„Wenn sie tanzt, ist sie wo anders, für den Moment dort wo sie will…“ – über ein Lied von Max Giesinger


Ihr Lieben, unsere Tolla-Redaktion hat Zuwachs bekommen – ab nun schreibt auch Stefanie hier! Sie hat schon früher mit uns Tollabox-Geschichten geschrieben und nun ist sie wieder dabei – heute mit Musik… 

Ich bin definitiv ein Fan deutscher Popmusik. Die Leidenschaft dafür wurde mir bereits in frühsten Kindheitstagen eingepflanzt. Meine elf Jahre ältere Schwester war schon in den 70igern ein großer Fan von Udo Lindenberg, BAP, Grönemeyer und wie sie alle heißen. In der DDR aufwachsend war das keine leichte Sache, denn die teilweise sehr kritischen Lieder standen samt dazugehörigen Sängern auf dem Index. Daher kam es auch nicht besonders gut an, als ich als Vierjährige im Kindergarten den „Sonderzug nach Pankow“ vor mich hin trällerte, den ich auswendig konnte, weil er zu Hause in Dauerschleife lief. Ich dachte, dass der Sänger über einen kleinen Jungen singt, denn er sprach ja immer wieder von einem „kleinen Udo“. Deshalb konnte ich überhaupt nicht nachvollziehen, weshalb die Erzieher sich so aufregten. Schließlich schien sich der Sänger ja für den kleinen Udo einzusetzen und sich für Schwächere einsetzen war ja eine gute Sache… dachte ich.

Lieder müssen mir Geschichten erzählen…

Meine Liebe zur deutschsprachigen Musik blieb, prägte mich sehr und begleitet mich noch heute. Zu den altbekannten Deutschrockern gesellen sich inzwischen Sänger wie Bosse, Maxim, Joris und viele andere – Menschen, die Geschichten erzählen, die mich mit ihren Liedern auf eine Reise mitnehmen, die mich lachen und tanzen, aber auch nachdenken lassen und mich berühren.

Als Béa also fragte, ob jemand Interesse hätte, einen Blogpost über das neue Lied von Max Giesinger zu schreiben, einem deutschsprachigen Sänger, hauten meine Finger ein flinkes „JA!“ in die Tastatur und mein Beitrag für unseren Blog stand fest. Ich muss zugeben, dass ich Max Giesinger bis dato nicht kannte. Laut Auskunft der PR Agentur war er Finalist bei „The Voice of Germany“ und merkte dadurch, welchen Weg er in der Musikbranche nicht gehen möchte. Statt dessen finanzierte er sein erstes Album „Laufen lernen“ durch Crowdfunding. Der Song „80 Millionen“ erreichte Platz 2 der deutschen Singlecharts und wurde der inoffizielle Fussball EM Song. Da ich ein absoluter Sportmuffel bin und diese Muffeligkeit auch vor einer EM nicht Halt macht, zog der Song und mit ihm Max Giesinger unerkannt an mir vorbei.

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…und mich in Bewegung versetzen

Das Lied „Wenn sie tanzt“ war also meine erste Begegnung mit Giesingers Musik. Ich muss sagen, es war ein schönes erstes Date. Mich berührt das Lied. Ich mag den Rhythmus, der sich langsam in den Körper schleicht, sanft, aber schwungvoll und mich in Bewegung versetzt. Ich mag das Positive, das Leichte des Liedes, auch wenn es eigentlich über eine Schwere erzählt, die Schwere der vielen Verpflichtungen, wenn man Kinder groß werden lässt, Verpflichtungen, die besonders schwer wiegen, wenn man sie allein stemmen muss. Vielleicht ist es gerade diese Kombination, einer Schwere etwas Leichtes zu geben, die mich erreicht und die ich so schön an dem Lied finde.

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„Sie fragt sich, wie es gelaufen wäre, ohne Kinder. Selber laufen lernen. Aber ihr Tag lässt keine Pause zu.“

Als Mutter eines Teenagers und eines Kleinkindes ist mir das Gefühl, in einem vollen Kalender festzustecken, vom Alltag bestimmt zu werden und sich die Frage zu stellen: „Was wäre wenn…?“ durchaus vertraut. Auch wenn ich meine beiden Herzenskinder gegen nichts in der Welt eintauschen würde, gibt es Momente, wo ich meine kinderlosen Freunde beneide. Einfach mal weggehen, ohne am nächsten Morgen von tobenden Kindern geweckt zu werden. Einfach mal in den Urlaub fahren ohne Rücksicht auf Ferienkalender. Einfach mal stundenlang auf dem Sofa liegen und Serien bis zum Umfallen gucken, ohne zum Kindergarten zu müssen, Hausaufgaben zu kontrollieren etc. Was wäre wenn…?

