Warum immer die alten Klassiker lesen, wenn es inzwischen tolle zeitgemäße Literatur gibt?


Eigentlich mag ich Klassiker – zumindest einige von ihnen! Aber warum werden sie nach wie vor so angepriesen, wenn es inzwischen tolle zeitgemäße Literatur gibt?

Jedes Kind liest sie in der Schule – die berühmten Klassiker.

Ob man will oder nicht. In jedem Deutschkurs begegnet uns ein Herr Dürrenmatt, Kleist oder Goethe. Viele Gedichte prägen sich derart ins Gedächtnis ein, dass wir sie noch Jahre später blind aufsagen können. Einige Bücher sind trockener als andere. Wieder andere begeistern, und so manche können gar nicht ohne eine Wikipedia Interpretation verstanden werden.

Da ich sehr leseaffin bin, beherberge ich viele berühmte Klassiker in meinem Bücherregal. Sturmhöhe, Stolz und Vorurteil, Tom Sawyer … Viele habe ich mit Freude gelesen, durch einige habe ich mich allerdings quälen müssen. Und nachdem ich mir lange Gedanken darum gemacht habe, ist mir klargeworden, dass einige von ihnen – nicht alle – meiner Meinung nach nicht mehr unterstützt werden sollten.

Kurz vorab: Mit „nicht unterstützen“ meine ich, dass jene Bücher nicht mehr zwingend als Pflichtlektüre in der Schule behandelt werden müssen. Nicht, wenn es tolle Alternativen gibt.

Klassiker sind problematisch.

Sie können gar nicht nicht problematisch sein, da sie aus einer völlig anderen Zeit stammen. Wenn ich also Tom Sawyer lese und mir auf gefühlt jeder zweiten Seite das N-Wort begegnet, versuche ich meinen Ärger runterzuschlucken und mich daran zu erinnern, dass das Buch aus einer anderen Zeit kommt.

Dasselbe gilt für weitere schwierige Themen, die teilweise sogar verherrlicht werden – ich verweise mal auf Goethes „Heidenröslein“, ohne weiter darauf einzugehen…

Auch das Familienbild bereitet der Feministin in mir deutliches Unbehagen. Die Bücher wurden nun mal während einer Epoche mit anderer Moral und Ethik geschrieben.

Klassiker ergeben aus heutiger Zeit keinen „Sinn“.

Mein Lieblingsbeispiel ist das berühmte Stück „Romeo und Julia“ von William Shakespeare. Keine Ahnung, wie dieser Klassiker überleben konnte. Als meine Lehrerin damals im Unterricht ein Tränchen verdrückte, als die beiden Protagonist*innen starben, konnte ich ihre Trauer nicht nachvollziehen.

Ich meine Hallo? Die beiden waren Kinder! Wie alt? 12 oder 13 glaub ich! Zwei Teenager, die sich ineinander verknallen und in einem Akt pubertärer Hysterie selbst umbringen. Tragisch ja, aber warum MUSS das gelesen werden? Was nimmt man aus dieser Geschichte mit? Was ist die Moral? Dass Feindschaft unter Familien blöd ist? Dass man Teenager einfach lieben lassen sollte?

Aus heutiger Zeit ergibt dieses Stück überhaupt keinen Sinn, weil Teenager in diesem Alter ganz anders sind. Sie heiraten nicht mehr so früh und sie opfern sich auch ganz sicher nicht für andere, weil daran ganz und gar nichts romantisch ist. Wenn Teenager es lesen, können sie sich kaum mit ihnen identifizieren, weil ihre Leben ganz andere sind.

„Aber gerade das ist doch so spannend“ würden vielleicht einige behaupten.

Ja, spannend, aber irgendwie auch sinnlos, oder? Ein Buch zu lesen erfordert mehr Zeit, als einen Film zu gucken. Warum also die Zeit in Anspruch nehmen, wenn man stattdessen was anderes lesen könnte?

Bis hier könntet ihr noch behaupten, ich sei kleinkariert. Und ich würde euch auch nicht widersprechen – ich bin kleinkariert! Aber mir geht es um einen wesentlichen Aspekt:

Warum immer die Klassiker lesen, wenn es inzwischen tolle zeitgemäße Literatur gibt?

Und mit zeitgemäß meine ich Bücher, in denen nicht das N-Wort vorkommt. Bücher, in denen die Frau nicht gebrechlich und schwach ist, sondern stark und emanzipiert. Bücher, in denen es nicht auf jeder Seite vor toxischer Männlichkeit strotzt, sondern „Mann“ auch ruhig mal „Mensch“ sein kann.

Und Bücher mit mehr Diversität! Bücher, in denen Homosexualität oder verschiedene Religionen oder Tabuthemen aufgezeigt werden!
Vor allem aber Bücher, die nicht staubtrocken sind, sondern sich angenehm lesen lassen.

Bücher, die nicht so trocken sind!

