Der einfache Ausweg – Ablenken – fällt Erwachsenen meistens nicht ein


Ärger? Geschrei? Kummer? Die meisten Kinder bis ins Teenie-Alter hinein lassen sich wunderbar ablenken. Das Problem ist aber, dass wir Erwachsene leider den Tunnelblick haben und das Manöver schlichtweg vergessen. Hier ein Tipp, wie das am besten geht. 

Eine Szene am Pool in einem Hotel in Thailand, letztes Jahr: Eine Mutter will sich umziehen gehen, drückt dem Papa im Wasser das Kind (ca. ein Jahr alt) in die Hand und geht zum Hotelzimmer mit den Worten:

„Mama kommt gleich wieder.“

Der Vater nimmt liebevoll das losschreiende Kind in den Arm, und wiederholt: „Mama kommt gleich wieder.“ Kind weint weiter, Papa sagt weiterhin, gebetsmühlenartig: „Mama kommt gleich wieder.“ Das Weinen wird etwas weniger, das Kind plantscht ein wenig. Es seufzt nur noch. Jetzt sagt der Vater noch einmal: „Mama kommt gleich wieder.“ Jetzt macht es Blink beim Kind, es schaut sich um, sieht keine Mama, und plärrt erneut.

Vater: „Mama kommt gleich wieder.“

Nein, es hilft nicht.

Ich stehe auf, finde eine von einem Baum heruntergefallen Blüte, lege sie ins Wasser vor das Kind. Interessiert schaut es zu. Ich schubse die Blüte, so, dass sie in Wasser schwimmt. Das Kind schubst es zurück. Jetzt weint es gar nicht mehr, sondern beobachtet die Blüte. Ich tauche die Blüte etwas ins Wasser, lasse sie hochkommen… da schwebt sie wieder. Das Kind gluckst vergnügt.

Vater zu mir: „Dankeschön.“
Und zum Kind: „Mama kommt gleich wieder.“

Falsches Stichwort: Das Kind fängt wieder an zu schluchzen.
Ich führe ein kleines Wassertänzchen mit der Blüte: Sofort gibt es Ruhe.
Vater: „Mama kommt gleich wieder.“ Schluchzen.

Der Vater ist völlig verunsichert. Ich stelle fest, er kann schlecht das Weinen des Kindes aushalten und spricht sich eigentlich selbst Mut zu. Das ist kontraproduktiv: Jedes Mal, wenn er „Mama“ erwähnt, erinnert er das Kind an Mama. Klar, dann will das Kind auch Mama – und das „gleich wieder“ ist für ein Einjähriges ungefähr so nah wie für uns Erwachsene jetzt der Frühlingsanfang.

Ich habe oft in solchen Situationen Erwachsene beobachtet, die schlichtweg nicht mehr „um die Ecke“ denken können. Ganz oft werden sie selbst sauer, und herrschen das Kind an.

„Hör auf zu weinen!“ ist der Lautstärke-Regler in genau die unerwünschte Richtung

Ich meine mich zu erinnern, dass mindestens die Hälfte von Kindernörgeligkeiten, Wut- oder Plärranfällen bis hin ins Grundschulalter sich durch tolle Ablenkungsmanöver beibiegen lassen. Die Natur bietet Großartiges: Blätter, Blüten, Stöckchen, Steine, vorbeiziehende Vögel… oder: „Wahnsinn. Hast du die blaue Katze gesehen, die gerade da verschwunden ist?“ Dann braucht ihr etwas Fantasie: „Sie hatte sogar rote Ballerinas an den Pfoten!“

Kinder_ablenken_oder_troesten

Klar, machmal funktioniert gar nichts, und da hilft nur noch Geduld und Besonnenheit.

Aber in den meisten Fällen sind kreative Fantasien und Experimentierangebote sehr, sehr hilfreich.

Allerdings nicht gleich! Und das ist jetzt sehr wichtig!

Ablenken funktioniert am besten, NACHDEM man den Schmerz des Kindes verstanden und anerkannt hat. Also, wenn es sich um Mama-Vermissen dreht, ist eine kurze knappe Ansage: „Mama kommt gleich wieder“, gefolgt am besten von: „Komm, wir spielen etwas bis dahin“ tatsächlich richtig und gut. Nur die Wiederholungen helfen nicht. Wenn das Kind traurig ist, dass es sich von einem Elternteil trennen muss, sollte man ihnen gar nicht ausreden wollen, dass ihr Gefühl nicht richtig ist. „Ich weiß, du bist traurig, dass Mama gehen muss. Komm, ich tröste dich, und dann habe ich noch was ganz Spannendes!“ pflegte die Kindergärtnerin meiner Tochter zu sagen – und das fand ich wunderbar!

Oft weinen Kinder auch ohne ersichtlichen Grund. Und dann ist es schon sinnvoll, sie ernst zu nehmen, um zu erfahren, was ihnen Kummer macht. Erst wenn dies klar ist, kann man das ggf. beseitigen oder klar machen, dass das nicht geht. Dann ist Trösten richtig.

Aber mit Kindern, die einfach nur Rabatz machen, weil man die Cornflakespackung am falschen Ende abgeschnitten hat oder weil man das Brot in Quadrate geschnitten hat, nachdem sie gesagt hatten, dass sie Quadrate wollten, aber eigentlich Dreiecke meinten… naja…  dann kommt echt lieber die blaue Katze mit den roten Ballerinas um die Ecke!
Und hat einen Frosch auf dem Kopf!
Oder war es eine kleine Krone?
Vielleicht war das eine Katzenkönigin?

Alles klar? Welche Tipps habt ihr? Welche sind eure schönsten Ablenkgeschichten? 

Liebe Grüße,

Béa

P.S. Kennt ihr übrigens das zauberhafte Kinderbuch „Pusten, Trösten, Pflaster drauf“?
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Béa Beste
About me

Schulgründerin, Mutter, ewiges Kind. Glaubt, dass Kreativität die wichtigsten Fähigkeit des 21. Jahrhunderts ist und setzt sich für mehr Heiterkeit beim Lernen, Leben und Erziehen ein. Liebt Kochen, reisen und DIY und ist immer stets dabei, irgendeine verrückte Idee auszuprobieren, meist mit Kindern zusammen.

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8 Kommentare

Nadine
Antworten 13. März 2018

Danke für den Beitrag.

Manchmal braucht man eine Auszeit vom Alltag.
Mein Mann und ich möchten für ein Wochenende ein Luxus Chalet mieten.

Grüße
Nadine

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