Die Frage kommt, verharrt kurz, lädt zu Gedankenspielen, Südseeträumen und einer Welt ohne Schlafmangel ein… und dann verschwindet sie wieder, weggezaubert durch das Lachen meiner 1,5jährigen Tochter, die sich darüber freut, dass sie es geschafft hat, den Hocker zum Waschbecken allein hoch und wieder herunter zu steigen. Die Frage verschwindet, weggeschoben durch das Strahlen meines großen Sohnes, der mir mit brennender Leidenschaft von seinem neuesten Buch erzählt.

„Wenn sie tanzt, ist sie wo anders, für den Moment dort wo sie will…“

Ich mag das Video zum Lied, denn es gibt am Ende eine Stelle, in der die Musik kurz stoppt und plötzlich greift eine kleine Kinderhand in die Hand der Mutter und sie tanzen gemeinsam durch`s Leben. Als ich das Video das erste Mal ansah, dachte ich kurz bevor diese Stelle kam: „Das ist echt schön, aber eigentlich müssten jetzt die Kinder irgendwie dazukommen…“ Und dann kam die kleine Hand. Denn genau das ist es: eine Möglichkeit zu finden, den Herausforderungen des Alltags die Schwere zu nehmen. Das gelingt manchmal ganz einfach durch ein Kinderlachen und manchmal gelingt es eben auch nicht mit den Kindern, sondern durch einen Rückzug in Gedankenspiele:

„Wenn sie tanzt ist sie wo anders
für den Moment
dort wo sie will
und wenn sie tanzt
ist sie wer anders
lässt alles los
nur für das Gefühl
dann geht sie barfuß in New York
trampt alleine durch Alaska
springt vor Bali über Bord und taucht durch das blaue Wasser
wenn sie tanzt ist sie woanders
lässt alles los nur für das Gefühl“

Es ist völlig okay und normal manchmal inne zu halten und Gedankenspiele zu haben, sich zu fragen: Was wäre wenn? (Diese Frage stellen sich garantiert nicht nur Eltern.) Schön ist es, wenn sich zwischen den Gedankenspielen und dem eigenen, realen Leben eine Brücke findet, wenn die kleine Hand in die große greift….

Deshalb wünsche ich euch allen – ob Eltern oder nicht, alleinerziehend oder zu zweit, dritt, viert -, dass ihr eure Zufluchtsorte habt, Auszeiten, die euch tanzen, träumen, Kraft tanken lassen.

Alles Liebe
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Für alle Interessierten hier noch ein paar Infos zum Hintergrund des Liedes: 

Mit dem Release der zweiten Single „Wenn sie tanzt“ erzählt Giesinger eine höchst persönliche Geschichte: „Er beschreibt die wunderbare Möglichkeit, mittels Musik eine Ausflucht aus den Sorgen, Nöten und Zwängen des Alltags zu finden. So erging es eben auch seiner Mutter: alleinerziehend, parallel einen Job, den Haushalt und Max‘ Erziehung schmeißend – und abends, wenn sie einmal einen Moment innehalten konnte, hörte sie Max unheimlich gern dabei zu, wie er Songs auf der Gitarre spielte. Was für eine Leistung sie damals vollbrachte – gleichwohl eine Leistung, die in der heutigen Gesellschaft von zahllosen Müttern und Vätern erwartet wird – und wie Musik ihr dabei geholfen hat, das wurde Max erst viel später klar; und führte letztlich zum Thema dieses höchst berührenden Songs. Das „Tanzen“ dient dabei als Metapher für die wunderbaren Nischen der Erholung, die Musik dem einzelnen im nie enden wollenden Trubel des Alltags bieten kann – und ist damit eine Erfahrung, die sicher jeder von uns schon einmal gemacht hat.“

(Auszug aus der Pressemappe zum Album)

Zur Transparenz: Wir erhalten kein Geld für diesen Blogpost, aber wenn ihr hier was von Max Giesinger kauft, kommt ein wenig Affiliate Prämie zurück zu uns…
(affliate Links, also Werbung)

 

Stefanie Kaste
About me

Stefanie lacht, lebt und liebt in Berlin zusammen mit ihrem Lieblingsmann, ihrem Teenager und ihrem kleinen Tornado. Als Familie erkunden sie die Welt, suchen nach dem Ende des Regenbogens und sind immer für neue Abenteuer zu haben. Stefanies Herzensthemen sind die (digitale) Bildung und Nachhaltigkeit, denn beides sind Kernthemen, um die Zukunft unserer Kinder positiv zu gestalten.

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9 Kommentare

Janine
Antworten 27. Oktober 2016

Mir gefällt das Lied nicht. Und zwar genau deshalb, weil man das Gefühl, welches entsteht, wenn man das Video sieht (ich habe es noch nicht gesehen) und die Hand des Kindes die Hand der Mutter greift, nicht im Lied wieder findet. Dadurch wirkt es negativ, resigniert, traurig. Beim ersten Mal Hören habe ich auf das Happyend gewartet, weshalb sich die ganze Aufopferung für die Kinder gelohnt hat, aber es kam leider nicht.

