„Ich muss immer aufpassen, was ich sage!“ – Nur, wenn du’s persönlich nimmst!
So Leute, heute mal ein Beitrag, der mir sehr aus der Seele spricht. Den Spruch „Ich muss immer aufpassen, was ich sage!“ haben sicher viele von euch schonmal gehört oder selbst ausgesprochen. Der Satz ist frustrierend und irritierend. Warum das so ist, und wie man ihm die Macht entziehen kann, erfahrt ihr hier.
Vor Kurzem hatten ein guter Freund und ich eine hitzige Diskussion. Ich erzählte ihm von einer belastenden Situation, woraufhin er mir sagte, dass ich mich nicht so anstellen und stattdessen drüberstehen sollte. Daraufhin sagte ich ihm, dass er mir meine Gefühle nicht absprechen könne und ich mich fühlen durfte, wie ich wollte. Seine Reaktion war … nun ja, sagen wir energisch.
„Ich muss immer aufpassen, was ich sage!“
„Kaum will ich dir einen lieb gemeinten Rat geben, rastest du aus. Das ist so nervig. Man kann gar nicht mehr mit dir reden!“
Huch, wo kam das denn her?, fragte ich mich. Ich hatte ihm doch nur gesagt, dass er mir meine Gefühle nicht absprechen durfte – das war doch mein gutes Recht? Doch dann wurde mir klar, dass es ihm um viel mehr ging als um diese bloße Situation. Er war genervt davon, dass ich ihn ständig zurechtwies.
Hier mal ein paar Beispiele:
Wenn er einen sexistischen Spruch äußerte (Ihr Frauen seid immer so dramatisch), sagte ich ihm, dass ich diese Pauschalisierung nicht korrekt fand.
Wenn er einen diskriminierenden Spruch äußerte (Die fette Frau war voll unhöflich), wies ich ihn darauf hin, dass das Gewicht einer Frau in keiner Weise mit ihrem Charakter oder ihrem momentane Verhalten zusammenhing.
Wenn er einen menschenverachtenden Spruch äußere (Ich sah aus wie eine Transe), sage ich ihm, was ich davon hielt.
Ich tat und tue das nicht gern, sondern aus dem einfachen Grund, dass ich nicht mehr weghören kann.
Viel zu lange habe ich das getan. Einfach genickt habe ich, aus Angst davor, zu streiten. Aber damit ist Schluss. Ich mache den Mund auf und sage es, wenn mir etwas nicht passt. Und vor allem stehe ich für mich ein. Wenn mir jemand meine Gefühle abspricht, sage ich ihm*ihr, dass ich das nicht will. Ich will mich deshalb nicht streiten, sondern es einfach klarstellen.
Aber warum kommt es gleich zum Streit?
Weil wir es persönlich nehmen.
Ich glaube, dass es ganz „normal“ ist, Kritik jeder Art zunächst persönlich zu nehmen. Auch ich befand mich schon in einer Situation, in der ich gekränkt war, weil ich dies und jenes vermeintlich unsensibel ausgedrückt hatte.
Aber warum eigentlich? Wenn jemandem sage, dass ich einen bestimmter Spruch sexistisch finde, dann meine ich nicht, dass dieser Jemand sexistisch ist, wohl aber dieser Kommentar.
Das Gespräch könnte auch ganz anders stattfinden:
„Ihr Frauen seid immer so dramatisch.“
„Das ist aber ganz schön sexistisch von dir, alle der Frauen der Welt unter einen Kamm zu scheren.“
„Nein, so meine ich das natürlich nicht. Du weißt doch, wie es gemeint war.“
„Ja, aber heutzutage finde ich es nicht cool, so einen Spruch zu äußern. Ich finde das nicht sehr respektvoll.“
„Ja, du hast recht.“
Alles ändert sich – auch Moral und Sprache.
„Was darf man denn überhaupt noch sagen?“ ist ein Spruch, der mit dieser Diskussion ebenfalls parallel geht. Sprache ändert sich stets und passt sich den jeweiligen Moralvorstellungen an. In den Fünfzigern war es vielleicht noch üblich, mit sexistischen Sprüchen um sich zu werfen und diskriminierende/rassistische Floskeln als Alltagssprache zu verwenden. Aber heute nicht. Wenn wir von uns behaupten „tolerant“ und respektvoll zu sein und alle Menschen als gleichermaßen wertvoll anzusehen, liegt es auch an uns, einen sensiblen Umgang mit der Sprache zu finden.
Nimm’s nicht persönlich.
Wenn wir diskutieren, anstatt Einsicht zu zeigen, verlieren wir den Fokus. Es geht dann nicht mehr um die Situation selbst, sondern um unseren Stolz. Wir sind gekränkt, weil wir nichts Böses im Sinn hatten und kriegen noch dazu eins auf die Mütze. Aber so muss es gar nicht sein. Wenn wir Kritik nicht gleich auf unser ganzes Wesen beziehen, sind wir nicht sofort gekränkt. Wenn wir akzeptieren, dass dieser Kommentar verletzen und politisch unkorrekt war, aber wir selbst trotzdem keine schlechten Menschen sind, dann gibt es nichts weiter zu bereden.
Der Ton macht die Musik.
Eine letzte Sache muss ich noch loswerden. Wenn das Gegenüber gleich wütend und laut wird, erschwer das die Diskussion. Die meisten Menschen gehen schon allein deshalb in die Defensive. Ein neutrales Gespräch ist nicht möglich, wenn höflicher Umgang über Bord geworfen wird. Nicht, dass einige Menschen nicht auch wütend sein dürfen, wenn sie kontinuierlich mit Rassismus oder Sexismus oder Ähnlichem konfrontiert werden. Aber wenn es darum geht, jemanden auf etwas aufmerksam zu machen, ist es immer einfacher, erst mal abzukühlen und das Gespräch erst dann aufzusuchen.
Was ist eure Meinung zu diesem Phänomen? Habt ihr ähnliche Gedanken dazu? Oder völlig andere?
Liebe Grüße
Mounia
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