Elternsprechtag – oder Horrortag, wie ich ihn so schön nenne
Wenn ich an die Schule denke, kommen viele unterschiedliche Emotionen in mir hoch. Eine davon fühlt sich an wie der schlimmste Bauchkrampf des Lebens, die beim Gedanken an den Elternsprechtag in mir hochkommt – oder Horrortag, wie ich ihn so schön nenne.
Der Elternsprechtag
Wir alle kennen ihn. Die Eltern des Kindes fahren nachmittags zur Schule und unterhalten sich mit den Lehrerenden über die Schulleistungen des Kindes. Da ich selbst nie anwesend war, kann ich mir nur ausmalen, wie das abgelaufen sein muss. Eltern und Lehrer:innen treffen sich im Klassenraum, führen ein wenig Smalltalk und plaudern dann über die Schule.
Und schon geht es los mit den Bauchkrämpfen. Denn jenes Event war sowohl für mich als auch für meine Eltern sehr unangnehm.
Der Elternsprechtag…
…ist unangenehm für die Eltern
Meine Mutter hat den Elternsprechtag aus vielerlei Gründen fast so wenig leiden können wie ich. Das lag zum Einen daran, dass sie sich extra bei der Arbeit ein paar Stunden freinehmen und quer durch die Stadt hetzen musste, um es zu dem Termin pünktlich wahrzunehmen. Und dann natürlich auch wegen des Gesprächs selbst.
„Willst du mir vorher noch irgendwas sagen?“, fragte sie, bevor sie sich auf den Weg machte. Doch ich schüttelte den Kopf, denn warum sollten wir jetzt UND nachher deswegen streiten? Sollte mein Lehrer ihr doch von meiner verpatzten Klausur und fehlenden mündlichen Mitarbeit erzählen …
..ist auch unangenehm fürs Kind
Noch schlimmer war es jedoch für mich, denn ich hatte keine Ahnung, was meiner Lehrer:innen von mir dachten. Mochten sie mich? Hassten sie mich? Wie genau war ihr Blick auf mich? All diese Fragen zermürbten mich.
Und dann natürlich das Gespräch über die Leistungen. Während der Mittelstufe hatte ich einen ziemlichen Durchhänger, der sich in meinen Noten sichtlich erkennen ließ. Zudem hatte ich immer konstant schlechte Leistungen in Naturwissenschaften. Aber das Schlimmste war die mündliche Mitarbeit.
Ich war das schüchternste Kind, das man sich vorstellen konnte. Selbst, wenn ich glaubte, die richtige Lösung zu kennen, ließen meine Selbstzweifel es nicht zu, dass ich die Antwort aussprach. Ich hörte zwar fast immer zu, aber ich machte kaum mit. Das war deshalb so schlimm, weil unsere mündliche Mitarbeit 70% der Gesamtnote ausmachte. Aber ich kam einfach nicht aus meiner Haut heraus.
Nachgespräch – oder Nachbeben
Danach war der Streit natürlich vorprogrammiert. Was hörte meine Mutter da von meiner Lehrerin? Ich habe mich im ganzen Schuljahr noch nicht ein Mal gemeldet? Ich habe den Vortrag versemmelt, weil ich den Faden verloren hatte? Was war denn da los? Zu Hause war ich doch auch nicht auf den Mund gefallen!
Jene Streitereien hielten zwar nicht lange an, aber sie waren trotzdem äußerst unangenehm und beschämend.
Der Druck der anderen Mitschüler:innen
Am nächsten Tag wurde über den Elternsprechtag geplaudert. Die einen prahlten, wie sehr sie von der lehrenden Person gelobt wurden, die anderen erzählten lustige Anekdoten, die sie von den Eltern gehört hatten. Ich hielt mich meistens raus, und gab nur einsilbige Sätze von mir, da der Bauchkrampf noch immer nicht verklungen war.
Komische Atmosphäre zwischen Lehrer:in und Schüler:in
Besonders krass fand ich die Atmosphäre am Tag danach. Ich konnte meinen Lehrenden kaum in die Augen sehen, weil ich alles rund um den Elternsprechtag schrecklich intim fand. Ganz unangenehm fand ich, wenn die Lehrenden im Unterricht sowas sagten wie: „Du bist deinem Papa aus dem Gesicht geschnitten“ oder „Du siehst deiner Mama“ überhaupt nicht ähnlich. Denn auch da kam gewisser Druck in mir auf, weil die lehrende Person das natürlich nicht zu jedem sagte, sondern nur zu einigen, die für diesen Moment dann kurz in den Mittelpunkt gedrängt wurden.
Mich ignorierten die Lehrenden dabei, vielleicht weil sie wussten, dass das Nachgespräch zwischen meinen Eltern kein Schönes gewesen sein musste. Und obwohl ich einerseits dankbar war, dass sie mich nicht beachteten, war ich gleichzeitig auch enttäuscht, dass nur den guten Schüler:innen Aufmerksamkeit geschenkt wurde.
Eltern über Schulleistungen informieren
Es ist wichtig, die Eltern über die Schulleistungen der Kinder zu informieren, aber genau wie bei den Unterschriften bei schlechten Noten (worüber ich auch mal geschrieben habe), ist für mich der jährliche Elternsprechtag trotzdem nicht die Lösung – vor allem nicht, wenn er so stimmungsgeladen ist.
Ob ich eine andere Lösung habe?
Nein. Und genau das ist das Frustrierende. Ich habe keine Ahnung, wie man es schaffen kann die Eltern zu informieren, ohne, dass sich am Ende alle mies fühlen.
Ob ich von Anfang an ehrlicher mit meinen Eltern hätte sein sollen und sie weniger tadelnd? Vielleicht, aber mal im Ernst, welches Elternteil steht schon auf schlechte Noten beim Kind?
Aber was … was, wenn wir einen anderen Ton an den Tag legen würden? Eine weniger drastische vielleicht. Eine, in der zwar darauf aufmerksam gemacht wird, dass ich im Unterricht eher leiser bin, aber die Zahlen (kein einziges Mal gemeldet, eine vier beim verpatzten Vortrag) außen vor gelassen werden. Denn dann würde es nur den Menschen ans Ich gehen.
Stichwort: Gewaltfreie Kommunikation
Und das gilt für die Lehrenden sowie für die Eltern und natürlich auch für die Kinder. Ich glaube, dass der „richtige“ Ton vieles leichter machen würde. Zwar gibt es den Mythos, dass Menschen bei etwas Schimpfe und Druck mehr Leistung erbringen (sowie, wenn der Coach dich beim Sport so lange beleidigt, bis du den Ball in den Korb versenkst), aber bei mir hat er noch nie geholfen, im Gegenteil.
Lange Rede kurzer Sinn – Elternsprechtage sind blöd! 😛
Wie findet ihr sie?
Hier nochmal der Beitrag mit den Unterschriften nach einer versemmelten Klassenarbeit:
Liebe Grüße
Mounia
- 06. Sep 2021
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