    Stefanie Kaste
    Antworten 27. Oktober 2016

    Ich verstehe, was du meinst. Bei mir kommt das Lied jedoch anders an. Schon allein die Melodie ist leicht und vermittelt mir deshalb keine Resignation. Ich empfinde den Text eher als eine Art Anerkennung für das, was Eltern so leisten und wie wichtig kleine "Fluchtmöglichkeiten" sind. Und ich finde es tatsächlich auch wichtig, mal laut zu sagen, dass es völlig normal ist, wenn man auch mal darüber nachdenkt: "Was wäre wenn...", dass solche Gedanken nicht gleich bedeuten, dass man sich falsch entschieden hat oder seine Kinder nicht liebt. Es ist einfach normal, auch mal gedanklich zu flüchten.

    Teresa
    Antworten 23. März 2017

    Genauso geht es mir auch. Kinder/Teenager die diesen Song hören werden sich einfach nur schlecht fühlen und darüber nachdenken ob sie ihrem jeweiligen Elternteil die Zukunft ruiniert haben. Deswegen sehe ich es auch eher als trauriges Lied, vor allem für die Kinder, die ihren Eltern die Möglichkeit nahmen 'laufen zu lernen'.
    Es hat einfach einen sehr bitteren Beigeschmack.

Sabrina
Antworten 16. Januar 2017

Ich komme mit dem lied auch nicht klar. Jedesmal wenn ich es höre dann denke ich "dann bekomm doch keine kinder..." oder "für was gibt es babysitter...". Ich hab 3 jungs und denke nie "was wäre wenn...". Das hab ich mir vor den kindern überlegt. Das video scheint sehr wichtig zu sein... aber wie gesagt... 3 jungs... ich kucke nie videos. Das lied hätte dann etwas anders geschrieben werden müssen. So kommt es für mich sehr negativ rüber. Schade eigentlich... die Melodie gefällt mir...

Meike
Antworten 14. Februar 2017

Ich finde das Lied großartig. Ein bißchen "ich war noch niemals in New York " für Mütter. Ich bin sehr froh dass meine beiden pubertierenden Kinder da sind. Dennoch gibt es diese Momente, in denen ich mich auch kurz frage, was wäre wenn...
Kurz mal aus dem Alltag raus, kurz mal nur für sich allein verantwortlich sein, kurz mal nicht für drei denken, kurz mal nicht rechnen müssen, wie man die Klassenfahrt stemmen soll oder die nächste Jacke bezahlen.
Ich finde das überhaupt nicht verwerflich, sondern höchst menschlich. Solange am Ende der Frage kein: "das wäre viel besser" steht. Es wäre sicher einiges einfacher. Es wäre vielleicht vieles weniger anstrengend...Aber es wäre - zumindest für mich- auch vieles langweiliger. Aber diese kurze Träumerei, was wäre wenn du nach getaner Arbeit wirklich Feierabend hättest? Wenn du das Buch nach Wochen einfach mal am Stück zu Ende lesen könntest? Wenn du am Wochenende einfach ins Auto steigen und ans Meer fahren könntest? Diese kurze Träumerei finde ich schön. Mir gefällt das Lied sehr sehr gut und dass ein "Kind" das im Nachhinein für seine Mutter schreibt, finde ich im großen Maße wertschätzend und höre so viel Anerkennung für die Mutter heraus!

Doris Weil
Antworten 15. Februar 2017

Was wäre wenn, ich glaube die Frage stellt sich jeder Mensch irgendwann mal zu irgendeiner Situation. Die Melodie gefällt mir sehr gut, der Text des Liedes trifft mich emotional und ich denke an meine alleinerziehende Zeit zurück. Es war eine sehr schöne, anstrengende Zeit und wenn ich Gelegenheit hatte ,
tanzte ich und war kurz woanders und trotzdem glücklich da zu sein wo ich war. Heute bin ich Ü60 und erinnere mich gerne an die Zeit zurück.
Danke für den schönen Song!

Ms. M.
Antworten 22. Februar 2017

Hab das Lied eben im Radio gehört & war hin und weg! Und dein Beitrag spricht mir zu 100% aus der Seele - danke!

A. Sevinc
Antworten 6. April 2017

diese Lied berührt mich in so fern...es trifft genau vor 47 Jahren meine damalige Lebenssituation.Toll für mich durch ein schönes Lied zurück geführt zu werden.Seit vielen Jahren darf ich mit meiner Familie ein schönes Leben haben.Zeigt aber wie wichtig ein Rückblick sein kann. Angeregt durch Dein
Talent. Danke dafür!!
Liebe Grüße

Mario
Antworten 26. Januar 2018

Sorry, reine Gelddruckmaschine für BMG. Ein 30jähriger Singlemann singt über alleinstehende Mütter und diese wippen alle mit. Echt voll authentisch dieser Max. Leider scheint es zu funktionieren, wie dieser Blog zeigt ;).

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