„Seid ihr Geschwister?“ Nein, nur schwarz! Kennt ihr schon den Other-Race-Effekt?


Heute möchte ich euch von einem Phänomen berichten, das sich Other-Race-Effekt nennt. Es ist nämlich die Antwort auf die Frage, warum ich ständig mit anderen schwarzen Menschen verglichen werde, obwohl ich ihnen überhaupt nicht ähnlich sehe.

Wir alle wurden schonmal mit einer anderen Person verglichen. Angeblich hat jeder Mensch sieben Doppelgänger, mir ist allerdings noch keine*r begegnet. Dennoch wurde ich schon sehr oft mit anderen Menschen dunkler Hautfarbe verglichen – und manchmal sogar als Schwester bezeichnet.

Meine beste Freundin hat eine dunkle Hautfarbe – genau wie ich.

Unsere Hauttöne unterscheiden sich jedoch sehr stark. Zunächst einmal ist sie viel heller als ich. Ihre Mutter ist weiß, ihr Vater schwarz. Bei mir haben beide Elternteile eine dunkle Hautfarbe, wobei ich eher nach meinem Vater komme, der aus Sri Lanka stammt. Wir werden zwar beide als schwarz gelesen, haben jedoch trotzdem ganz unterschiedliche Hauttöne. Das Problem ist, dass viele keinen Unterschied sehen.

„Seid ihr Geschwister?“

Seit wir zwölf sind, wird uns diese Frage immer wieder gestellt.
„Ihr seht euch so ähnlich, seid ihr Schwestern?“
„Ihr könntet Zwillinge sein.“
„Wer ist die Ältere von euch?“

Dabei sehen wir uns nicht einmal ähnlich! Meine beste Freundin hat Afrohaare, ich lange, relativ glatte. Sie ist zudem zehn Zentimeter größer als ich und hat eine völlig andere Knochenstruktur. In unseren Gesichtern findet sich keine Ähnlichkeit, weder in der Form, noch in den Augen, den Nasen oder den Lippen. Klar, meine eigene Schwester und ich sehen uns auch nicht besonders ähnlich, aber wenn man auf unsere Eltern schaut, sieht man schnell dass wir Geschwister sind.

„Nein, wir sind keine Geschwister.“

Früher noch haben wir die Frage mit einem Schmunzeln auf den Lippen abgewehrt. Manchmal haben wir uns sogar geschmeichelt gefühlt. Doch mit der Zeit wurde die Frage zunehmend lästig und irgendwann auch verletzend. Die Vorstellung davon, lediglich wegen unser Hautfarbe über einen Kamm geschert zu werden, tat weh. Besonders hart war es, wenn uns nicht geglaubt wurde. Wenn ein paar Witzbolde unser Nein überhörten und immer weitermachten. „Wie kann das sein? Ihr seht euch so ähnlich!“

Kennt ihr schon den Other-Race-Effekt?

Der Other-Race oder auch Cross-Race Effekt beschreibt das Phänomen, dass Menschen ein Problem damit haben, die Gesichter einer anderen Ethnie nicht so gut wieder erkennen zu können, wie die der Eigenen. Das hängt natürlich auch damit zusammen, in welcher Umgebung man aufwächst. Ich, die mein ganzes Leben in einer weißen Umgebung gelebt hat, tue mich überhaupt nicht schwer damit, meine Mitmenschen zu erkennen und auseinanderzuhalten.

Es ist also wissenschaftlich erwiesen, dass Menschen aus derselben ethnischen Gruppe die optischen Unterschiede besser auseinanderhalten können. Das ist auch der Grund, warum einige Menschen die optischen Unterschiede zwischen meiner besten Freundin und mir nicht so gut sehen wie ich. Und bei näherem Betrachte muss ich mir den Schuh ebenfalls anziehen. Auch ich habe hin und wieder ein Problem damit Menschen aus anderen Ethnien (beispielsweise asiatischer Herkunft) zu unterscheiden. Es überrascht mich auch immer wieder, wie Menschen sofort erkennen können, dass diese Person russischer Herkunft ist und die andere ukrainisch. Feine Details, die mir nicht auffallen, weil ich in einer anderen Umgebung aufgewachsen bin.

Was tun beim Other-Race-Effekt?

Nur, weil das Phänomen einen Namen hat, bedeutet das nicht, dass das Problem damit gegessen ist. Was also tun? Den Frust einfach runterschlucken, weil niemand es böse meint? Die Zähne zusammenbeißen und es jedes Mal richtigstellen, dass wir keine Geschwister sind? Ist das das Schicksal, dem wir uns ergeben müssen?

Ich habe lange über eine Lösung nachgedacht und bin zu dem Entschluss gekommen, dass es sehr wohl eine Lösung gibt, verschiedene sogar.

1. Verzichtet auf die Frage „Seid ihr Geschwister?“.

Die Frage ist für mich fast so nervig wie „Woher kommst du?“.
Auch, wenn ihr wirklich neugierig seid, rate ich euch, diese Frage vorerst nicht zu stellen.

Was ihr aber tun könnt, ist: „Habt ihr Geschwister?“, als Frage stellen. Spätestens dann wird sich klären, ob die besagten Personen verwandt sind oder nicht. Wenn ihr richtig liegt, könnt ihr gerne sagen, dass ihr es bereits vermutet habt.

2. Stellt eine andere Frage – nicht zum Aussehen, sondern zur Ausstrahlung.

Als meine beste Freundin mich einmal von der Schule abholte, trafen wir auf meine Klassenlehrerin. Wir zwei waren gerade mitten in einem Tratsch und hatten den Arm der anderen umklammert. Wie es der Zufall so wollte, hatten wir sogar fast die gleiche Kleidung an.

„Wow, ihr habt eine so ähnliche Ausstrahlung“, sagte sie. „Man merkt, dass ihr euch sehr nahesteht. Seid ihr Geschwister?“

Diese Frage verletzte mich überhaupt nicht, da sie die Frage nicht auf unsere Hautfarbe, sondern unseren Umgang miteinander verband.

Eine andere Freundin, die natürlich wusste, dass wir keine Geschwister sind, sagte mal: „Ihr zwei seid wie Geschwister. Ihr macht dieselben Gesten, ihr redet sogar total ähnlich.“

Auch diese Aussage störte mich nicht, da sie sich auf unsere Gemeinsamkeiten bezog. Ich verstehe schon, warum man uns beide hin und wieder als Geschwister bezeichnet. Wir stehen uns sehr nahe, so nahe, wie viele nur ihrer Familie sind.

Aber wir sehen uns nicht ähnlich und das ist eben der Punkt. Deshalb sind diese Fragen auch viel respektvoller:

„Ihr habt eine ganz ähnliche Ausstrahlung.“

„Ihr seid euch so nahe, dass ihr Schwestern sein könntet.“

„Seid ihr beste Freundinnen oder verwandt? Ihr wirkt so vertraut miteinander!“

Mit diesen Aussagen erhaltet ihr trotzdem eure Antwort und tretet niemandem auf die Füße.

Soweit zum Other-Race-Effekt!

Es gibt eine plausible Erklärung, aber das bedeutet nicht, dass wir uns auf sie beruhen sollten. Für ein friedliches Miteinander ist es wichtig, einander respektvoll gegenüberzutreten!

Habt ihr Anmerkungen zu dem Phänomen? Kanntet ihr es bereits oder habt es unbewusst selbst erlebt?

Liebe Grüße
Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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