Die Unterschrift der Eltern nach einer verpatzen Klassenarbeit – Warum ich nichts von dieser Regel halte


Unser Schulsystem hat viele Stärken und viele Schwächen. Zur Letzteren zähle ich die Forderung nach der Unterschrift der Eltern unter jeder Klassenarbeit. In diesem Beitrag möchte ich mit euch teilen, warum ich glaube, dass diese veraltete Regel ziemlich wenig bringt.

Eine Fünf in Mathe – schon wieder! Aber nicht nur das, jetzt muss ich auch noch vor meine Eltern treten und ihnen sagen, dass der teure Nachhilfeunterricht nichts gebracht hat. Und dann gibt’s Streit. Und diesen „Ich bin sehr enttäuscht“-Blick. Und vielleicht auch ein „Nein, du bleibst besser zu Hause und lernst, statt dich wieder zu verabreden. Du hängst sowieso schon hinterher.“

Hach ja, die alte Schulzeit ….

Denke ich an all die vielen Tests, Klassenarbeiten und Klausuren, macht es sich ein faustgroßes Magengeschwür in meinem Bauch gemütlich. Sie zu schreiben, war das eine, ihre Bewertung zu erhalten das andere. Und dann der ganz große Schrecken.

Alle arbeiten müssen von den Eltern unterschrieben werden!

Wohlbemerkt nur bei den Vieren, Fünfen und Sechsen…

Aber trotzdem – Schnappatmung overload! :S

Ich war nie gut in Mathe, Physik oder Bio! Von Chemie ganz zu schweigen. Die ganzen Prozesse haben für mich einfach keinen Sinn ergeben und so geht es dem Rest unserer Familie auch! Wir alle sind eher sprachlich „begabt“, aber nicht gut mit Zahlen.

Trotzdem waren meine Eltern immer sauer bei einer Fünf – oder „enttäuscht“, was manchmal sogar noch schlimmer war. Ich wollte sie nicht enttäuschen. Ich wollte auch mich nicht enttäuschen. Und vor allem wollte ich nicht, dass das Versagergefühl noch größer wurde, in dem die Fünf unterschrieben wurde.

Und was tut ein unsicheres, konfliktscheues Kind, das nicht schon wieder Ärger wegen einer Fünf kriegen will? Es findet Wege, um dem Konflikt zu entgehen. Keine, worauf es im Nachhinein stolz ist.

Und damit kommen wir zu meinem dunklen Geheimnis, das meine Eltern bis heute nie herausgefunden haben.

Unterschrift fälschen!

Nach einer weiteren Fünf (trotz ganz viel Nachhilfe) brachte ich es einfach nicht über mich, ihnen die schlechte Nachricht wieder zu überbringen. Also fälschte ich die Unterschrift. Auf einem Papier übte ich die Schriftart meiner Mutter, dann setzte ich sie zitternd auf die Arbeit. Ich schrieb sogar mit rechts, obwohl ich Linkshänderin bin – es sollte schließlich so „professionell“ wie möglich sein.

Als meine Lehrerin einen Blick auf die Unterschrift warf, bekam ich fast einen Herzinfarkt. Doch sie merkte es nicht. Niemand merkte es. Und deshalb tat ich es wieder.

Und wisst ihr was? Vielleicht klingt es seltsam, aber ich hatte überhaupt kein schlechtes Gewissen. Denn der Ärger, der mir erspart wurde, war es allemal wert. Und so verbarg ich fortan die meisten schlechten Noten vor meinen Eltern und erzählte ihnen nur von den guten.

Aber war das die richtige Lösung?

Nein. Unterschriften der Eltern fälschen ist nichts, das hochgelobt werden sollte, im Gegenteil. Es ist irgendwie gruselig. Wenn ich daran denke, dass meine zukünftigen Kinder das machen würden, wäre ich ziemlich geschockt und gekränkt. Aber ich mache weder meinen Eltern noch meinem damaligen Ich einen Vorwurf.

Eher sehe ich das Problem in dem Schulsystem, das bei schlechten Noten die Unterschrift der Eltern benötigt. Denn warum überhaupt? Was soll die Unterschrift einem bringen? Dass die Eltern in Kenntnis über die schlechten Noten der Kinder gesetzt werden? Nun, das konnte ich geflissentlich umgehen…

(Anmerkung Béa beim Schluss-Redaktions-Lesen: Wozu den Noten überhaupt? Aber ja, Mounia hat auch daran gedacht, einfach weiter lesen… )

Unterschrift der Eltern – Bestrafung

Für mich hat die Unterschrift der Eltern etwas von „Bestrafung.“ Die guten Noten brauchen keine Unterschrift, die schlechten schon. Ich finde diese Sichtweise sehr veraltet.

Genau wie die Noten…

Und warum überhaupt Noten?

