Klarheit ist Respekt – Unangenehme Gespräche nicht vermeiden


Ich möchte heute mit euch eine Reflexion zu Respekt und Klarheit teilen, und zwar im Zusammenhang mit Gesprächen, die sich für uns unangenehm anfühlen.

Ich schreibe nicht von Gesprächen, wo ich plane, jemandem mal die Wahrheit zu sagen – sei es nun über sich oder eine Situation, in der sich dieser Mensch befindet.
Denn hier ist wirklich Vorsicht geboten:
Was liegt hier bei mir?
Ist es meine Wahrheit?
Ist das hilfreich für diesen Menschen?
Basierend auf diesen Fragen kann ich dann noch mal reflektieren, ob ein Gespräch wirklich notwendig ist.

Worüber ich heute schreibe:

Wenn ich mit einem Menschen über meine Bedürfnisse und Gefühle sprechen möchte: Wie ich etwas empfinde, was ich mir wünsche und was ich brauche.

Und ja, manchmal fühlt sich das unangenehm an. Sei es nun in der Familie, im Job, mit Freunden oder in der Beziehung. Vielleicht fühle ich mich nicht mehr wohl mit etwas, bin verärgert oder verletzt oder möchte etwas ändern. Genau darüber möchte ich dann mit einem Menschen sprechen.

Ich habe dazu ein Zitat von Brené Brown (Sozialarbeiterin, Autorin und Forscherin zu Scham und Empathie) gefunden:

„Clear is kind. Unclear is unkind.“

Die Übersetzung ist hier etwas schwierig, denn mit „kind“ ist nicht einfach nett gemeint.
„Kind“ ist viel in der englischen Sprache: rücksichtsvoll gegenüber den Gefühlen anderen, gütig, liebevoll…

Für mich bedeutet Klarheit vor allem eines: Respekt!

Respekt vor der anderen Person, wenn ich es anspreche. Mit Respekt in das Gespräch gehen und eine große Portion Selbstrespekt haben: Ich möchte darüber reden, es nicht unter den Teppich kehren und  darauf warten, dass sich bestimmte Dinge von selbst auflösen oder verändern. Denn diese Wahrscheinlichkeit ist sehr gering.

Was viel wahrscheinlicher ist, wenn ich etwas nicht anspreche: Es verändert sich nichts, ich fühle mich immer unwohler, die Beziehung leidet. Der andere Mensch spürt vielleicht, irgendwas ist da im Busch und ich rücke nicht raus damit. Das fühlt sich für diesen Menschen nicht besonders gut an.

Und womöglich wiederholen sich die Dinge, derentwegen ich eigentlich das Gespräch suchen möchte. Das vielleicht so oft, bis ich womöglich platze und kein respektvolles und ruhiges Gespräch mehr möglich ist. In meiner Traumatherapie habe ich gelernt, zwischen langfristig und kurzfristig zu unterscheiden und danach zu handeln.

Kurzfristig und für diesen Moment wird sich dieses Gespräch vielleicht unangenehm anfühlen, langfristig wird es hilfreich sein.

Denn nur, wenn ich Dinge anspreche, können sie sich ändern. Und nur, indem ich ein Gespräch suche, zeige ich auch Respekt. Respekt ist für mich sehr wichtig in zwischenmenschlichen Beziehungen jeglicher Art.

Manchmal kommen dann vielleicht Gedanken wie: „Oh, wenn ich das jetzt anspreche, dann ist der andere Mensch womöglich verletzt.“

Drei Punkte zu diesen Gedanken:

1. Ist es mir nicht eher selbst unangenehm es anzusprechen und schiebe ich das „der andere ist dann verletzt“ nur vor, um das Gespräch zu vermeiden?
2. Etwas überhaupt nicht ansprechen, ist der andere Mensch dann nicht verletzt? Wo ist da der Respekt?
3. Ja, manches tut weh. Klarheit kann allerdings bestimmte Dinge auflösen und in einem empathischen Gespräch liegt es auch an mir, wie ich etwas kommuniziere.

