Jemanden unterbrechen – Wann ist es sinnvoll und wann unhöflich?


Jemanden unterbrechen, dreinreden, ins Wort fallen, dazwischenrufen oder keinen Satz zu Ende führen lassen. Das Phänomen ist uns allen bekannt. Doch was hat es damit auf sich, jemanden zu unterbrechen? Wann ist es sinnvoll und wann einfach nur unhöflich?

Niemand von uns wird gern unterbrochen, und doch tun wir es selbst manchmal. Wenn mich meine ältere Nachbarin zum Beispiel im Hausflur abfängt und mir ihre halbe Lebensgeschichte erzählt, mache ich irgendwann einen Punkt, damit ich den Bus noch rechtzeitig erwische. Gleichzeitig empfinde ich es auch als sehr uncharmant, wenn ich in einer gemütlichen Familienrunde zusammensitze und mir ständig jemand ins Wort fällt.

Wo ziehen wir also die Grenze? Wann ist es wichtig, jemanden ausreden zu lassen, und wann, jemanden zu unterbrechen? Ich habe versucht, das Thema halbwegs zu strukturieren und aus verschiedenen Gesichtspunkten zu beleuchten!

Aber fangen wir ganz allgemein an:

Jemanden unterbrechen ist … grundsätzlich unhöflich!

Wenn wir gerade dabei sind, etwas zu erzählen, und eine Person uns ins Wort fällt, gehört das Wort nicht mehr uns. Denn dann hat die Person das Steuer übernommen und lenkt das Gespräch. Vielleicht will sie einfach nur unseren Satz beenden oder etwas Konstruktives einwerfen. Vielleicht will sie uns auch widersprechen und Kontra geben. Was auch immer die Beweggründe sind, Fakt ist, dass die Person uns die Show stiehlt.

Und das ist unangenehm. Denn auch, wenn das Unterbrechen nicht böswillig ist oder gar unbewusst geschieht, ist es respektlos gegenüber der Person, die spricht. Bei einer gesunden Kommunikation ist es wichtig, dass alle zu Wort kommen. Fällt eine Person der anderen ständig ins Wort, sorgt das für eine unausgeglichene Gesprächsdynamik. Kein Wunder, dass das Unterbrechen deshalb oft in Streitmomenten vorkommt – also bei Gesprächen, die ganz und gar nicht harmonisch und friedvoll sind.

Und doch gibt es auch die Gegenseite.

Jemanden unterbrechen ist … manchmal sinnvoll und wichtig. Nur wann?

Stichwort: Grenzen! Egal, worum es geht, wir sollten immer darauf achten, dass unsere Grenzen respektiert oder nicht überschritten werden. Wenn wir uns also in einer Situation befinden, in der eine Person etwas sagt, das uns verletzt, triggert, oder sonst wie zu viel wird, ist es wichtig, etwas zu sagen.

Genauso, wie wenn die Person etwas vermeintlich Falsches von sich gibt. Dann finde ich es sogar richtig, die Person aufzuhalten, bevor sie sich in irgendwas verrennt. Doch auch hier ist der Ton wichtig.

„Nein, das ist völlig falsch!!“ ist zum Beispiel sehr angreifend formuliert.

„Kann ich dich an dieser Stelle ganz kurz unterbrechen? Ich glaube, dass das eher so und so ist“, ist etwas sanfter unterbrochen.

Auch ist es eine Frage des Kontexts!

Wann und wo unterbrechen wir? Wer hört noch zu?

Möchte ich eine Person inmitten einer Gruppe unterbrechen, die sich dadurch ggf. vor allen anderen blamiert oder nicht respektiert fühlt? Oder tue ich das in einem privaten Raum, ohne weitere Zuhörer:innen? Wenn wir jemanden unterbrechen, machen Ort und Kontext eine Menge aus.

Und nun zu ein paar radikalen No-Go‘s!

Jemanden unterbrechen geht gar nicht wenn …

… Die Person stottert. Hier sage ich ganz klar, dass das absolut nicht in Ordnung ist. Menschen, die stottern, brauchen manchmal länger, um zum Punkt zu kommen, und wir sollten ihnen den nötigen Respekt erweisen, und sie ausreden lassen.

Hierzu  möchte ich auch gerne diesen Kommentar aus Facebook teilen:

Linda Hilger
Ich kann gesundheitsbedingt oft nicht ohne merkwürdige Pausen sprechen. Da werden dauernd meine Sätze beendet. Das nervt sehr. Ich weiß, dass es nur lieb gemeint ist, trotzdem werde ich dann manchmal wirklich böse. Habe keine Idee wie das aufhören könnte.

… Die Person langsam redet. Einige reden schnell, andere langsam. Jede:r hat sein eigenes Tempo und das ist ok. Bei Letzteren ist es wichtig, die eigene Ungeduld im Zaun zu halten, und die Person in Ruhe ausreden zu lassen.

… Die Person noch ein Kind ist. Kinder befinden sich in einer konstanten Lernphase und brauchen oft länger, um Sätze zu beenden. Und auch, wenn es vielen Eltern gelegentlich auf der Zunge brennt, den Satz endlich mal für sie zu beenden, ist es dennoch wichtig, sie ausreden zu lassen. Sobald sie älter sind und man ein Gespräch auf Augenhöhe führen kann, sind Unterbrechungen nicht mehr ganz so heikel. Aber vorher ist die Dynamik zu unausgeglichen.

Das gilt übrigens auch für Menschen, die sich nicht auf derselben sprachlichen Ebene befinden. Für Menschen, die die Sprache noch lernen, ist es wichtig, ihre Gedankengänge nicht zu unterbrechen. Damit erleichtert man ihnen das Lernen nämlich nicht, im Gegenteil.

Ein Tipp, um das Ruder wieder an sich zu reißen: „Willkommen in meinem Satz!“

Catharina Franke
Die Tochter einer Freundin hat mal, als sie nicht ausreden konnte, gesagt: Willkommen in meinem Satz!“ Das war aus der Situation heraus lustig und wir haben das aus Spaß übernommen. Nun ist es aber tatsächlich so, dass man darüber nachdenkt, wie unhöflich man war, wenn man diesen Satz gesagt bekommt.

Ich hoffe, ich konnte euch einen allgemeinen Überblick geben!

Was haltet ihr vom Unterbrechen? Erwischt ihr euch auch manchmal dabei, wie ihr jemand anderem ins Wort fallt? Was sind eure Intentionen dabei?

Liebe Grüße
Mounia

Mounia
About me

Ich - 25 Jahre alt, Studentin, Kinderanimateurin, begeisterte Hobbyköchin und abenteuerlustig! Meine absolute Leidenschaft ist das Schreiben und Festhalten von Momenten.

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