Unsere Tochter bewältigt ihre Schulphobie in einer Klinik – Erfahrungen einer Familie


Nach unserem Beitrag über Schulphobie mit euren Ideen haben wir von einer Leserin einen Erfahrungsbericht bekommen, den wir für so wertvoll halten, dass wir ihn hier extra bringen – als Ergänzung zum damaligen Beitrag.

Klinikaufenthalt hilft bei extremer Schulphobie

Ich würde gerne zu dem Thema Schulphobie noch meine eigenen Erfahrungen schildern. Wir wohnen auch in Bayern und ich habe mich beim Lesen des Blogeintrags der betroffenen Mutter angesprochen gefühlt.

Ich habe selbst eine frisch 9 jährige Tochter, die ebenfalls eine Schulphobie aufgrund von schlimmer Trennungsangst bekommen hat.

Das Schwierigste und Schlimmste bei uns war die „Glaubhaftmachung“ gegenüber der Schule und Mitmenschen, da unsere Tochter ansonsten ein sehr fröhliches, aufgewecktes Kind ist, was eigentlich am Anfang gerne zur Schule ging. Dann aber änderte sich das und kippte ins Extreme.

Wir waren schon länger in ambulanter Therapie als sich die Situation zum neuen Schuljahr so verschlimmerte, dass ein normaler Schulbesuch nicht mehr möglich war.

Und da fing die Odyssee an. Keiner konnte/wollte uns wirklich helfen, jeder verwies auf den anderen.

Schließlich meinte unsere (wie gesagt erst 9jährige) Tochter selbst, dass sie es wohl nicht ohne einen Krankenhausaufenthalt schafft. Nun ist sie seit 5 Wochen in einer Klinik und – nach wirklich schlimmen ersten 3 Wochen – geht es jetzt bergauf und ich bin unendlich stolz wie meine Tochter, dass so tapfer durchzieht. Vor allem aber merken wir, dass sowas leider immer noch stark stigmatisiert ist und nicht wirklich ernst genommen wird in der Gesellschaft, im Freundeskreis. Als Mutter bricht mir das Herz wenn ich sehe, wie meine Tochter leidet und alles dafür tun will, dass es besser wird … und ich ihr einfach nicht helfen kann.

Und wenn dann von außen so Inputs kommen wie „der gehört einfach mal der Hintern versohlt dann würde sie schon spuren…“, ist einfach nur grausam!

Bald steht bei uns die Wiedereingliederung in die Schule an und ich hoffe sehr, dass der Klinikaufenthalt der Schule gezeigt hat dass es wirklich ernst war.Ansonsten müssten wir wirklich einen Schulwechsel erwägen ,was aufgrund eines super Freundeskreises meiner Tochter suboptimal wäre.

Ich hoffe die betroffene Mutter hat inzwischen eine Schule gefunden, die mehr auf ihr Kind eingehen kann und will! Und, dass sie ihr Kind nicht so lange krank schreiben lassen muss bis sie stationär aufgenommen werden kann. Uns blieb leider nichts anderes übrig. Ansonsten könnte die Mutter versuchen den mobilen sonderpädagogischen Dienst anzufordern, der ihrem Kind bis zum Klinikaufenthalt beistehen kann in der Schule. Ich wünsche der Mutter und allen anderen Betroffenen viel Kraft, die wird sie brauchen, und man darf nie die Hoffnung aufgeben. Es wird Zeiten geben wo man meint, es geht nicht mehr weiter, aber die Zeit überzeugt einen vom Gegenteil…

Hier noch etwas von unserer eigenen Erfahrung mit der Klinik gegen die Schulphobie:

Was meiner Tochter gerade am meisten hilft ist denke ich einfach die Trennung von zuhause. Dass sie merkt, dass sie es auch ohne Mama schaffen kann, dass nichts Schlimmes passiert. Außerdem gibt es in der Klinik einen fixen Plan, nachdem die Tage ablaufen. Das heißt, die Kinder genau wissen, was sie erwartet – sie empfinden das durch die Bank weg als hilfreich.

Es gibt tatsächlich nur eine Therapiestunde pro Woche für meine Tochter, was ich sehr wenig fand, aber die Haupttherapie findet wohl im täglichen strukturierten Tagesablauf statt. Anfangs denkt man es passiert nicht viel, aber tatsächlich tut sich was im Kopf des Kindes.