Klare und direkte Kommunikation, auch wenn es kurzfristig schwerfällt!

Und ja, manchmal kostet das viel Überwindung. Bei manchen Dingen möchte ich auch lieber den Kopf im Sand vergraben und hoffen, wenn ich mal wieder rausschaue, hat es sich von selbst erledigt. Manchmal würde ich auch lieber in die Vermeidung gehen, besonders wenn ich weiß, dass das Gespräch hochemotional wird.

Hier kann ich allerdings auch selbst etwas tun:

Ich kann mich vorbereiten.

Jegliche Klarheit erfordert vor allem von mir, dass ich mir selbst klar bin. Klar darüber, was ich möchte und brauche und das respektvoll in der Ich-Form kommuniziere.
Und wenn ich die Person bin, mit der ein anderer etwas ansprechen möchte und es tut mir dann weh: Hier kann ich um Pausen bitten, mich erst mal sammeln und reflektieren.
Sei es also nun im Job, wenn ich Projekte nicht mehr schaffe und eine Grenze setzen möchte.
Sei es nun in der Familie, wenn etwas geplant ist und ich mich nicht gut fühle und deswegen absage.
Sei es nun, wenn mich jemand um Hilfe bittet und ich kann sie gerade nicht leisten.
Sei es nun, wenn ich die Beziehung zu jemandem beenden möchte und Angst habe, wie er reagiert.

Oder oder oder, es gibt so viele Beispiele.

Ja, Klarheit kann schmerzhaft sein.

Ab dem Moment, wo etwas klar ausgesprochen ist, kann sich etwas ändern. Klarheit kann zwischenmenschliche Beziehungen stärken und Vertrauen vertiefen. Gerade dann, wenn mir ein Mensch besonders wichtig ist, suche ich ein offenes Gespräch. Respekt ist ein wichtiger Wert für mich. Und ich möchte in den Spiegel schauen können. Etwas offen ansprechen, auch wenn es sich nicht angenehm anfühlt, ist respektvoll auch mir selbst gegenüber.

Zum Abschluss: Ich bewerte nicht, warum es Menschen schwerfällt, unangenehme Gespräche zu absolvieren.

Ich habe auch noch oft Bauchschmerzen, wenn ich etwas ansprechen möchte, was mir auf der Seele liegt. Viele von uns haben das nicht gelernt. Vielleicht ist jemand hilflos oder überfordert. Ich möchte mit diesem Artikel ein wenig zum Nachdenken anregen und eine andere Perspektive eröffnen. Diesen Artikel schreibe ich mit der Nase ganz fest in den Spiegel gepresst!

Zum Thema Vorbereitung (s.o), weil es mir immer hilft vor solchen Gesprächen: Wenn ich weiß, jemand möchte mit mir ein klärendes Gespräch führen oder ich mit ihm, meditiere ich. Ich bin offen und gehe nicht in Verteidigungshaltung oder in den „Kampfmodus“. Ja, ich zeige mich in solchen Gesprächen verletzlich, da ich authentisch mit meinen Gefühlen und Bedürfnissen umgehe. Nur so kann ich wachsen, können Beziehungen wachsen und nur so ist Kommunikation für mich möglich.

eure
mindfulsun

PS: Wann habt ihr zum letzten Mal etwas nicht angesprochen, „unter der Flagge“: Ich möchte diesen Menschen nicht verletzen? Und eigentlich war es euch selbst unangenehm und ihr konntet mit möglichen Reaktionen nicht umgehen?

Hier würde ich mich über Antworten sehr freuen.

mindfulsun
About me

Mensch, Mama zweier Jungs, die versucht ihre Werte zu leben und die innere Balance zu halten. Ich schreibe über Achtsamkeit, vegane Ernährung, Nachhaltigkeit und verbindende Kommunikation von Herzen. Was ich mir wünsche? Einander mit mehr Mitgefühl und Empathie zu begegnen, überall auf der Welt.

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