Welche (traumatischen) Themen besser nicht ungefragt mit anderen teilen?


Kommunikation ist ein breites Feld. Miteinander reden ist super wichtig, auch bei ernsteren Themen. Und ich stelle mir oft eine Frage: Wann sollte ich lieber vorher nachfragen, als die Informationen ungefragt mit der anderen Person zu teilen?

Wenn ich etwas Privates mit einer anderen Person teile, fühle ich mich im ersten Moment ganz komisch, weil ich mich ziemlich verletzlich gemacht habe. Aber wenn die Person mit Verständnis reagiert, wird alle Sorge von Erleichterung weg geschwemmt.

Andersherum freue ich mich darüber, wenn eine Person mir genug vertraut, um sich mir zu öffnen. Ich sehe es wie ein Geschenk, das eine Person mir gibt, und will, dass sie weiß, dass mir ihre Offenheit viel bedeutet.

Doch manchmal laufen die Gespräche nicht ganz so harmonisch ab.
Manchmal ist es für eine Partei zu viel.
Heute geht es um die zuhörende Person, und was passiert, wenn sie mit heftigen Themen überrumpelt wird.

Traumatische Erlebnisse ungefragt mit jemandem teilen

Ein kleines Beispiel von früher:

Ich war damals in der Schule, als mir ein Mädchen aus der Schule, das ich eigentlich nicht gut kannte, plötzlich erzählte, dass ihre Mutter vor Kurzem Suizid begangen hatte. Ich war völlig überrumpelt, schob meinen Schock aber vorerst beiseite, um für sie da zu sein. Während sie unter Tränen erzählte, wie sie sie gefunden hatte, hörte ich zu, und hielt sie im Arm.
Als ich später zu Hause war, musste ich selbst weinen, weil ich so überfordert von dieser Geschichte war.

Die Bilder ihrer Erzählung gingen mir nicht mehr aus dem Kopf, und den Schmerz meiner Mitschülerin wollte ich mir gar nicht erst vorstellen. Am nächsten Tag bedankte sie sich zwar dafür, dass ich ihr zugehört hatte, aber trotzdem verschwand die Überforderung bei mir nicht. Die Geschichte ließ mich nicht los. Ich dachte viel über das Leben und über den Tod nach. Da es für meine Mitschülerin so plötzlich kam, flammte in mir die Angst um meine eigenen Eltern auf. Ich fragte mich, was passieren würde, wenn ich sie so finden würde. Wenn es viel zu spät war, weil ich nicht gemerkt hatte, wie schlecht es ihnen in Wahrheit ging.

(Dazu muss ich aber sagen, dass ich generell mit Ängsten und leichter Hypochondrie zu kämpfen habe und das wusste meine Mitschülerin nicht!)

Fortan schwang jedoch immer eine leichte Angst mit, wenn wir miteinander sprachen. Eine Angst, die ich nicht benennen konnte, und von der ich nicht wusste, woher sie kam. Heute weiß ich es: Ich fürchtete mich davor, erneut von solchen Themen erschlagen zu werden.

Und ab jetzt wird es schwierig.

Denn mir liegt nichts ferner, als den Spieß umzudrehen und dem Mädchen, das seine Mutter auf eine sehr traumatische Weise verloren hat, die Schuld für irgendwas zu geben. Sie brauchte jemanden zum Reden und es war wichtig für sie, sich mitzuteilen. Ich bin sicher, dass sie niemandem damit schaden wollte.

Aus der anderen Perspektive erkenne ich jedoch auch an, dass es für die Zuhörer:innen sehr überfordernd sein kann, ungefragt mit diesen Themen konfrontiert zu werden. Natürlich kann ich nicht für jeden Menschen sprechen – einigen fällt es total leicht, über sowas zu reden. Aber mir nicht. Mir geht so was sehr nah und lässt mich tage-, manchmal wochenlang nicht los. Bei den Themen Trauer und Tod bin ich besonders sensibel und habe nicht immer die Kapazitäten, um darüber zu reden.

Über seinen (seelischen) Ballast reden ist wichtig

Niemand sollte den Frust in sich hineinfressen und völlig allein damit sein. Reden kann sehr heilsam sein. Reden macht gesund. Das muss nicht immer eine therapeutische Person sein. Es kann auch die beste Freundin sein, oder die Eltern oder sonst wer, dem man sich öffnen will.

Aber zum Reden (mit anderen) gehören mindestens zwei.

Content Warnung vor Gesprächen?

Vielleicht werden es einige von euch lustig finden, aber meine beste Freundin und ich, die beide sehr sensibel sind, kündigen vorher oft das Thema an, bevor sie loslegen. Bei einer Sprachaufzeichnung schreiben wir z. B. oft hinzu: „TW Rassismus.“ Dann weiß die Person, was sie erwartet, und wird nicht gleich damit erschlagen.

Vor Gesprächen finde ich solche Content Warnungen auch sehr sinnvoll, besonders, wenn es um Gewalt und/oder Traumata geht.

„Ich würde gern über etwas reden. Aber es ist etwas ernster. Geht um Verlust in der Familie. Hast du gerade die Kapazitäten dafür?“

Und wenn die Person nein sagt, ist das auch kein Weltuntergang. Sie achtet auf ihre Grenzen und das ist gut so. Vielleicht wird das Gespräch verschoben, oder gleich mit einer anderen Person gesprochen.

Woher soll man wissen, was die andere Person triggert?

Denn wie bereits erwähnt „triggern“ nicht jeden Themen wie Gewalt und Ähnliches. Ich habe mich zum Beispiel mal mit einer Person unterhalten und ihr davon erzählt, wie ich extrem dringend auf die Toilette musste, aber in der U-Bahn saß und dachte, ich mache mir gleich in die Hose. Daraufhin brach sie in Tränen aus, und erzählte mir, dass sie mit ihren Darmproblemen ständig in dieser Situation ist, und sie diese Geschichte (die ich eigentlich als lustige Anekdote hatte erzählen wollen) extrem getriggert hatte.

Wir können nicht wissen, was unser Gegenüber triggert, und es ist unvermeidlich, dass wir hin und wieder jemanden auf den Schlips treten werden. Aber dann wissen wir Bescheid und können die Person beim nächsten Mal vorher fragen oder das Thema gleich weglassen.

Zu einer gesunden Kommunikation gehört Consent dazu

Miteinander reden ist wichtig, aber genauso wichtig ist es, auf die Grenzen anderer zu achten und niemanden mit traumatischen Themen ungefragt zu überrumpeln. Denn wir wissen nicht, was das mit der anderen Person machen kann.

Das ist zumindest meine Meinung.

Was sind eure Gedanken dazu? Findet ihr es auch wichtig, Leute bei bestimmten Themen vorzuwarnen?

Hier ein weiterer Beitrag zum Thema Kommunikation, und warum ich Nachfragen in bestimmten Kontexten nicht aufdringlich, sondern sehr gut finde! Doch hierbei entscheidet die Person, ob sie mir etwas erzählen möchte – und das ist der Unterschied: Consent auf beiden Seiten!

„Sei nicht so neugierig!“ – Nachfragen ist nicht immer aufdringlich, sondern manchmal richtig toll!

Liebe Grüße
Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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