Wie Märchen eigentlich erzählt werden sollten
Konkurrenzkampf unter Frauen, eine böse Stiefmutter, ein Prinz, der „Frau“ immer und überall rettet … Früher habe ich die Geschichten zum Einschlafen geliebt, heute muss ich die Augen verdrehen. Ich möchte euch daher aufzeigen, wie Märchen eigentlich erzählt werden sollten.
Ja, ja, die Moralapostel wieder. Immer dieses kritische Hinterfragen bei allem – glaubt mir, mich nervt es auch. Aber ein Mal die Augen geöffnet, kann ich sie nicht wieder schließen. Die kindliche Unschuld ist weg, stattdessen sehe ich veraltete Machtstrukturen, die es nicht weiter zu unterstützen gilt.
Vorab eines: Ich liebe Märchen. Ich habe sie schon immer geliebt und werde sie auch immer lieben. Bei jedem neuen Disney Film renne ich ins Kino und so ziemlich jedes Märchen ziert mein DVD und Bücherregal. Die neuen Filme, wie Vajana und Frozen (Mini Werbung da affiliate Link) sind viel zeitgemäßer, daher sehe ich diese weniger kritisch. Bei den älteren ist das aber so eine Sache. Wenn ich mir sage, dass die Filme aus einer anderen Zeit stammen, aber heute niemals so erscheinen würden, fühle ich mich etwas wohler dabei, sie zu sehen. Trotzdem rollen meine Augen. Sie rollen und rollen.
Wie Märchen erzählt werden
Schneewittchen, Dornröschen, Cinderella, Arielle… Was haben diese Märchen gemeinsam?
Ich sag’s euch:
Konkurrenzkampf unter Frauen
Die Böse ist immer eine Frau: In einigen Fällen ist es die böse Stiefmutter, in anderen eine böse Hexe. Bei Cinderella gibt es sogar die Deluxe Version, nämlich die böse Stiefmutter und die bösen Stiefschwestern – also drei Antagonistinnen. Immerzu geht es um Neid und Missgunst. Immerzu geht es ums Konkurrieren, statt Miteinander.
Liebe und wehrlose Protagonistinnen
Ebenfalls gemeinsam haben die Figuren, dass sie entfernte Verwandte von Jesus sein könnten, weil sie so lieb, gütig, rein und fair sind. Und vor allem sind sie unfassbar naiv und unschuldig, dass sie nicht merken, dass ihnen Böses widerfährt. Was mich zum nächsten Punkt bringt …
Der Mann rettet die holde Maid
Besonders sauer stößt mir die Tatsache, dass der Prinz, über den man oft gar nichts weiß, aus dem Nichts auftaucht und die Prinzessin rettet. Diese ist daraufhin so dankbar, dass sie ihn einfach so heiratet. Ähm … aber sie kennen sich doch noch überhaupt nicht! Und warum steht der Prinz überhaupt auf die holde Maid? Weil sie so schön ist? Oder weil ER sie gerettet hat und jetzt auf seinem Ego-Trip ist? Was hat das mit Liebe zu tun?
Außerdem sind Märchen in ihrer ursprünglichen Fassung extrem brutal. Ich mein Hallo? Die böse Stiefmutter Schneewittchens, die sie töten und ihre Eingeweide essen will? Oder die kleine Meerjungfrau, die es nicht übers Herz bringt, den Prinzen, der sie wohlbemerkt schon längst ersetzt hat, zu töten, und deshalb selbst stirbt? Oder die Stiefschwestern Aschenputtels, die sie sich Zehen und Hacken abschneiden, um in den Schuh zu passen? Pfui!
Wie Märchen eigentlich erzählt werden sollten
Frau unterstützt Frau!
Eigentlich sollten sich Frauen nicht gegenseitig konkurrieren und in den Rücken fallen, sondern füreinander da sein. Erst neulich bei der Rezension von „Wir treffen uns in der Mitte der Welt“, hatte ich aufgezeigt, wie bescheuert es früher war, wenn meine weiblichen Mitschülerinnen sich gegenseitig konkurrierten und nichts gönnten. Dabei ist die Unterstützung einer Frau das Wertvollste überhaupt. Ich bin sicher, dass Frauen einander etwas geben können, was Männer nicht schaffen. Es gibt eben gewissen Unterschiede.
Frau braucht niemanden!
Schluss mit dem ständigen gerettet werden. Erstens sind nicht alle Frauen so tollpatschig, sich ständig in irgendwelchen Mist zu reiten, zweitens können sie, wenn sie es doch tun, auch allein da raus schaffen. Hätte Schneewittchen keine Zuflucht bei den sieben Zwergen gefunden, wäre sie vielleicht einfach aus dem Wald spaziert, dem Prinzen begegnet und hätte ihn erst mal in Ruhe kennengelernt. Auch Dornröschen wäre vielleicht irgendwann wieder aufgewacht, denn mal ehrlich – in hundert Jahren muss jeder mal aufs Klo!
Frau verliebt sich nicht in einen Fremden!
Doch die wichtigste Änderung sollte die sein, die besagt, dass Frauen sich nicht einfach in einen fremden Menschen verlieben, obwohl sie ihn nicht kennen. Und vor allem verlieben sie sich nicht in ihn, weil er ein reicher Prinz ist. Klar, sprechen einige von Liebe auf den ersten Blick. Aber in einer Welt, in der jede zweite Ehe geschieden wird, sollten sie sich wenigstens Zeit lassen, ihren Zukünftigen erst mal kennenzulernen. Im Übrigen nervt es mich auch, dass der Status des Mannes aufgrund seines Ruhmes höher steigt. Die Machtdynamik beider Personen ist damit total unausgeglichen und patriarchalisch. Noch mehr davon braucht die Welt einfach nicht.
Soweit mein Rant zu den Märchen.
Wie bereits erwähnt, mag ich Märchen und sehe die Lösung nicht darin, sie zu verbieten. Aber es wäre schön, wenn zukünftig ein paar Märchen erzählt werden würden, die weniger vom Kampf um die Gunst des Prinzen und dem Konkurrenzkampf unter Frauen handeln. Mädchen und Frauen sollen sich schließlich nicht nur in Geschichten repräsentiert fühlen, in denen sie die Bösen oder Schwachen sind.
Wie seht ihr das? Seid ihr ähnlicher Ansicht oder seht ihr das völlig anders?
Übrigens ist mein liebster Disney Film Mulan! Schon als Kind mochte ich es, dass sie eine Powerfrau war, die unter Männern im Krieg kämpfte und schließlich ganz China rettete.
Falls ihr noch mehr Märchen wollt, dann schaut mal hier rein:
„Das Mädchen, das Fahrradfahren lernte“ – Wie wir unsere Schwächen zu unseren Stärken machen
Liebe Grüße
Mounia
Petra
9. Januar 2021Natürlich sind die Geschichten von Vaiana, Elsa und Anna zeitgemäßer als Schneewittchen oder Aschenputtel. Es liegen 200 Jahre Entwicklung dazwischen. Und es sind Märchen, erfundene Geschichten, Fantasieerzählungen. Da hat man vor 100 (und mehr) Jahren einfach anders gedacht.
Wenn ich denke eine Geschichte/ein Märchenfilm ist zu aufregend oder brutal, lese ich sie meinen Enkeln nicht vor und alles andere kann ich erklären.
Die Geschichten von heute sind doch angepasst, warum die alten ändern? Die sind so weil sie alt sind und gut ist es.
Es gibt genug andere Dinge, die wirklich geändert gehören!
Liebe Grüße