, was umgangssprachlich – gerade bei Kindern – als trödeln bezeichnet wird. Denn die Bewertung „trödeln“ ist eigentlich: Jemand tut etwas in einem anderen Tempo, als es in dem Moment meinen Bedürfnissen entspricht. Denn an anderen Tagen würde ich das gleiche Tempo vielleicht sogar als achtsam, entschleunigend und beruhigend empfinden.
Nutzt ihr das Wort trödeln und welches Bedürfnis steckt bei euch dahinter?
Eure mindfulsun
PS: Mein Sohn ist 14 Jahre alt und er teilt sich seine Zeit selbst ein, auch seinen Schlafrhythmus und das funktioniert super! Das Wort „trödeln“ habe ich in letzter Zeit öfter gelesen. Und deswegen beschlossen, einen Artikel dazu zu verfassen.