Geburtstagsfrust: Wenn das Geburtstagskind für einen Tag lang Diktator spielt


Wenn es um Geburtstage geht, gibt es immerzu eine Sache, die mich besonders daran frustriert, nämlich, wenn das Kind an seinem Ehrentag „Diktator spielt“.

Zugegeben, das ist von mir recht wertend und pointiert ausgedrückt. Was ich genauer damit meine, verrate ich euch in diesem Beitrag. Starten wir mit einer persönlichen Präferenz:

Ich halte nicht viel von Geburtstagen.

Schon als Kind mochte ich sie nicht, vor allem nicht meine eigenen. Ich feiere auch nie Partys, weil es mir jedes Mal total unangenehm ist, im Mittelpunkt zu stehen. Ich habe es mir deshalb schon vor Jahren angewöhnt, während meines Geburtstag zu verreisen, um dem Druck einer Party („Man wird nur einmal 18!“) zu entkommen.

Nun kommt es trotzdem so, dass ich mehrmals im Jahr auf einer Geburtstagsparty aufkreuzen muss, schon allein, weil meine Eltern und meine Schwester ihn immerzu feiern. Ganz zu schweigen von den engsten Freund:innen.

Für mich steht die nächste Kinder-Geburtstagsparty vor der Tür. Sie wird diesmal nur in einem winzigen Rahmen stattfinden, dennoch bereitet sie mir jetzt schon Bauchschmerzen und das hat folgenden Grund:

Am Geburtstag bekommt das Kind die extra Wurst.

Wir alle kennen es. Am Geburtstag sind wir besonders lieb zum Kind, kochen oder backen ihm was Schönes, beschenken es reich und lesen ihm jeden Wunsch von den Lippen ab.

Das Geburtstagskind weiß selbst, dass es an diesem Tag diese extra Wurst kriegt und genießt sie in vollen Zügen. Es entscheidet darüber, welchen Kuchen es gibt und häufig auch, was es zum Geburtstag kriegt. Es wünscht sich einen schönen, harmonischen Tag, denn schließlich hat es Geburtstag.

Und ein Stück weit verstehe ich diesen Geburtstagszirkus. Klar ist es schön, wenigstens am Geburtstag die Plänkeleien mal sein zu lassen und sich für das Geburtstagskind zusammenzureißen. Ich finde es auch schön, wenn an diesem Tag alles besonders schön geschmückt und sauber gehalten wird.

Aber dann wird es schwierig…

Wenn das Geburtstagskind für einen Tag lang Diktator spielt:

„Heute darfst du nicht nein zu mir sagen!“

„Heute musst du lieb zu mir sein!“

„Heute geht’s um mich.“

Habt ihr diese Sätze auch schonmal gehört? Ich schon, jedes Jahr eigentlich. Das fängt schon ganz banal an. Jemand will ein Foto machen, ich möchte aber nicht drauf sein.

„Doooch, du musst. Heute ist mein Geburtstag. Du kannst nicht nein sagen!“

Also ergebe ich mich widerwillig, schließlich will ich dem Geburtstagskind nicht die Stimmung verderben. Und bei etwas Banalem wie einem gemeinsamen Foto kann ich mich auch gern verbiegen. Schwieriger wird es, wenn einem der Wille förmlich aufgezwungen wird.

„Doooch, du musst aber wenigstens ein kleines Stück probieren. Ich hab doch heute Geburtstag!“

„Dooch, du musst unbedingt auch noch mit in die Bar, du kannst heute nicht nein sagen.“

„Dooch, heute darf ich dein Kleid anziehen, ich hab schließlich nur ein Mal Geburtstag.“

Und ja Leute, ich kann’s nicht anders sagen, aber ich finde das ziemlich diktatorisch.

Immer wieder erwische ich mich dabei, wie ich meine eigenen Grenzen ignoriere und meinen Willen beuge. Vielleicht mag das für viele überdramatisiert klingen, aber für mich ist ein Geburtstag kein Grund, in einer Beziehung eine neue Machtdynamik zu stellen.

Natürlich tue ich meinen Mitmenschen gern den ein oder anderen Gefallen, aber noch lieber tue ich es, wenn ich nicht dazu gezwungen werde.

Nach dem Geburtstag wird miteinander geredet

Dennoch bin ich der Meinung, dass es nichts gibt, worüber man nicht miteinander reden kann, auch über die diktatorische Herrschaft des Geburtstagskindes. Ich schlag jedoch vor, es erst danach zu tun. Ein solches Gespräch kann dem Geburtstagskind nämlich einen ziemlichen Dämpfer verpassen. Aber am Tag danach sollte man es ansprechen.

„Hey, ich fand es sehr schön, den Tag mit dir verbracht zu haben, aber ich wollte dir noch sagen, dass ich den Eindruck hatte, dass ich zu vielem nicht nein sagen durfte, weil es eben dein Geburtstag war. Dadurch habe ich meine eigenen Grenzen ignoriert und mich in eine Situation begeben, in der ich mich nicht wohlgefühlt habe. Wenn ich also das nächste Mal sage, dass ich nach deiner Party nicht noch mit in eine Bar gehen möchte, hoffe ich, dass du meine Entscheidung einfach respektierst und akzeptierst.“

Noch besser wäre es, seine Grenzen vor dem Geburtstag selbst festzulegen. Denn dadurch ist die Person von Anfang an eingestellt.

„Hey, ich wollte nur von vornherein klarstellen, dass ich morgen nach deiner Party nicht noch mit in die Bar kommen werde, weil mir die Gegend einfach zu weit ist und ich mich ganz allein Nachts auf dem Rückweg sehr unwohl fühle. Ich hoffe, dass du meine Entscheidung respektierst.“

Wichtig ist es mir auch stark, zu bleiben. Eine gesunde Beziehung verkraftet ein „Nein“, selbst am Geburtstag.

Soweit meine Gedanken dazu, wenn das Geburtstagskind für einen Tag lang Diktator spielt.

Abschließend möchte ich noch festhalten, dass ich jene etwas herrischen Geburtstagskinder selbstverständlich nicht für schlechte Menschen halte. Es ist in unserer Gesellschaft nun mal so, dass Kinder an ihrem Geburtstag im wahrsten Sinne des Wortes „hoch gelobt werden sollen“.

Kennt ihr das Phänomen? Was haltet ihr davon?

Liebe Grüße
Mounia

P.S. von Béa: Solche Reflexionen können auch innerhalb unserer kleinen Redaktion völlig unterschiedlich ausfallen. Natürlich gibt es zu diesem Thema einige Ansätze der Gewaltfreien Kommunikation, zu der wir noch unsere Kolumnistin mindfulsun fragen werden. Aber erstmal interessieren uns auch eure Meinung und eure Beobachtungen dazu…

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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