Menschen, die nicht gern lesen, sind „dumm“? Oder einfach nur Menschen, die nicht gern lesen?


Die einen lesen gern Bücher, die anderen tun es nicht. Letzteres geht jedoch mit gewaltigem Druck einher, denn viele kommen sich deshalb etwas „dumm“ vor. In diesem Beitrag soll es darum gehen, warum das keinesfalls stimmt, wie unterschiedlich die Vorstellungskraft bei jedem Menschen ist.

Vielleicht ist es ironisch, dass ausgerechnet ich diesen Beitrag schreibe, da ich es liebe, zu lesen, und meinen Mitmenschen ständig Buchempfehlungen andrehe. Aber nachdem eine Person mal zu mir sagte, dass eine solche Aufforderung ihr Druck mache, wurde ich hellhörig und wollte mehr darüber erfahren.

Aber zurück auf Anfang:

Mein liebstes Medium ist das Buch.

Ich liebe es, mich in den Worten eines anderen zu verlieren, in andere Welten einzutauchen und meiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Wenn ich lese, werde ich ganz ruhig. Das Lesen ist meine persönliche Meditation.

In der heutigen Zeit sind Bücher aber längst nicht mehr so hipp, wie sie es vor einigen Jahrhunderten waren. Die meisten sehen lieber Filme oder Serien statt Romane zu lesen. Sie schauen Dokus, statt ein Sachbuch zu lesen. Oder sie hören Podcasts, als sich einen Artikel durchzulesen. Mit jedem Jahrhundert werden neue Medien geboren. Und die Bücher rücken immer mehr nach hinten.

Diese Verschiebung hat dazu geführt, dass Bücher zwar immer weniger präsent werden, aber dadurch auf eine fast schon elitäre Ebene gerutscht sind. Wer lieber liest als Filme guckt, gilt als intellektuell (und vielleicht auch etwas spießig). Das sind natürlich alles Klischees, denn der Konsum von Büchern und Filmen definiert uns nicht.

Es stimmt zwar, dass das Lesen von Büchern viele gesundheitliche Vorteile mit sich bringt (angeblich verlängern sie sogar das Leben), und die Intelligenz fördern kann (dazu bald mehr in einem anderen Beitrag), aber das nicht-Lesen macht einen auch nicht „dümmer“.

Und damit kommen wir zu der Aussage der Person, mit der ich sprach.

„Ich komme mir irgendwie dumm vor, weil ich nicht gern lese.“

„Warum denn dumm?“, fragte ich überrascht. „Was hat deine Intelligenz damit zu tun, ob du gern oder nicht gern liest?“

„Ich kann es aber auch nicht so gut“, gestand sie. „Ich habe einfach keine Konzentration. Ständig bleibe ich auf derselben Seite kleben, weil ich mit den Gedanken abschweife. Außerdem bin ich eine extrem langsame Leserin. Ich brauche ewig, um ein Kapitel zu beenden.“

Es tat mir leid, dass die Person so empfand, obgleich ich auch verstand, warum sie so dachte. Schließlich ging es mir als Kind genauso. Ich las nicht gern, und wenn dann nur Bücher mit wenig Text und vielen Bildern, damit ich mir die Handlung besser vorstellen sollte.

Und genau das ist der springende Punkt:

Die Vorstellungskraft wird bei jedem unterschiedlich aktiviert.

Die einen brauchen Bilder, die anderen müssen sie sich vorstellen. Die einen bevorzugen Klänge und Töne, aber keine Bilder. Deshalb gibt es heute auch so viele Medien: Bücher, Hörbücher, Filme, Stummfilme, Lieder, Podcasts, und so weiter.

Da ich den ganzen Tag vor dem Laptop oder Handy verbringe, sehne ich mich als Ausgleich immer sehr nach anderen Medien, die außerhalb eines Bildschirms stattfinden. Ich bin aber auch nicht so visuell gepolt, bei mir sinkt die Konzentration nämlich oft beim Fernsehen. Dann scrolle ich plötzlich auf meinem Handy rum, weil ich ständig abschweife.

Menschen, die nicht gern lesen, sind nicht dumm!

Sie lesen einfach nur nicht gern. Und vielleicht können sie es auch nicht so gut, weil ihre Vorstellungskraft sich nicht durch bloßen Text aktivieren lässt, aber deshalb sind sie nicht dumm. Und Lese-Heinis wie ich sind auch nicht schlauer oder besser, weil sie lieber zu den alten Wälzern greifen.

Natürlich wird die Digitalisierung auch ihre Finger im Spiel haben. Menschen, die von Beginn an Bild und Ton gewohnt sind, finden vermutlich einen schwereren Zugang zum Lesen. Und überhaupt geht es ja auch um den Spaß. Wenn man einfach nicht gern liest, sollte man sich nicht mit Selbstvorwürfen quälen.

Übrigens gibt es den Lesedruck auch unter den Leser:innen selbst. Ich zum Beispiel finde selten einen Zugang zur klassischen Literatur mit einer alten Sprache. Auch mit Poesie kann ich nicht viel anfangen, genauso wenig mit Zeitungen und ihren winzigen Buchstaben. Ich habe mich deswegen oft „dumm“ gefühlt, weil ich lieber meine Liebesromane lese, aber das bin ich nicht. Meine Interessen liegen nun mal woanders, und das macht mich weder schlauer noch dümmer.

Menschen, die nicht gern lesen, sind nicht dumm, sondern sie sind Menschen, die nicht gern lesen!

Soweit mein Fazit!

Wie seht ihr das? Kennt ihr selbst den Druck, der mit dem Lesen einhergeht? Was ist eure Meinung dazu?

Übrigens habe ich als Kind früher überhaupt nicht gern gelesen – in diesem Beitrag erzähle ich, wie die Leidenschaft ihren Anfang nahm:

Ein Kind, das einfach nicht liest? – Meine Liebe zum Lesen kam erst später

Liebe Grüße
Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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1 Kommentare

Monika & Thomas
Antworten 15. Februar 2022

Liebe Mounia! Vielen Dank für deinen spannenden Beitrag zum Thema Lesen. Dieser hat uns einen anderen Blickwinkel eröffnet. Denn wir arbeiten mit Kindern, die grundlegende Leseschwierigkeiten haben. Ihnen fällt das Lesen enorm schwer: Sie stolpern über Buchstaben, vergessen Endungen und erfinden ganze Wortteile. Deshalb ist das Lesen für sie anstrengend, zeitraubend und ermüdend. Die logische Konsequenz ist: Sie vermeiden das Lesen. Und wenn sie als Kinder keine gezielte Unterstützung bekommen, bleibt das auch im Erwachsenenalter.
Das hat meist nichts mit Intelligenz zu tun. Viele Kinder mit grundlegenden Leseschwierigkeiten haben ausgewiesene Stärken in anderen Schulfächern und Lebensbereichen. Sie brauchen einfach andere Wege fürs Lesenlernen, die in der Schule nicht angeboten werden.

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