Ramadan und Corona – Warum die Fastenzeit dieses Jahr härter als jemals zuvor ist
Wir haben es bereits mit Ostern erlebt, jetzt folgt der Ramadan. Dieses Jahr ist jedoch alles anders. Denn Ramadan und Corona vertragen sich nicht.
Da inzwischen viele Lockerungen vorgenommen werden, gehen einige davon aus, dass die Krise „überstanden“ ist. Doch das ist sie nicht. Sie ist nach wie vor in vollem Gang und sorgt dafür, dass das Leben und seine kulturellen Ereignisse weitgehend lahmgelegt sind.
Verrückterweise wird mir das erst jetzt, zur Ramadanzeit, richtig klar. Viele Veranstaltungen und Konzerte wurden abgesagt, doch der Ramadan lässt sich nicht absagen. Und doch hat es Corona irgendwie trotzdem geschafft, ihn „verschwinden“ zu lassen.
Die meisten Menschen aus meinem Umfeld wissen gar nicht, dass der Ramadan gerade begonnen hat. Normalerweise kriegt man das immer mit, weil irgendwelche Kollegen oder Freunde gerade fasten. Diesmal nicht. Genau wie auch alles andere bleibt der Ramadan zu Hause. Und das gefällt ihm eigentlich gar nicht.
Der Ramadan lebt von seiner Geselligkeit.
Menschen spenden an Bedürftige und veranstalten riesige Abendmahle. Nicht nur die Auswahl des Essens ist groß, sondern auch die Besucherzahl. Was für die Christen Weihnachten ist, ist für die Muslime der Ramadan. Die Familie kommt zusammen. Nicht jedoch dieses Jahr.
Die Familie kommt nicht zusammen.
Dieses Jahr sieht es anders aus. Da es in vielen Ländern nach wie vor „Ausgangssperren“ gibt und größere Veranstaltungen untersagt sind, kommt es nicht zum großen Wiedersehen mit der Familie. Die meisten sind nämlich nach wie vor fleißig dabei, die Kontakte aufs Nötigste zu minimieren. Das bringt natürlich sehr viel Einsamkeit in das Fest ein. Risikogruppen leiden noch mehr darunter, weil sie ohnehin viel mehr „aufpassen“ müssen, und den Ramadan demnach gar nicht richtig genießen können.
Auch Besuche in die Moschee sind derzeit untersagt, weil viele von ihnen momentan geschlossen sind. Natürlich ist das die einzig vernünftige Lösung, aber trotzdem auch traurig…
Der Ramadan ist härter als jemals zuvor.
Wer geglaubt hat, dass es hart ist während des Ramadans zu arbeiten, wird sich wundern, wie schwer es ist, NICHT zu arbeiten. Und schlimmer noch – gar nichts zu tun! So sieht es nämlich dieses Jahr für viele aus. Alle bleiben zu Hause und starren Löcher in die Decken. Zwischendurch schauen sie fern oder lesen ein Buch, aber das war’s auch schon. Nichts ist schlimmer als die Langeweile, denn sie hat zur Folge, dass der Tag einfach nicht vergeht. Nach vier Stunden Netflix gucken, wundert man sich, dass es gerade mal 14 Uhr ist. Nach weiteren vier Stunden fernsehen, kann man nicht glauben, dass man noch weitere 3 Stunden warten muss, bis Essenszeit ist.
Meine Mutter hat einen ganz verrückten Rhythmus entwickelt und lebt gerade nach New Yorker Uhrzeit. Die Nacht über bleibt sie auf, und tagsüber schläft sie. Home Office macht auch ihr zu schaffen, daher ist für sie neben der Arbeit das Produktivste der Schlaf.
Doch der Ramadan ist trotz allem ein Fest der Dankbarkeit.
Den ganzen Tag wird aufs Essen verzichtet, um das Essen wertzuschätzen. Diesmal ist es nicht nur das Essen, sondern auch alles andere. Es gibt so viele Dinge im Leben (zum Beispiel den Besuch bei Freunden oder ein Besuch im Café) die uns selbstverständlich erscheinen. Dieses Jahr haben wir alle – auch diejenigen, die nicht am Ramadan teilnehmen – die Möglichkeit, dankbar zu sein. Je dankbarer wir sind, desto besser lässt sich alles ertragen. Außerdem wächst damit die Vorfreude auf das nächste Jahr – wenn hoffentlich alles wieder gut ist.
Liebe Grüße
Mounia
PS.: Wer wissen will, wie man Kindern den Ramadan erklärt, kann hier vorbeischauen:
Was ist eigentlich Ramadan? Religion entdecken nicht nur für Kinder