Ja, auch das ist ein sehr großer Aspekt für mich. Da die Bücher aus einer anderen Zeit stammen, fällt ihr Schreibstil oft sehr trocken und langatmig aus. Manchmal sind die Kapitel so lang, dass ich mehrere Tage brauche, um eins zu beenden. Lange Kapitel führen dazu, dass man nicht schnell vorankommt. Lange Kapitel führen dazu, dass man abschweift. Zumindest ist das bei mir so.

Aber ich will damit auch nicht alle Klassiker runterziehen! Einige schätze ich sehr und beherberge sie mit Stolz in meinem Büchersammelsurium.
Und die folgenden haben für mich auch eine sehr wertvolle Moral.

Meine liebsten Klassiker:

1. Das Bildnis des Dorian Gray – Oscar Wilde

Dieses Buch ist zwar sehr verstörend, hat aber eine sehr wichtige Botschaft, was innere und äußere Schönheit (und Hässlichkeit) angeht.

2. Der Besuch der alten Dame – Friedrich Dürrenmatt

Dieses Werk habe ich in der Schule kennen und lieben gelernt. Es ist sowohl gesellschaftskritisch als auch spannend.

3. Stolz und Vorurteil – Jane Austen

Sehr kitschig, aber einfach nur mega niedlich! Ich habe es damals gelesen, nachdem ich den Film gesehen hatte und mag das Buch tatsächlich noch mehr.

4. Der Sandmann – E.T.A Hoffnann

Dieses Buch habe ich kurz vor meinem Schulabschluss in der Epoche der Romantik gelesen. Auch dieses hatte es mir sehr angetan, weil es für mich ein bisschen wie der Thriller einer anderen Zeit war.

5. Die unendliche Geschichte – Michael Ende

Auch diesen Klassiker kann ich euch nicht vorenthalten. Ein Buch im Buch – das gibt es in der unendlichen Geschichte. Und die Welt Phantasia. Und den Protagonisten Bastian, der nicht nur die unendliche Geschichte, sondern auch die Geschichte über sich liest…

 

Meine 5 Empfehlungen für zeitgemäße Literatur (7-10 Klasse):

1. Eine wie Alaska – John Green

John Green schreibt wundervolle Jugendbücher, die meiner Meinung nach auch gut in die Schule passen. Im Buch gibt es eine starke, feministische Mädchenfigur und einen unsicheren schüchternen Jungen, der nicht vor Muskeln und dem Stigma des „Mannes“ strotzt. Und das Setting spielt in der Schule, weshalb sich Schüler vermutlich sehr gut mit der Handlung identifizieren könnten.

2. Nichts: Was im Leben wichtig ist – Janne Teller

Auch dieses Buch kann ich euch sehr ans Herz legen. Es geht um den Sinn des Lebens und was er bedeutet. Vor allem geht es darum, wie weit Menschen gehen, um das zu beweisen…Ein sehr gesellschaftskritischer Roman.

3. Als Hitler das rosa Kaninchen stahl – Judith Kerr

Dieses Buch habe ich selbst noch nicht gelesen, aber mir vor Kurzem angeschafft. Es spielt während des Nationalsozialismus, und handelt von der jüdischen Anna, die mit ihrer Familie in die Schweiz flüchtet.

4. Dear Evan Hansen – Val Emmich

Auch dieses Buch kann ich euch sehr ans Herz legen, weil es dort um Einsamkeit und Suizid geht. Und was passiert, wenn man wider Willen plötzlich der Beliebte der Schule ist.

5. Löcher. Die Geheimnisse von Green Lake – Louis Sachar

Dieses Buch ist das Einzige aus der Reihe, welches ich tatsächlich auch in der Schule gelesen habe. Ich mochte es sehr und will gar nicht zu viel verraten, weil es viele Plottwists gibt, die einen Überraschungsmoment verdienen.

Ich glaube, dass sich Kinder viel eher zum Lesen motivieren lassen, wenn ihnen das Lesen Spaß macht.

Sie müssen nicht auf einen lyrischen Schreibstil oder eine spannende Handlung verzichten. Sie können beides haben – vielleicht etablieren sich so neue Klassiker – moderne Klassiker!

Hand aufs Herz: Welches der Klassiker habt ihr zu Schulzeiten gehasst? 

Falls ihr noch mehr Buchtipps braucht, dann schaut gern hier vorbei:

„Wir alle sind anders und doch gleich viel wert!“ – 10 Jugendbuchtipps mit mehr Repräsentation

Liebe Grüße
Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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1 Kommentare

Marc Hauser
Antworten 26. Juli 2022

warum sie wieder mehr Klassiker lesen sollten?...genau aus den Gründen, die sie da angeführt haben nur anders, als sie es für sich ausgelegt haben
Sie schauen sich nur diesen kurzen Zeitabschnitt ihres Lebens an und sind der Meinung, dass es jetzt das Maß aller Dinge sei. Meiner Meinung nach, sind sie ziemlich auf dem Holzweg, dass was sie als "toxische Männlichkeit" bezeichnen, entspricht eher der Realität. Diese heutige Epoche wird für meine Begriffe nicht lange bestehen blieben, da sie sehr künstlich erzeugt worden ist. Also lesen sie wieder die Klassiker, sie werden wohl der neue Moderne den Weg ebenen,

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