Wenn es gut läuft dürfen die Kinder am Wochenende nach Hause und da sieht man dann, dass tatsächlich ein paar Muster die sich vorher eingeschlichen hatten einfach durchbrochen waren und jetzt funktionierten. Wie z.B. allein in unserem Haus in einem anderen Stockwerk zu sein – eine Riesenerleichterung. Denke, dass bei meiner Tochter dann der Vergleich zählt: In der Klinik ganz allein, geschafft – im Vergleich im gewohnten Zuhause mit die Eltern aber mal ne Zeit allein in nem anderen Stockwerk? Nicht mehr sooo schlimm, da sie ja den Klinikaufenthalt auch irgendwie schafft!

Meine Rolle in der Therapie ist tatsächlich auch für mich ’ne schwierige Frage.

Es gibt ein Elterngespräch pro Woche, in dem besprochen wird, wo das Kind steht, was man ihm zutrauen kann… Anhand dessen werden dann die nächsten Ziele verhandelt, die meine Tochter erreichen soll und dadurch kleine Erfolgserlebnisse haben kann, die sie immer weiter zu einem „normalen“ Alltag führen.

Dabei geht es auch neben dem was man dem Kind zumuten kann, und auch darum, was wir uns als Eltern zutrauen zu schaffen.

Allerdings muss ich gestehen, dass wir öfters schon Bedenken haben, was falsch zu machen, da wir ja nicht genau wissen, wie man in manchen Situationen reagieren soll. Wir dürfen jederzeit in der Klinik anrufen und um Rat fragen – aber das finde ich echt schwierig. Ich würde mir wünschen, dass ich als Mit-Hauptbetroffene von der Krankheit des Kindes mehr Unterstützung bekäme, therapeutisch.

Ich bin sehr dankbar, einen tollen Ehemann zu haben, der das mit mir voll durchzieht und mich immer wieder auffängt! Ich denke, dieses Glück haben nicht alle Mütter und daher bin ich da schon dankbar, dass nicht alleine mit dem Kind durchmachen zu müssen.

Liebe Grüße,

eine anonyme Mama

P.S. Herzlichen Dank der Mutter für diese Erfahrungen! Gibt es auch andere unter euch, die für diese und ähnliche Probleme auch ein Klinikaufenthalt als Lösung gewählt haben?

(und wir immer bitte ich um respektvolle Kommentare!)

 

Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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8 Kommentare

Anynym
Antworten 27. Februar 2023

Hallo,
der Beitrag bewegt mich sehr. Meiner tochter geht es ähnlich. eine Behandlung in der Klinik steht im Raum. Ich würde mich freuen, wenn Du mir evtl. Tipps für die richtige Wahl einer Klinik geben könntest.
Danke,
eine besorgte Mama

    Béa Beste
    Antworten 27. Februar 2023

    Hallo liebe besorgte Mama, ich glaube, folgende Kriterien sind wichtig für die Wahl einer Klinik:
    1. Vertrauen in das Personal - wie sehr fühlst du dich als Mutter aufgehoben, was spiegelt dir dein Kind
    2. Wohnortnähe - wie schnell kannst du bei ihr sein?
    3. Flexibilität des Aufenthaltes: Wie sehr ist es möglich, beim Kind zu sein, wenn es dich braucht?
    Liebe Grüße,
    Béa

Madeleine
Antworten 28. März 2023

Hallo,
auf der Suche nach Hilfe bin ich auf diese Seite und diesem Bericht gestoßen

Meine Tochter ist gerade 11 geworden und geht seit November nur noch unregelmäßig und seit Januar gar nicht mehr zur Schule.
Unterstützung durch die Schule ist enorm groß.
Eine ambulante Therapie hat begonnen, wird allerdings von ihr momentan abgeblockt.
Ich fürchte, es wird auch bei uns auf eine stationäre Aufnahme hinauslaufen
Was unser Kind aber nicht möchte.
Mir fehlen die Ideen, ich bin extrem belastet und frustriert .
Vielleicht gibt es hier noch Erfahrungen, Tipps, Hilfe...ich bin für alles dankbar!

Herzliche Grüße

    mindfulsun
    Antworten 28. März 2023

    Hallo, hier ist mindfulsun aus der Redaktion, ich kann deine Frustration und Belastung total nachfühlen. Wahrscheinlich ist da auch eine Menge Hilflosigkeit dabei?
    Ein stationärer Aufenthalt gegen den Willen deiner Tochter? Was sagt denn der / die Therapeutin dazu?
    Ambulante Therapie wird von deiner Tochter derzeit abgeblockt, schreibst du. Was meinst du denn genau mit abblocken? Fühlt sie sich mit dem / der Therapeutin nicht wohl? Ist die Therapieform für sie vielleicht nicht die richtige? Es gibt ja mehrere Ansätze!