Vielleicht klinge ich jetzt extrem hippie-mäßig, aber um ehrlich zu sein finde ich Benotungen irgendwie seltsam. Meiner Meinung nach sagen Noten nichts darüber aus, ob jemand schlau ist oder nicht, sondern, ob jemand gut auswendig lernen und unter Zeitdruck so viel Wissen wie möglich runterballern kann.

Ich zum Beispiel hatte vor allem deshalb immer schlechtere Noten, weil ich ziemliche Prüfungsangst habe und bei aufkommender Panik ein Blackout kriege. Bei Aufsätzen, die man in Ruhe zu Hause machen konnte, waren meine Noten immer viel besser.

Klar bin ich ein Laie auf dem Gebiet. Ich weiß nicht, wie komplex das Schulsystem ist und bin mir bewusst, dass Benotungen durchaus ihre Logik haben. Aber in der Uni fand ich es trotzdem irgendwie entspannter. In einigen Fächern hatte man entweder bestanden oder nicht bestanden. Außerdem durften wir in vielen Klausuren auch unseren Hefter dabeihaben, weil es nicht darum ging, etwas auswendig zu lernen, sondern das Wissen richtig anzuwenden. Meine Noten in der Uni waren deutlich besser als in der Schule, selbst bei Kursen, die mir nicht so lagen.

Unterschriften wurden ebenfalls nicht gefordert, da wir schon alle erwachsen waren. Jede:r war für sich selbst verantwortlich und ich finde, dass das genauso in der Schule sein sollte. Klar, brauchen Kinder in schwächeren Fächern mehr Unterstützung, klar müssen Eltern über die Leistungen der Kinder informiert sein – aber die Unterschrift der Eltern bei einer verpatzten Klassenarbeit auch nicht besser machen.

Aber was ist die Lösung?

Um ehrlich zu sein habe ich die auch nicht. Ich weiß nur, dass Unterschriften nichts bringen (außer Ärger) und dass Benotungen auch nicht das einzig Wahre sind. Deshalb gebe ich die Frage nun an euch weiter: Wie würdet ihr das handhaben?

Und überhaupt – seht ihr das ähnlich oder ganz anders? Findet ihr die Unterschrift der Eltern nach einer verpatzen Klassenarbeit vielleicht sogar wichtig und sinnvoll? Habe ich irgendwas Elementares übersehen?

Ich freue mich sehr über euren Input!

Liebe Grüße
Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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3 Kommentare

Christine
Antworten 20. Juni 2021

Liebe Mounia,
die Eltern haben ein Anrecht, über die Leistungen des Kindes im Bilde zu sein. Und die Klassenarbeiten und Tests sind Zwischenstände.
Soweit - so sachlich - wenn man das System erstmal hinnimmt.

Aus Lehrerinnen-Sicht: Es müssen immer alle die Unterschrift bringen. Egal welche Note. Die andere Variante kannte ich nicht, dass nur die schwächeren Noten eine Bestätigung brauchen.

Natürlich können wir auch die gesamte Benotung in Frage stellen. Allerdings benötigen die Schüler:innen auf jeden Fall Rückmeldung über ihren Leistungsstand. Und die Eltern müssen mit ins Boot. Es ist ihr Job sich mit zu kümmern!

Ich hätte auch andere Ideen für Rückmeldungen, die sicherlich aufschlussreicher und gewinnbringender wären. - Da gibt es viel Luft nach oben!

Allerdings erlebe ich viele Kinder und Eltern, die Benotung wollen, weil sie sich mit einer anderen Rückmeldung aufwendiger auseinanderzusetzen müssten ;-)

Wenn ich weiß, dass meinen Schüler:innen zuhause Ärger für eine Note droht, dann schalte ich mich schon mal ein. Entweder arbeite ich mit dem Kind an einer Strategie oder ich wende mich an die Eltern.
Der Wert des Menschen macht sich nicht an einer Note fest und dieser Eindruck sollte auch nie vermittelt werden. Vor allem nicht von den Eltern!

Es ist ein wirklich weites Feld. Und es ist schade, dass du als Kind nicht mehr Rückhalt hattest.
Neben dem Bewertungs-System, muss sich auch die Haltung vieler Eltern verändern.
Gute Bildung braucht gute Teams aus allen Beteiligten.

Verena
Antworten 5. März 2022

Tatsächlich war Mathe auch während meiner Schulzeit das Probelfach Nummer Eins. Nur zu gut kann ich mich noch daran erinnern, wie viele Schüler nach der Rückgabe der Matheklausuren Angst vor der Reaktion ihrer Eltern hatten. Heute weiß ich, dass das Hauptproblem darin lag, dass vielen Schülern wichtiges Grundlagen-Wissen fehlte, sodass sie neue Themen kaum verstehen konnten. Daher ist es ratsam, in derartigen Fällen alles Wichtige mit der Unterstützung eines Nachhilfelehrers nachzuarbeiten.

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