Die üblichen Floskeln anderer übernehmen – Sind wir in Wahrheit alle Sprach-Chamäleons?


Kennt ihr das, wenn ihr viel Zeit mit einer Person verbringt, und plötzlich die ein oder anderen typischen Sprüche oder Floskeln übernehmt? Ich habe mir noch nie große Gedanken darum gemacht, aber sind wir in Wahrheit eigentlich alle Sprach-Chamäleons?!

Hand aufs Herz: Jede*r kennt das Phänomen! Ihr steht einer Person nahe, die immer einen bestimmten Spruch raushaut – und schon aktiviert sich das Chamäleon in euch und ihr sagt es auch!

Ein kleines Beispiel: Meine beste Freundin „denglischt“ immer und führt englische Begriffe ins Deutsche ein. Früher habe ich sie ein bisschen damit aufgezogen – aber jetzt tue ich es selbst! Obwohl ich es früher lächerlich fand, rutschen mir jetzt Begriffe wie nice (deut. „cool“) oder same (deut. „bei mir genauso“) oder awkward (deut. „seltsam“) aus.

Aber nicht nur das – ganze Sprüche werden übernommen!

Meine Mutter sagt immer den total komischen Spruch: „Lecker, lecker, Mr Bäcker!“, wenn sie etwas sieht, das sie schmackhaft findet. Und jetzt sage ich es auch! Ganz unbewusst! Und mein Freund auch. Meine Mutter hat mich beeinflusst und ich habe ihn beeinflusst. Eine äh … Kausalkette … oder so ähnlich!

Meine Schwester, die früher alles immer mit –ich ausgesprochen hat – also lustich, witzich, traurich sagt durch ihren Freund jetzt immer alles, so wie es geschrieben wird mit G – lustig, witzig, traurig. Wir übernehmen die Floskeln anderer und andere übernehmen unsere.

Ich könnte noch ewig so weitermachen und ich glaube ihr auch. Floskeln gibt es zu genüge. Meine Cousine in NRW sagt Sprüche, die ich in Berlin nicht kenne. Und ich sage Sprüche, die sie nicht kennt. Floskeln sind von Gegend zu Gegend anders. Jeder von uns hat sie.

Floskeln nachsagen ist das Natürlichste auf der Welt.

Wie sonst lernen Babys zu sprechen, außer den Eltern nachzuplappern? Oder den Erzieher*innen? Oder den Kita-Freund*innen? Mein Babysitterkind hat irgendwann auch angefangen mir nachzuplappern. Er hat so das Wort Pfui gelernt, weil es mir immer mal wieder über die Lippen kam, wenn er sich mal wieder mit Sand, Schlamm oder irgendwas anderem Klebrigen eingeschmiert hatte. Auch hat er irgendwann Mami und nicht mehr Mama gesagt, weil ich generell nie Mama sondern Mami sage. Also sowas wie „Deine Mami kommt in einer Stunde!“

Sprache verbindet.

Das tat sie schon immer. Treffen wir inmitten einem Haufen Fremder auf jemandem mit derselben Sprache, fühlen wir uns mit der Person automatisch ein bisschen verbunden. So geht es mir oft. Wenn ich im Ausland war und inmitten von Einheimischen zufällig auf eine deutsche Person treffe, teilen wir eine Gemeinsamkeit. Wir können ohne Hindernisse miteinander kommunizieren und Kommunikation führt wiederum dazu, dass sie uns verbindet. Und genauso ist es auch mit Floskeln.

Aber warum Chamäleon?

Weil ich glaube, dass es um Anpassung geht. Ich glaube, dass wir Menschen uns am wohlsten fühlen, wenn wir uns nicht ganz so sehr von anderen unterscheiden. Das bedeutet nicht, dass der Charakter identisch sein muss, wohl aber, dass es leichter ist, wenn es Parallelen zueinander gibt.

Kann es auch Nachteile haben, die Floskeln anderer zu übernehmen?

Die Antwort: Ja! Das muss aber nicht an der Floskel liegen, sondern am Menschen selbst. Ist jemand in unserem Leben, der uns eigentlich nicht guttut, kann dieser einen negativen Einfluss auf uns haben – auch sprachlich. In der achten Klasse kannte ich ein Mädchen, die im Nachhinein betrachtet nicht sehr freundlich war – und ihre Aussprache war es auch nicht. Doch da wir befreundet waren und viel Zeit miteinander verbrachten, übernahm ich  ganz unbewusst ein paar ihrer Ausdrücke.

Meiner Mutter fiel es sofort auf. „Seit du mit ihr abhängst kleidest du dich wie sie und redest wie sie!“ Ihre Worte waren wohl bemerkt nicht positiv gemeint, denn sie mochte das Mädchen nicht. Meine Mutter hatte schon immer einen Riecher für Menschen, die hart gesagt toxisch für den naiven Teenager Mounia waren. Aber ich, die Rebellin, sah es natürlich nicht ein. Weder akzeptierte ich, dass ich meinen Kleidungsstil anpasste (Chamäleon eben), noch, dass ich plötzlich anders sprach (ebenfalls Chamäleon). Heute weiß ich, dass es mir um reine Anpassung ging und ich auch Sprüche und Kraftausdrücke übernahm, die mir tief im Innern gar nicht zusagten.

Floskeln sind mächtig, wirkungsvoll und verbinden.

Sie verbinden uns miteinander, im positiven als auch im negativen Sinne. Sie werden immer da sein, doch wie ein Chamäleon auch immer wieder wechseln. Denn Sprache ändert sich – und unser Sprachjargon tut es auch.

Was haltet ihr von meiner Pseudowissenschaft? Seht ihr das ähnlich, oder anders? Und wie ist es mit euren Floskeln? Was gibt es, dass ihr von anderen übernommen habt?

Liebe Grüße
Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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