    Wäre es vielleicht eine Möglichkeit erstmal zu erforschen, warum deine Tochter nicht mehr zur Therapie möchte? Vielleicht blockt sie nämlich nicht die Therapie ab, wie du schreibst. Sondern das Vertrauen in den / die Therapeutin ist einfach nicht da oder sie fühlt sich nicht wohl genug.
    Ein Vergleich: Würdest du zu jedem Friseur gehen? Und dieser Mensch werkelt nur auf deinem Kopf und nicht drinnen.

    Aus eigener Erfahrung meines Sohnes: Er war bei der ersten Therapeutin nicht gut aufgehoben und hat sich nicht ernstgenommen gefühlt.
    Mittlerweile hat er einen passenden Therapeuten gefunden, mit einer anderen Therapieform. (Psychoanalyse statt Verhaltenstherapie)

    Ich freue mich, dass die Schule bei euch so unterstützt. Das ist sicher eine Erleichterung.

    Ich kann dich nur ermuntern in einem Gespräch herauszufinden, was denn der entscheidende Faktor ist, warum deine Tochter die ambulante Therapie
    nicht möchte.

    VG
    mindfulsun

      Madeleine
      Antworten 3. April 2023

      Hallo Mindfulsun,
      vielen lieben Dank für deine einfühlsamen Worte.6

      Meine Tochter war nur einmal bei dem Therapeuten, danach wollte sie nicht mehr dorthin. Ich als Mutter hatte dort 5 Termine.
      Ja sicher stimmt die Therapie nicht, wir sind auf der Suche nach einer neuen Therapeutin.
      Uns wurde allerdings gesagt, dass ambulante Therapien nur möglich sind, wenn gleichzeitig auch der Schulbesuch erfolgt.
      Sonst und bei Schulverweigerung wird wohl sowieso eine stationäre Therapie empfohlen.
      Ich muss das auch erst einmal alles verarbeiten.
      Ich denke freiwillig geht meine Tochter nicht in die Klinik.

      Herzliche Grüße

        mindfulsun
        Antworten 3. April 2023

        Ich drücke die Daumen, dass ihr eine Therapeutin findet, die deiner Tochter helfen kann.
        Übrigens wer spricht von Schulverweigerung? Wenn deine Tochter sich seelisch nicht wohlfühlt, ist sie krank.
        Vielleicht könnt ihr mit der Schule eine Freistellung vereinbaren? Ich weiß, dass das funktioniert. Solange, bis die Therapie
        greift. Es ist ja auch wichtig, dass der Druck etwas von dir genommen wird und du zur Ruhe kommen kannst. Damit du für sie da sein kannst.
        Gibt es bei euch einen Psychiater / Psychiaterin, wo erstmal eine vorläufige Diagnose erstellt werden kann?
        Da gibt es auch ein Attest. Ich wünsche dir viel Kraft und deiner Tochter, dass sie die Hilfe bekommt, die sie braucht.
        LG mindfulsun

Anonym
Antworten 5. April 2023

Liebe Mindfulsun, ich bin, wie Du, in der gleichen Situation und ich kann die Hilflosigkeit sehr gut verstehen. Ich möchte Dir nur sagen, dass es durchaus auch Therapeuten gibt, die eine ambulante Therapie anbieten, obwohl das Kind nicht in die Schule geht. Wir gehen gerade diesen Weg. Liebe Grüße.

Anonym
Antworten 11. April 2023

Liebe Mindfulsun,

ich möchte dir auch sagen, dass ich in der gleichen Situation bin. Meine Tochter geht seit drei Monaten nicht in die Schule. Mein Herz blutet... es ist eine durchaus sehr schwierige Situation. Und ja, auch meine Tochter hat seit zwei Wochen mit einer ambulanten Therapie begonnen, obwohl Sie nicht zur Schule geht. Es gibt solche und solche Therapeuten. Ich möchte meine Tochter nicht in die Klinik geben, nur wenn es anders nicht mehr geht.
Ich wünsche allen in der schweren Zeit nur das Beste. Liebe Grüße.

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